Hilfe in Krisenzeiten

Seelsorger:innen sind für die Menschen da

Füreinander da sein und sich um andere kümmern ist eine Form der Seelsorge
Gettyimages/LumiNola
Füreinander da sein und sich um andere kümmern ist eine Form der Seelsorge

In allen Lebenslagen kümmern sich Seelsorgerinnen und Seelsorger um Menschen. Was, wenn es sie nicht mehr gäbe?

Egal ob im Gefängnis, bei Olympia oder auf dem Festival: Seelsorgerinnen und Seelsorger der Kirche kümmern sich um Menschen – nicht nur, wenn es ihnen schlecht geht.

Die Gefängnispfarrerin half bei Ehe- und familiären Problemen

Acht Jahre und neun Monate Haft wegen Betrug. So lautete der Urteilsspruch, den der Richter verkündete. „Das hat mich damals brutal getroffen“ erzählt Robert, seinen kompletten Namen möchte er nicht im Internet lesen.

An Neujahr 2011 verhaftete die Polizei den damals 40-Jährigen am Frankfurter Flughafen, als er mit seiner Frau von einer Silvesterfeier zurückkehrte. „Ich hatte eine Vermögensverwaltung. Als ich in Schwierigkeiten geriet, habe ich Gelder zweckentfremdet und damit alte Schulden bezahlt. Aus diesem Kreislauf kam ich irgendwann nicht mehr raus“, sagt er.

Was tun, wenn Papa im Knast sitzt? Kirchen und Gemeinden kümmern sich um Angehörige von inhaftierten Straftätern

In der Haftanstalt lernte Robert die Gefängnispfarrerin kennen, die für die seelsorgerliche Begleitung der Gefangenen zuständig ist. „Ich habe schnell gemerkt, dass ich alles mit ihr besprechen konnte, von der Aufarbeitung meiner Tat bis hin zu Ehe- und familiären Problemen“, erinnert er sich. Die Pfarrerin kam zu Gesprächen vorbei und half auch ganz praktisch. Mal kümmerte sie sich um die Beschaffung von einem Radio oder ermöglichte Sonderbesuche von Roberts Frau.

Auch heute noch, mehrere Jahre nach seiner Entlassung, denkt Robert dankbar an die Pfarrerin zurück. „Sie hat mir in Vielem geholfen und war die einzige Person im Gefängnis, der ich zu 100 Prozent vertrauen konnte. Ohne sie hätte ich sicher das ein oder andere seelische Tief mehr gehabt.“

Als Seelsorger bei 50 Grad im Nordirak im Einsatz

Militärpfarrer Tim Mahle
Bundeswehr
Militärpfarrer Tim Mahle

An vielen Orten, wo Menschen zusammen kommen, begleitet Kirche sie seelsorgerlich. Das gilt auch für die Bundeswehr.

Tim Mahle ist Militärpfarrer und Seelsorger im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz. Von 2016 bis 2020 war er am Standort Daun für die Soldatinnen und Soldaten zuständig und hat 2019 einen Auslandseinsatz im Nordirak begleitet.

„Wir saßen dort viereinhalb Monate auf engstem Raum zusammen. Es gab kaum Privatsphäre, hinzu kamen die Belastungen des Einsatzes sowie körperliche Belastungen bei Temperaturen bis zu 50 Grad“, erzählt er.

Schon Kleinigkeiten wie etwa ein Streit in der Familie zuhause, könne bei den Soldaten eine emotionale Stresssituation auslösen. „Man fühlt sich hilflos, weil man nicht vor Ort ist und eingreifen kann“, hat Mahle erlebt.

Festivalseelsorge

„Auf dem Festival waschen wir den Besuchern die Füße - das hat Jesus auch gemacht“. Mit einer „Open Church“ ist die Kirche auf dem Open-Beatz-Festival in Herzogenaurach vertreten

Diese Situation gelte es, im Einsatz auszuhalten. Der Militärpfarrer ist für die Soldaten da und bietet Gespräche an. „Zunächst geht es darum, den Problemen einen Raum zu geben und sie sich von der Seele zu reden. Kommunikation entlastet und ist ein wichtiger Faktor“, sagt er.

Auch wenn Mahle im Einsatz Uniform trägt, hat er keinen militärischen Rang und ist als Zivilist vor Ort. „Anders als der Truppenpsychologe oder der Sozialdienst bin ich nicht Teil des Systems. Und ich bin der absoluten Verschwiegenheit verpflichtet.“

Konkret bedeutet das, dass Mahle etwa keine Beurteilungen an Vorgesetzte weiter gibt oder Aktenvermerke schreibt. „Der Soldat kann sich auf meine Verschwiegenheit verlassen. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal der Militärseelsorge“, sagt er.

Lesetipp: Polizeiseelsorge

„Als ich anfing, war ich den alten Haudegen suspekt.“ Der ehemalige Polizeipfarrer Wolfgang Hinz berichtet aus seiner Tätigkeit.

