Kirchliche Angebote

Mut zur Trauer: Trauer- und Sterbebegleitung im Ehrenamt

Mann, der einer verzweifelten Freundin in schwierigen Momenten emotionale Unterstützung gibt
gettyimages/Capuski

Menschen in ihrer letzten Lebensphase vor dem Tod begleiten: Das ist kein Ehrenamt wie jedes andere. Eine Aufgabe, die mehr gibt, als sie nimmt.

Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie es wäre, Menschen, in den letzten Monaten ihres Lebens zu begleiten? Patricia Philippi hat es getan – und sie würde es immer wieder tun. Denn als „Wegbegleiterin“ für die Malteser hat sie gelernt: Manchmal genügt es, einfach da zu sein, zuzuhören und Momente zu teilen, die im Gedächtnis bleiben. Auch ohne Worte.

Sterbeegleitung in der Praxis

Portrait von Patricia Philippi in den Räumen der Malteser.
Renate Haller
Patricia Philippi begleitet Menschen in der letzten Lebensphase.

Patricia Philippi hat in den vergangenen zwei Jahren mehrfach an fremden Türen geklingelt und dahinter viele Lebens­geschichten gehört. Geschichten von Menschen, die sie zuvor noch nie gesehen hatte. Die IT-­Spezialistin begleitet Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Einige nennen das Sterbebegleiterin, für den Malteser Hilfsdienst, für den ­Philippi ehrenamtlich unterwegs ist, ist sie eine Weg­begleiterin.

Eigentlich fühle sie sich „wie eine Gesellschafterin“, sagt Philippi. Sie besucht die ihr zugeteilten Personen einmal wöchentlich für etwa eine Stunde und schaut, was ihnen und ihren Angehörigen hilft. Auch wenn prinzipiell Kartenspiele, Ausflüge oder anderes möglich seien, waren es in ihrem Fall bisher Gespräche oder – wenn sich jemand nicht mehr artikulieren konnte – „einfach da sein“.

Kranke erzählten Episoden aus ihrem Leben oder von Dingen, die für sie ­ungeklärt geblieben sind. Angehörige freuen sich über die kurze Auszeit, die sie ihnen ermöglicht oder erzählen selber von der Situation, in der sie sich gerade ­befinden. Über den Tod, sagt die 49-Jährige, hat sie noch mit keiner der sieben Personen gesprochen, die sie bisher begleitet hat.

Warum engagieren sich Menschen in der Sterbebegleitung?

Die Unterschiede in der Begleitung seien sehr groß, sagt Christine Höllwarth, hauptamtliche Koordinatorin im ambulanten Hospizdienst der Malteser. So verschieden wie die Menschen seien auch deren letzte Lebensphasen. Es gebe Menschen, die gerade mit den Wegbegleiterin über den Tod sprechen wollen, weil sie es mit ihren Angehörigen nicht können. „Die Kinder winken oft ab und sagen, ‚Mama, wir müssen doch nicht über das Sterben sprechen‘“, erzählt Höllwarth. In den letzten Lebensstunden allerdings seien die Ehrenamtlichen selten dabei.

Einer der Wegbegleiter der Malteser sei bei einem alten Herrn gewesen, der ihm über Wochen hinweg chronologisch seine komplette ­Lebensgeschichte erzählt hat. Als er am Ende angekommen war, wollte er keine weiteren ­Besuche und sei dann auch bald gestorben.

Bevor Patricia Philippi ihre erste Begleitung übernommen hat, hat sie ­einen Kurs zur ambulanten Hospizbegleiterin ­absolviert. Diese Kurse dauern 100 Stunden. ­Neben Informationen ­darüber, was beim Sterben passiert, über ­Kommunikationstechniken und eine bestimmte Sprache von Sterbenden ­beschäftigen sich die Teilnehmenden auch mit der eigenen Endlichkeit, berichtet Höllwarth.

Trauerbegleitung lernen

Bei den Maltesern und bei der Diakonie kannst du dich zur Trauerbegleitung ausbilden lassen. Es ist besser für dich, wenn du selber frei von Trauer bist. Die Sterbebegleitung, die von der Kasse übernommen wird, bedarf einer eigenen Qualifikation.

