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Sterben in Corona-Zeiten

Hospizarbeit während der Pandemie

Hospizarbeit während Corona-Pandemie Hand halten
Canva pro
Im Hospiz die Hand eines Sterbenden halten - in Corona-Zeiten kaum möglich.

Omikron breitet sich auch in Deutschland aus. Doch das Sterben geht auch abseits von Corona weiter. Hospizhelfer stehen vor Herausforderungen.

Angela Schäfer-Esinger vom Hospizdienst Bergstraße Portrait-Foto
Hospiz-Verein Bergstraße e. V.
Angela Schäfer-Esinger ist Koordinatorin des Hospizdiensts Bergstraße und begleitet sterbende Menschen - auch während der Pandemie.

Ausgerechnet jetzt. In dieser Zeit. Das hat Frau S. oft gedacht, als ihr Vater im Mai 2020 gestorben ist. Nicht an Corona, sondern an einem Schlaganfall in Folge seiner Demenzerkrankung. Eigentlich hätte er am liebsten zu Hause sterben wollen, erinnert sich Frau S. aus dem Odenwald. Stattdessen musste er kurz vor seinem Tod ins Krankenhaus. Und wegen der Corona-Beschränkungen hieß das für die Angehörigen: maximal 30 Minuten am Tag an seiner Seite sein. 

Hospizdienst: Im ersten Lockdown wenig Anfragen

Die letzten Lebenswochen, Tage und Stunden in Corona-Zeiten. Das ist aus verschiedenen Gründen herausfordernd. „Wir hatten zu Hochzeiten der Pandemie mindestens um die Hälfte weniger Anfragen“, berichtet Angela Schäfer-Esinger vom Hospizverein Bergstraße.

Ihr Team und sie begleiten Menschen am Lebensende – auch während Corona, wie die Hospiz-Koordinatorin betont. Dabei gibt es gleich zwei Probleme: Zum einen möchten Schäfer-Esinger und ihre Kolleginnen und Kollegen in dieser Zeit noch mehr als sonst vermeiden, dass die Sterbenden in ein Krankenhaus müssen. Zum anderen sind viele Patienten unsicher, ob sie sich Trauerbegleiter nach Hause holen sollen. 

Mit der Impfung trauen sich Angehörige wieder mehr 

Zum Glück, so betont die Krankenschwester, habe sich die Situation zumindest im zweiten Punkt etwas entspannt. Jetzt, wo die meisten Menschen vollständig geimpft seien, würden viele Patienten und Angehörige wieder mehr Kontakte wagen. 

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Allerdings gebe es sowohl unter den Patienten als auch unter Hospizmitarbeitenden noch einige, die sich aus verschiedenen Gründen nicht impfen lassen wollen. Gerade wenn ein Patient oder eine Patientin nicht geimpft seien, würden viele Ehrenamtliche den Kontakt vermeiden, berichtet Schäfer-Esinger. Dann würde sie oder eine ihrer zwei Kolleginnen aus dem Koordinatoren-Team selbst hingehen: „Mir persönlich ist das egal. Ich will auch die Gründe gar nicht hören, warum die Patienten nicht geimpft sind.“ 

Berührungen mit Sterbenden fehlen

Was nach wie vor schmerzt, sind die fehlenden Berührungen, wie die Trauerbegleiterin erzählt. „Wobei ich das teilweise trotzdem mache“, sagt sie. „Als Krankenschwester bin ich da lockerer. Ich war schon so oft mit sämtlichen Keimen konfrontiert.“ Eine Maske trägt sie natürlich, wie sie betont. 

Wir sind weiterhin da!

Die Corona-Zeit belastet Sterbende und deren Angehörigen doppelt, wie die Koordinatorin weiter berichtet. Sämtliche Hilfe-Stellen seien häufig nur telefonisch zu erreichen, Arztpraxen überfüllt. Und auch Freunde und Familie würden sich oftmals mit Besuchen zurückhalten. Schließlich wolle man den oder die schwer Erkrankte nicht zusätzlich mit dem Risiko einer möglichen Corona-Infektion belasten.

Schäfer-Esinger appelliert an Sterbende und deren Angehörigen, das Angebot der Trauerbegleitung ohne Scheu anzunehmen. „Wir möchten ganz deutlich zeigen: Wir sind weiterhin da.“ 

Begleitung mit Maske und Mindestabstand

Auch Frau S., die selbst ehrenamtlich in der Hospizarbeit tätig ist, besucht weiter einen ihrer Patienten. Ein älterer Herr, noch verhältnismäßig fit, wie sie erzählt. Früher hätten die beiden immer zusammen eine Tasse Kaffee getrunken, viel gequatscht und gelacht.

„Im Winter 2020, als die Fallzahlen so hoch waren, haben wir auch zwei, drei Wochen mal ausgesetzt“, erzählt sie. Nun besucht sie den Mann wieder – mit Maske und auf Abstand. Was in Pandemie-Zeiten erschwerend hinzukommt: Viele der oftmals ehrenamtlichen Mitarbeitenden fallen selbst aus, weil sie selbst zur Corona-Risikogruppe gehören, wie Frau S. erzählt. 

Hospizdienst Bergstraße rund um die Uhr erreichbar

Viele Angehörige wüssten zudem nicht, dass die Hospizvereine wie gewohnt im Einsatz sind. „Allein schon das Wissen, da ist eine Nummer, da kann ich anrufen“, beruhige viele, sagt Schäfer-Esinger. Ihr Verein biete eine 24-Stunden-Rufbereitschaft an. „Ich hab das Handy immer neben mir liegen“, betont sie. 

Es wird weiter gestorben!

Während die Medien aktuell viel über schwere Corona-Verläufe und Todesfälle berichten, würden andere Krankheiten in den Hintergrund rücken, meint die Expertin und macht klar: „Es wird weiter gestorben!“

Beerdigung mit wenig Teilnehmenden

Und nach dem Tod schließt sich für Hinterbliebene schon die nächste Frage an: Wie kann eine Beerdigung während der Pandemie aussehen? Eine weitere große Belastung für Angehörige, weiß Schäfer-Esinger. Die Menschen müssten sich aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl die Frage stellen: „Wen ‚nominiere‘ ich?“ 

Auch die Beerdigung ihres Vaters sei anders gewesen, als er sich gewünscht habe, erzählt die Ehrenamtliche Frau S: „Mein Papa war sehr aktiv im Vereinsleben, bekannt wie ein bunter Hund.“ Aus einer großen Feier mit vielen Gästen wurde nichts. Maximal 14 Leute durften kommen. Abschied nehmen mussten die wenigen Gäste statt in der Trauerhalle im Freien. Immerhin: Die Beerdigung sei so sehr innig und intensiv gewesen, erinnert sich Frau S. Heute sagt sie: „Ich bin froh, dass Papa das so schnell geschafft hat.“