Seelsorge ist da, wo die Menschen sind

Kirchliche Seelsorge findet nicht allein hinter Kirchenmauern statt, sondern ist da, wo die Menschen sind. Dazu gehören:

👉 die Flughafenseelsorge

👉 die Polizeiseelsorge

👉 die Krankenhausseelsorge

👉 die Schul- und Studierendenseelsorge

👉 die Notfallseelsorge

👉 die Flüchtlingsseelsorge

👉 die Hospiz- und Paliativseelsorge

👉 die Trauerseelsorge

👉 die Olympia-Seelsorge.

Seelsorge zwischen Riesenrad und Zuckerwatte

Schaustellerseelsorgerin Christine Beutler-Lotz auf der Kirmes
epd-Bild / Thomas Rohnke
Schaustellerseelsorgerin Christine Beutler-Lotz auf der Kirmes

Etwa 4.500 Schaustellerinnen und Schausteller gibt es im Kirchengebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), knapp die Hälfte von ihnen ist evangelisch. Da sie Reisende sind und keine feste Gemeinde haben, kümmert sich Christine Beutler-Lotz  um sie, die einzige Schaustellerseelsorgerin in der EKHN.

„Auf der Kirmes oder Weihnachtsmärkten ist Kirche nicht als Gebäude vor Ort, sondern ich gehe von Stand zu Stand“, sagt Beutler-Lotz. Die schönsten Tage, hat sie erlebt, seien die Regentage, weil dann mehr Zeit zum Reden sei. „Auch montags funktioniert gut, weil da wenig los ist“, erzählt sie.

Online-Seelsorge rund um die Uhr

Mit der Online-Seelsorge tut sich Kirche ja manchmal noch schwer. Umso schöner, wenn es ganz unkompliziert geht: Die Jugendkulturkirche Sankt Peter in Frankfurt bietet Seelsorge speziell von jungen Menschen für junge Menschen an. Rund um die Uhr und an sieben Tagen in der Woche ist das Seelsorge-Team kostenlos erreichbar

Hier kannst du dich vertraulich und anonym anmelden

Ein Problem der Schausteller sei aktuell fehlendes Personal, weiß Beutler-Lotz. „Mit der Corona-Pandemie sind viele Mitarbeiter entlassen worden und danach nicht mehr wieder gekommen. Die Schausteller müssen deswegen teilweise Veranstaltungen absagen und haben dadurch weniger Einnahmen. Gleichzeitig sind durch die hohe Inflation die Kosten gestiegen, etwa für die Wartung und Instandhaltung der Fahrgeschäfte.“

Es sei wichtig, sagt die Pfarrerin, eine Person zum Reden zu haben. „Einmal hat mir eine Schaustellerin von der Krebserkrankung ihres Mannes erzählt. Den anderen Schaustellern konnte sie das nicht erzählen. Die hätten sonst sofort darüber spekuliert, wer bald den Stand übernehmen kann.“

Seelsorge verschwitzt nach dem Fußballspiel

Stadtjugendpfarrer Matthias Braun
SJPA Mainz
Stadtjugendpfarrer Matthias Braun

„Für Seelsorge gibt es keinen festen Ort oder klassische Sprechzeiten. Stattfinden kann sie bei einem Jugendgottesdienst, auf Freizeiten oder ganz verschwitzt nach einem Fußballspiel“, sagt der Mainzer Stadtjugendpfarrer Matthias Braun.

Seelsorge beschreibt Braun als „geschwisterliches Miteinander.“ „Christlich gesprochen sind wir durch die Taufe alle eine große Familie. Demnach kann jede und jeder Seelsorge leisten und für andere da sein“, sagt er.

Ein wesentlicher Aspekt sei dabei die Gemeinschaft. „Natürlich gibt es Gemeinschaft auch im Sportverein. Aber als Christen leben wir aus der Botschaft heraus, dass wir ohne unser Zutun und mit all unseren Mängeln von Gott geliebt sind. Zu sagen ‚Du bist hier angenommen so wie du bist, das ist schon Seelsorge und macht uns als Gemeinschaft aus‘.“

Stichwort: Telefonseelsorge

Unter den Telefonnummern 0800 / 111.0 111 und 0800 / 111 0 222 ist die Telefonseelsorge an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr erreichbar. Das vertrauliche und anonyme Angebot besteht auch per Mail und per Chat

Was, wenn es keine Seelsorge mehr gäbe?

„Der Mensch ist ein Beziehungswesen und damit auf andere angewiesen“, ergänzt Carmen Berger-Zell vom Zentrum Seelsorge und Beratung der EKHN. Die Pfarrerin betont, dass Seelsorge sich nicht allein auf Krisensituationen beschränkt.

Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden. 

So heißt es bei Paulus im Römerbrief. Anteil nehmen am Leben anderer, das beschreibt Berger-Zell als eine Form von Solidarität.

„Es kann sein, dass es irgendwann keine Kirche mehr als Organisationsform gibt. Speziell ausgebildete Seelsorger, etwa in Schulen, Gefängnissen oder in der Trauerarbeit, würden dann wegfallen.“

Dass es damit einhergehend überhaupt keine Seelsorge mehr geben wird, hält Berger-Zell für unwahrscheinlich. „Seelsorge wird es weiterhin geben, solange es Menschen gibt, die als Christen leben.“

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