Erfahrungsberichte

Kürzungen beim FSJ? Das sagen die Freiwilligen

Wie gehen Freiwillige mit den Kürzungen um
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Der Freiwilligendienst leistet einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft. Doch die aktuellen Sparpläne der Bundesregierung machen den FSJlern Sorgen.

von Frederik Lange

Ob in kulturellen Einrichtungen, im Kindergarten, Seniorenzentrum oder Krankenhaus: Wenn junge Menschen nach ihrem Schulabschluss sich orientieren wollen und dabei der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen, können sie an vielen unterschiedlichen Orten ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder Bundesfreiwilligendienst machen.

Laut Bundesfamilienministerium machen das aktuell ca. 90.000 Menschen. Dabei bekommen sie wenig Geld dafür. Eine Petition für besser Bedinungen war am 18. September im Petitionsausschuss des Bundestages. Und nun sollen die Bundes-Gelder für die Freiwilligendienste gekürzt werden. Wie reagieren die Freiwilligen auf die Pläne der Politik? Ich habe mit FSJlern darüber gesprochen.

„Freiwillige entlasten Fachkräfte“

Marie bei ihrem FSJ im Krankenhaus
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Marie Beimem (19) hat im zurückliegenden Jahr ihr FSJ im katholischen Marienkrankenhauses in Schwerte gemacht. Sie plant Medizin zu studieren. Mit dem Freiwilligendienst wollte sie  praktische Erfahrungen im medizinischen Bereich sammeln. Dafür hat sie ein Jahr lang auf der Pflegestation mitgearbeitet. Neben ihrem FSJ hat sie sich in der Bundesfreiwilligenvertretung engagiert und die Petition „Freiwilligendienste stärken“ mitinitiiert:

„Diese Pläne sind katastrophal. Auch, weil wir mit unserer Petition im Bundestag ursprünglich die Rahmenbedingungen in den Freiwilligendiensten verbessern wollten.

Die Kürzungen würden in vorderster Linie die kleinen Einrichtungen treffen. Zum Beispiel den Sportverein, die Kita oder das kleine Pflegeheim, die sowieso schon nur wenige Freiwillige beschäftigen können.

Schon der jetzige Zustand ist verbesserungswürdig. Durch die Kürzungen kommt es aber dazu, dass ganze Plätze wegfallen. Deswegen ist jetzt unsere oberste Priorität, die Kürzungen zu verhindern.

In meinem FSJ habe ich oft von meinen Chefs gehört, wenn ich nicht da wäre, würde die Station nicht mehr funktionieren. Gerade im Krankenhaus gibt es einen ganz eklatanten Fachkräftemangel. Wir Freiwillige fangen das auf. Wir sind natürlich keine Fachkräfte, aber wir entlasten diese Fachkräfte, indem wir Aufgaben machen, die ansonsten auch noch auf den Schultern der Fachkräfte lasten würden.

Für den Patienten selber bedeutet das natürlich auch, dass keine Zeit mehr für kleine zusätzliche Sachen bleibt. Wir hatten viele ältere Menschen, die sehr stark von Einsamkeit betroffen sind. Ohne FSJler fallen die kleinen Gesten weg, etwa dass sich jemand mal zehn Minuten ans Bett setzt.

Deswegen fordere ich:

Die Kürzungen dürfen nicht so eintreten.

Stattdessen brauchen Freiwillige ein höheres Taschengeld, das an die Inflation gekoppelt ist. Je nach Format und Bundesland gibt es zwischen 200 und maximal 440 Euro. Und das für ein Vollzeit Engagement von 150 Stunden im Monat. Wir brauchen einen Verdienst oder eine Aufwandsentschädigung, die nicht in die Armut katapultiert.