Die Kurse seien gut besucht, 60 Ehrenamtliche seien für die Malteser aktuell in Frankfurt unterwegs und hätten im vergangenen Jahr 92 Menschen auf ihrem letzten Lebensabschnitt ­begleitet. „Die Nachfrage steigt“, hat die Koordinatorin beobachtet. Als Grund dafür vermutet sie, dass der Dienst immer bekannter wird und durch die Arbeit der ambulanten Palliativdienste inzwischen mehr Menschen zu Hause sterben könnten.

„Wir bieten Beziehungen an“, sagt Christine Höllwarth. Nicht nur die zu den begleiteten Menschen, sondern auch zwischen den Ehrenamtlichen, die sich nach der Ausbildung weiterhin regelmäßig treffen und die auch regelmäßig in festen Gruppen Supervision in Anspruch nehmen können. Dort sei in einem geschützten ­Rahmen der Raum für Austausch. In aller Regel blieben die Ehrenamtlichen lange dabei, nur sehr  wenige stellten fest, dass die Aufgabe nichts für sie sei.   

Supervision hat Patricia Philippi noch nicht in Anspruch ­genommen. „Es war nicht notwendig“, sagt sie. Allerdings schätze sie die Treffen mit den anderen Ehrenamtlichen.

Auch ohne Gespräche über den Tod habe sie festgestellt, dass sich ihr Blick auf das Leben verändert hat. Das Amt „macht mich dankbar“, sagt sie. Etwa dafür, dass sie und auch ihre Mutter gesund seien. „Ich treffe jetzt öfter eine bewusste Entscheidung, etwas jetzt zu tun, denn ich weiß nicht, was später kommt.“ Als Beispiel nennt sie eine berufliche Auszeit, von der sie nicht weiß, ob sie sich früher dazu getraut hätte.

Insgesamt  erlebe sie ihr Ehrenamt als bereichernd. Es befriedige ihr Bedürfnis zu helfen, weil sie selbst so privilegiert sei.

Ich habe das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.

Patricia Philippi

Die meisten Ehrenamtlichen sagen, „dass sie mehr mitnehmen, als sie reingeben“, berichtet auch Christine Höllwarth

Ausbildung: Der Weg zur Begleitung

Neben der Sterbebegleitung gibt es auch die Trauerbegleitung. Also, die Begleitung von Menschen, die trauern, weil sie einen Angehörigen oder einen Freund verloren haben. Die Diakonie Hessen bietet auch Kurse für Menschen an, die sich für die Trauerbegleitung qualifizieren möchten. Die Kurse sind offen für alle, oftmals haben Teilnehmende allerdings bereits Berührungen mit Trauer gehabt, entweder mit der eigenen oder der Trauer von Menschen im privaten Umfeld. „Oft kommen Menschen, die im Bereich der Sterbebegleitung schon Erfahrung haben, etwa im Hospiz. Sie merken, dass sie sich dem Thema Trauer noch mal in besonderer Weise widmen möchten“, sagt Angela Rascher, Referentin für Hospizarbeit und Sterbebegleitung der ­Diakonie Hessen.

Zum einen wollten sie mehr darüber erfahren, was die Trauer des Sterbenden angeht, weil auch er oder sie Abschied nimmt, zum anderen gehe  es darum, die Angehörigen zu begleiten, wenn jemand verstorben ist. 

Die Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen seien aber selber nicht mehr im Akutstadium der Trauer, sondern sie seien gefestigt und könnten reflektiert mit den eigenen Erfahrungen umgehen. Mitunter hätten sie auch selbst eine Trauerbegleitung erlebt und dabei gespürt, dass sie ­ihnen gutgetan hat. Oder aber sie kennen ­jemanden, der trauert und können dessen ­Verhalten ohne weiteres Wissen nicht verstehen, nennt Rascher verschiedene Gründe, warum Menschen sich für einen Kurs zur Trauerbegleitung entscheiden.

Kannst du dir dieses Ehrenamt vorstellen? Schreib uns deine Gefühle zum Thema auf Social-Media: 

Instagram

Facebook

„Trauer ist ein Bestandteil unseres Lebens, und es lohnt sich, sich mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen“, ist sich die Referentin ­sicher. Teilnehmer:innen müssten keine Sorge haben, dass es ein trauriger Kurs ist. Die Menschen dort stützten sich gegenseitig. „Wenn man sich auch mit der eigenen Endlichkeit oder den dunklen Seiten des Lebens beschäftigt, macht einen das eher froh und leichter, als dass es einen runterzieht.“