Kai: Mir ist bis heute nicht aufgefallen, dass die Figur traurig schaut. Die herablaufende Farbe lässt eine schnelle Assoziation zu Tränen zu. Das ist für mich durchaus nachvollziehbar. War aber nicht die Intention während des Prozesses. Drips sind viel mehr ein gestalterisches Element, welches ich bewusst und oft in meinen Arbeiten verwende.
Ich halte es mit der Gesichtsmimik in meinen figürlichen Darstellungen in der Regel neutral und stelle keine ausschweifenden Emotionen dar. Die Augen sind meist geschlossen, wie auch in der genannten Figur.
Wie sieht der Prozess bei dir aus, von der Idee bis zur Umsetzung?
Kai: Ich versuche vor Beginn der Arbeit so wenig wie möglich darüber nachzudenken, was ich tun möchte. Lediglich das Material lege ich mir dann zurecht. So arbeite ich am liebsten. Ich kann dann alles auf natürlichem Wege vor Ort, während des Prozesses, intuitiv entstehen lassen.
Was willst du mit deinen Bildern erreichen?
Kai: Wenn ich male, tue ich es in erster Linie für mich. Ich erfahre dadurch Heilung. Alles weitere, von außen Kommende ist am Ende des Tages Stress. Egal ob positiv oder negativ.
Normalerweise verbindet man große Städte wie Berlin, Hamburg oder München mit Graffitis. Wo liegt der Unterschied zum Sprayen in der Kleinstadt?
Kai: In der Kleinstadt ist nicht so viel los. Das ist der Unterschied zur Großstadt. Entweder nutzt du dass, um in Ruhe an Arbeiten zu feilen... oder du lässt eben selbst etwas passieren.
Mainstream vs. Underground: Wie siehst du den Wandel der Streetart in den vergangenen Jahren?
Kai: Graffiti ist längst nicht mehr „Untergrund“. Das wilde Arbeiten ist weiterhin stark präsent und nicht akzeptiert. Dennoch erzielen Arbeiten von Malern, die auch in den Straßen aktiv waren oder sind, auf dem Kunstmarkt Preise in Millionenhöhe. Ha!
Die Welt bleibt voller Absurditäten und voller Wunder. Graffiti ist seit der Entstehung die innovativste Kunstform mit dem breitesten Wirkungsspektrum. Da ist noch viel Potential zum Aussaugen!