Das Taschengeld wird außerdem noch immer angerechnet: Auf Bürgergeld-Bezüge, auf Bafög-Leistungen Familienangehöriger und auf Unterhaltsansprüche. Das ist eine sozial extrem ungerechte Struktur und stellt eine Zugangsbarriere für Menschen aus einkommensschwachen Familien dar.“

„Freiwilligendienste attraktiver für alle gestalten“

Mike beim FSJ im Kinderhaus
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Mike beim FSJ im Kinderhaus

Mike Skotara (24) macht gerade ein FSJ im Kinderhaus Paradies in Darmstadt beim Internationalen Bund. Für den Freiwilligendienst hat sich Mike nach einem Therapieaufenthalt in einer Klinik entschieden. Noch nicht bereit für eine Ausbildung, überzeugte Mike das Konzept des Kinderhauses. Der Freiwilligendienst bietet Maik Vertrautes aus der Kindheit und Orientierung für die Zukunft.

„Bevor ich mein FSJ begonnen habe, war ich mir nicht sicher, ob ich bereit für eine Ausbildung bin. Im Vorgespräch wurde mir die Vielfalt der Berufe bewusst. Als mir dann erzählt worden ist, dass im Kinderhaus ein Platz frei ist, wusste ich das ich dahin will. Ich kannte dieses Konzept und das Haus aus meiner Kindheit.
Meine Aufgaben im Kinderhaus waren hauptsächlich Kinder betreuen, bei den Hausaufgaben helfen, kochen und Streit schlichten.

Die Pläne von der Bundesregierung finde ich nicht gut. Durch diese Kürzungen leiden nur die Freiwilligen und es gibt nur noch weniger Geld. Die Unterstützung von den Unternehmen fällt dann auch flach. Und es wird dadurch auch noch unattraktiv für junge Menschen.

Bei mir an der Einsatzstelle würde dadurch beispielsweise eine sehr wichtige und vielleicht auch zukünftige, volle Arbeitskraft wegfallen.

Ich persönlich würde mich freuen, wenn die Politik die Jugend wirklich ernst nimmt. Der Freiwilligendienst ist für manche Menschen sehr wichtig. Vielleicht schafft der Bundestag es stattdessen, den Freiwilligendienst ein wenig attraktiver für alle zu machen und uns Freiwillige mehr zu unterstützen.“

Vom FSJ zur Ausbildung

Maximilian macht ein FSJ im Seniorenzentrum
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Maximilian macht ein FSJ im Seniorenzentrum

Maximilian Triller (18) wollte nach der Schule eigentlich eine Ausbildung machen. Als ihn sein Umfeld immer wieder auf seine soziale Ader aufmerksam machte, hat er sich umentschieden und ein FSJ begonnen. Durch sein noch laufendes FSJ im Seniorenzentrum Aartalsee in Bischoffen seinen künftigen Wunschberuf gefunden.

„Witzigerweise habe ich mich gerade erst als Altenpfleger bei uns in der Einrichtung beworben. Ich kenne die Chefin gut. Sie war sehr zufrieden mit meiner Arbeit und hat sich sehr gewünscht, dass ich die Ausbildung anfange.

Ich konnte mir vor dem Freiwilligendienst überhaupt nicht vorstellen, in der Altenpflege zu arbeiten. Ich habe einige Freunde, die das auch von sich sagen. Früher habe ich auch dazugehört, aber mittlerweile habe ich da einen ganz anderen Blick drauf.

Die Kürzungen finde ich nicht gut. Denn mein FSJ zeigt, dass diese Zeit vielen Jugendlichen dabei hilft herauszufinden, welchen Beruf sie machen möchten. Und das, ohne eine Ausbildung machen zu müssen. Denn nur über Praktika bekommt man nicht wirklich einen Einblick in den Beruf.

Dabei spielt für viele sicherlich das Gehalt eine wichtige Rolle. Wenn mich Freunde gefragt haben, was ich da verdiene, sagten sie:

Joa, das ist ja schon recht wenig. 

