Debatte über Freiwilligendienste

Wehrpflicht oder Freiwilligendienst?

Andreas Fauth
Kommentar von Andreas Fauth

Ein Pflichtdienst für junge Leute ist ungerecht und löst die Probleme nicht – sagt unser Chefredakteur Andreas.

Nach der Schule, richtig durchstarten? Eher nicht, wenn es nach den Debatten rund um die Koalitionsverhandlungen in Berlin geht: Dann steht ein Pflichtdienst im Raum oder kommt sogar die Wehrpflicht zurück? Beides falsch, Gründe lassen sich viele finden.

Die Bundeswehr muss größer werden, an Männernn und Frauen gleichermaßen. Aber können wir mit Wehrpflichtigen einen Krieg gewinnen? Selbst die Vereinigten Staaten haben keine Wehrpflicht mehr. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 in Deutschland ist sukzessive die Infrastruktur abgebaut worden, aktuell fehlt es an Soldaten und Soldatinnen für die Ausbildung, es fehlen Kasernen und Ausrüstung.

Pflichtdienst verschärft Fachkräftemangel

Ein Pflichtdienst – egal ob für die Bundeswehr oder im sozialen Umfeld – würde der Wirtschaft die so dringend benötigten Fachkräfte für ein weiteres Jahr entziehen. In einer alternden Gesellschaft ist das insbesondere ein Problem. Das Vertrauen in den Staat ist jetzt schon erschüttert, durch einen Pflichtdienst würde Vertrauen kaum wieder wachsen. Wer will schon seine Kinder für zwei alte weiße Männer in Moskau und Washington in den Krieg schicken?

Freiwillige in Zahlen

Die meisten jungen  Leute engagieren sich im FSJ beim Roten Kreuz, gefolgt von der Evangelischen Jugend. Dazu kommen noch viele Engagierte im Bundesfreiwilligendienst. Zusammen sind mehr junge Menschen freiwillig aktiv als 2010 im letzten Jahr der Wehrpflicht - damals gab es nur gut 78.000 Zivildienstleistende.

Heute mehr Freiwillige als Zivis zur Zeit der Wehrpflicht

Und ein sozialer Pflichtdienst? Junge Menschen, die sich für die Gesellschaft stark machen, das klingt doch toll! Wer auf die Zahlen schaut, wird schnell feststellen: Schon jetzt engagieren sich mehr junge Menschen freiwillig fürs Gemeinwohl, als es im letzten Jahr der Wehrpflicht noch Zivildienstleistende gab. Damals verweigerten gut 78.000 Menschen den Dienst an der Waffe, heute sind es fast 95.000 junge Leute, die einem Freiwilligendienst leisten.

Auch in der Pflege, in den sozialen Berufen herrscht Fachkräftemangel. Zivis können da keine Löcher stopfen, denn wer soll die jungen Menschen anlernen? Mit Blick auf die ausgedünnte Personaldecke wären soziale Einrichtungen gar nicht in der Lage, eine solche Flut an Pflichtdienstleistenden zu betreuen und einzuarbeiten.

Alte Boomer bevormunden die junge Generation.

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Freiwilligendienste attraktiver machen

Statt Gelder für Freiwilligendienste zu streichen, müssen die Angebote attraktiver werden: Mit dem sogenannten Taschengeld für Freiwillige kann sich kaum jemand eine Wohnung, geschweige denn ein WG-Zimmer in den großen Städten leisten. Ein Zuschuss für die Unterkunft über das Wohngeld hinaus würde vielen jungen Leuten helfen. Und warum nicht das ganze Jahr über kostenlos Bahn fahren? Das geht bei Soldaten doch auch!

Ein Pflichtdienst ist ungerecht: Mit ihm bevormunden alte Boomer die junge Generation, nicht mehr und nicht weniger. Pflicht wirkt wenig überzeugend, Pflicht legt aber schonungslos die Probleme offen. Soziale Arbeit und ja, auch die Bundeswehr scheinen in den Köpfen von Politikerinnen und Politikern, vielleicht sogar in weiten Teilen der Gesellschaft wenig attraktiv. Das muss sich ändern, deshalb konstruktive (!) Vorschläge bitte!

Deine Meinung ist gefragt: Pflicht- oder Freiwilligendienst?

Ich selbst war tatsächlich noch bei der Bundeswehr und habe in diesem Jahr viel fürs Leben gelernt. Wenn es keine Wehrpflicht gegeben hätte, wäre ich wohl nicht hingegangen. Schreib uns deine Meinung: Wie stehst du zur Wehrpflicht? Oder ist ein Freiwilligendienst besser? Werden wir genug Freiwillige für soziale Berufe und für die Bundeswehr finden, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden? Komm mit uns in Austausch, entweder über unsere Social-Media-Kanäle:

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