Corona-Krise

Keiner muss sich gegen Corona impfen lassen

Wolfgang Weissgerber
Kommentar von Wolfgang Weissgerber

Im Kampf gegen das Coronavirus scheint der Impfstoff nun das schärfste Mittel im Arzneimittelschrank der Politiker zu sein. Doch ist der Impfstoff wirklich der heilige Gral?

Jetzt geht’s los. Zwei vielversprechende Impfstoffe gegen das Coronavirus stehen unmittelbar vor der Zulassung. Das große Impfen kann beginnen. Ein Ende der alles lähmenden Pandemie ist in Sicht. 

Ein wirksamer Impfstoff ist die beste Medizin gegen jede Krankheit

Immerhin fast zwei Drittel der Deutschen wollen sich impfen lassen. Doch gut ein Viertel eben nicht, der Rest ist unentschlossen. Ob das ausreicht, um die weitere Ausbreitung des Virus dauerhaft einzudämmen? Einig ist sich die Wissenschaft indes darin, dass ein wirksamer Impfstoff die beste Medizin gegen ziemlich jede Krankheit ist. 

Es darf keine Impfpflicht geben.

Dem Irrglauben mancher Eltern, die ihren Kindern den Schutz gegen Masern, Scharlach und ähnliche, unter Umständen tödlich verlaufende Erkrankungen verweigern, stehen die Wissenschaftler*innen ebenso ratlos gegenüber wie die Politik. Das mag man bedauern, doch in einem freiheitlichen Rechtsstaat darf es keine Impfpflicht geben. Es gibt statt dessen ein Grundrecht auf Ignoranz. Wer sich nicht impfen lassen will, muss nicht – auch um den Preis, damit andere Menschen potenziell zu gefährden. 

Was muss eine freie Gesellschaft alles aushalten?

Eine freie Gesellschaft muss das aushalten. Sie hält auch tonnenschwere übermotorisierte Autos aus, die in der Hand von Verstörten zu gefährlichen Waffen werden. Wundern darf man sich allerdings schon, wenn vermeintlich gebildete Menschen allen Ernstes behaupten, dass ihnen mit der Corona-Impfung ein Mikrochip injiziert würde, um sie zu versklaven. Gegen solche Verschwörungsmythen sind Argumente machtlos.

Leider ist derzeit auch noch völlig unklar, wer denn überhaupt zu den ersten „Impflingen“ – diesen drolligen Ausdruck hat die Politik in Umlauf gebracht – gehören wird. Sollen zuerst Alte und Kranke immunisiert werden, also Menschen, die ein besonders hohes Risiko haben, an Corona zu sterben? Vielleicht auch Dicke? Oder besser medizinisches Personal und Pflegekräfte, die ein besonders hohes Risiko tragen, sich anzustecken? Wäre es nicht am sinnvollsten, zuerst in jenen Berufen für Schutz zu sorgen, auf deren Dienste die Gesellschaft angewiesen ist? Und welche sind das? Verkehrsbetriebe? Lebensmittelhandel? Schule? Gesundheitswesen? Konflikte, wer denn nun zuerst darf, sind nicht auszuschließen.

Wer hat im Rennen um die Corona-Impfung die Nase vorn?

Auch im weltweiten Maßstab bahnen sich Auseinandersetzungen an. Gegenwärtig decken sich die reichen Industrieländer mit Kaufoptionen für Hunderte Millionen Impfdosen ein. Arme Länder haben das Nachsehen. In Afrika und Lateinamerika wird das Virus noch lange weiter wüten, ehe auch dort die Bevölkerung immunisiert werden kann. Wenn es noch eines Beweises für westlichen Imperialismus bedurft hätte - hier ist er.

Der Impfstoff ist keine schnelle Heilung

Doch selbst wenn alles mit rechten Dingen zugeht, wenn der Impfstoff gerecht und vernünftig verteilt wird und wenn sich genügend Menschen impfen lassen – selbst dann wird es viele Monate dauern, vielleicht sogar ein ganzes Jahr, bis die Gesellschaft wieder zurückkehren kann in ein normales Leben. Doch so wie vor der Pandemie wird es nicht mehr sein.

Erst sehr viel später lässt sich absehen, welche grundlegenden und dauerhaften Veränderungen die Corona-Pandemie bewirkt. Einige deuten sich aber an. Der Kampf gegen das Virus hat einen kräftigen Digitalisierungsschub bewirkt. Das wird dort deutlich, wo der Nachholbedarf besonders groß war und noch ist: in der Kirche und in der Schule

Industrie und Verwaltung haben bemerkt, dass viele Dienst- und Geschäftsreisen unnötig sind, weil Videokonferenzen reichen. Bahn, Luftfahrt und Gastgewerbe werden die Umsätze der Zeit vor Corona wohl nicht mehr erreichen. In vielen Berufen wird Heimarbeit künftig selbstverständlich sein. Die Folgen von Home-Office für die Gesellschaft gehen über sinkende Büromieten und entspannten Berufsverkehr weit hinaus.

Ob aber auch der achtsame Umgang der Menschen untereinander über das Virus hinaus Bestand haben wird? Schön wär’s!