Für mich war das jetzt nicht so wichtig, obwohl ich das dann anfangs auch nicht so sonderlich lukrativ fand.

Aber wenn man sich näher damit befasst, ist es schon ziemlich lukrativ. Auch für die sozialen Fähigkeiten. Ich habe sehr viel gelernt und weiß den Kontakt mit den Senioren mittlerweile sehr zu schätzen.“

Doppelmoral in der Politik

Leonie hat ihr FSJ in einer Kindertagesstätte gemacht
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Leonie hat ihr FSJ in einer Kindertagesstätte gemacht

In der evangelischen Kindertagesstätte in Roßdorf hat Leonie Schäfer (17) gerade ihr FSJ abgeschlossen. Besonders motiviert hat sie die Arbeit mit den Kindern. In den Kürzungen der Bundesregierung sieht sie ein fatales Zeichen:

„Von diesen Kürzungen halte ich absolut nichts und sie sind für mich unverständlich. Man verliert damit eine wichtige Möglichkeit, Nachwuchs für soziale Berufe zu gewinnen. Besonders für junge Menschen, wie mich, kann ein FSJ sehr viel zur Persönlichkeitsentwicklung und Entscheidung des zukünftigen Berufes beitragen. Das wäre durch die Schule niemals möglich.

Es ergibt keinen Sinn, dass gesagt wird: Der Personalmangel in den sozialen Berufen wird gesehen und bemängelt. Aber dann werden die Gelder für den besten Weg junger Leute in diese Berufe gestrichen.

Da meine Einsatzstelle hier eher kleiner ist, könnte es passieren, dass sie sich keine FSJler*innen mehr leisten könnte. Somit würde dem Personal Unterstützung fehlen, die sie dringend nötig hat.

Stattdessen könnte die Politik das FSJ attraktiver machen. Zum Beispiel, indem man den Freiwilligendienst für Leute mit besonderen Lebensumständen, Behinderungen und anderen schwierigen Voraussetzungen verbessert. Die Rahmenbedingungen müssten so gestaltet sein, dass jede junge Person nach der Schule Lust hätte, einfach mal ein Jahr etwas anderes zu machen und dabei etwas Gutes zu tun.

Auch ein bevorzugter Zugang zum öffentlichen Dienst oder Bonusreglungen bei der Wartezeit auf einen Studienplatz könnten den Freiwilligendienst attraktiver machen. Letztendlich spielt die Anerkennung auch eine wichtige Rolle. Man darf nämlich nicht vergessen, es ist trotz allem harte Arbeit.“

Bundeshaushalt unter Druck: Wie wirkt sich das auf die Freiwilligendienste aus?

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In ihrem Koalitionsvertrag hatte sich die Ampelkoalition im Bund vorgenommen, die Freiwilligendienste zu stärken. Doch im Rahmen der Einsparungen in den kommenden Bundeshaushalten, hat sich die Situation verändert. Das spüren auch die Freiwilligendiensten: Schon im kommenden Jahr 2024 sollen 78 Millionen Euro (das sind bis zu 25 Prozent der aktuellen Mittel) und im darauf folgenden Jahr weitere 35 Millionen Euro gestrichen werden. 

Sozialverbände wie die Diakonie und das Rote Kreuz schlagen Alarm: Laut der Träger könnten durch die Kürzungen bereits im nächsten Jahr ein Viertel der Freiwilligen-Stellen wegfallen. Insgesamt könnten demnach bis zu 56.000 Stellen gestrichen werden.

Bei der Petition der Freiwilligen im Deutschen Bundestag kamen 101.954 Unterschriften zusammen. Staatssekretärin Ekin Deligöz vom Bundesfamilienministerium sagte bei der Anhörung, dass trotz der Sparpläne einiges auf dem Weg sei. Dazu zähle beispielsweise eine Lockerung im Bereich Teilzeitmöglichkeiten oder eine höhere Taschengeldobergrenze.