Zukunft der Kirche

Kirche spart bei der Diakonie: Katastrophale Entscheidung

Nils Sandrisser
Kommentar von Nils Sandrisser

Die Diakonie soll weniger Geld von der Landeskirche bekommen. Weil alle sparen müssten, hieß es. Aber stimmt das denn?

Rund drei Millionen Euro. So viel wird die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) der Diakonie Hessen und den regionalen Diakonischen Werken kürzen. Das hat ihre Synode beschlossen. Das ist ein gewaltiges Pfund. Das sind 30 Prozent dessen, was die Kirche an die Diakonie Hessen bislang überweist, und zwölf Prozent der Zuweisungen an die regionalen Diakonien.

Dabei hat die Synode das Sparverdikt noch abgemildert. Eigentlich wollte die Kirchenleitung 20 Prozent der Zuweisungen an die regionalen Diakonien streichen.

Diakonie kann ihre Aufgaben künftig weniger gut erfüllen

Livestream aus der EKHN-Synode
EKHN/Volker Rahn

Trotzdem: Diese Entscheidung ist katastrophal. Die Diakonie kümmert sich um die Schwachen in unserer Gesellschaft:

  • Um Pflegebedürftige
  • Um Suchtkranke
  • Um Obdachlose

Das wird sie in Zukunft weniger gut können.

Das Geld sei knapp, alle müssten beim Sparen ihren Beitrag leisten, war auf der Synode ein häufig gehörter Satz. Aber mit Verlaub: Er stimmt nicht. Den Synodalen ist zwar auferlegt, 140 Millionen im EKHN-Haushalt einzusparen. Aber sie sind völlig frei zu entscheiden, wo sie sparen.

Bei der vorangegangenen Sitzung hatte die Synode beschlossen, dem Mainzer Bachchor nur noch die Hälfte an Zuschüssen zu geben. Aber warum eigentlich nur die Hälfte? Warum hat man entschieden, dem Chor überhaupt noch Geld zu geben, während gleichzeitig die Arbeit der Diakonie in Teilen infrage stand?

Synode hätte den Etat retten können, wenn sie gewollt hätte

Oder warum leistet sich die EKHN in einer solchen Situation weiter ein Bibelmuseum? Warum bezahlt sie eine Pfarrstelle, die sich nur mit Visitationen befasst, also mit Besuchen von Kirchengemeinden? Auf der Synode stand diese Stelle durchaus zur Disposition, aber mehrheitlich hielten die Synodalen an ihr fest.

Klar, beim Bibelmuseum, der Visitationspfarrstelle und dem Bachchor geht es nur um Kleckerbeträge verglichen mit den Millionensummen für die Diakonie. Aber Kleinvieh macht auch Mist. Im Etat fänden sich viele solcher Kleckse, die zusammen die Rettung für die Diakonie hätten sein können. Wenn die Synode gewollt hätte.

EKHN-Synode

Die Synode ist das entscheidende Organ in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Bei den Treffen finden Wahlen, Gesetzesgebung und finanzielle Entscheidungen statt. 

Man dürfe Menschen und ihre Bedürfnisse nicht gegeneinander ausspielen. Noch so ein Satz, der häufig auf der Synode fiel. Auch er führt in die Irre. Bedürfnisse von Menschen gegenüberzustellen und sie abwägen ist kein Gegeneinanderausspielen. Das nennt sich „Priorisierung“. Noch so ein häufig gehörtes Wort auf der Synode, aber ohne dass das jemand mit negativem Beigeschmack gemeint hätte. Dabei bedeutet beides dasselbe. Nur das Framing ist ein anderes.

Die Kirche ist beim Beschluss nur um sich selbst gekreist

Das Argument, dass kulturelle Angebote, wie zum Beispiel Konzerte des Bachchors, Teil der kirchlichen DNS sind und wichtig für die Mitgliederbindung, stimmt vollumfänglich.

Aber: Es ist ein Argument, in dem die Kirche um sich selbst kreist. Bei ihren Sparentscheidungen war die Kirche nicht nah bei den Schwachen, so wie das ihr Anspruch an sich selbst ist - und das haben einige Synodale auch genau so gesagt. Sie war nah bei sich selbst.

Welche Vision haben die Delegierten für ihre Kirche?
EKHN/Volker Rahn
Auf der Suche nach einer Vision für die Kirche der Zukunft: Kirchenbilder in der EKHN

Natürlich, der Mainzer Bachchor ist ein wirklich herausragendes Ensemble. Und das Frankfurter Bibelmuseum macht tolle Bildungsarbeit. Alles unbestritten. Aber nochmal ganz klar: Es ging um die Frage, wem man Geld wegnimmt. Jenen Leuten, die schön singen können? Oder jenen, die auf der Straße stehen?

Es ist auch eine Konkurrenz zwischen Bevölkerungsschichten um knapper werdende Ressourcen. Wenn der Bachchor zum Oratorium anhebt, sitzen überwiegend andere Leute im Publikum als jene, die in den Schlangen vor den Tafeln stehen. Der Bachchor hat sich mit lauter Stimme – auch in den Medien – gegen die Kürzung gewehrt. Was natürlich sein gutes Recht ist.

Obdachlose können sich nicht so laut wehren. Sie wären darauf angewiesen gewesen, dass die Synode ihnen ihre Stimme leiht. Erst recht in unserer Zeit zunehmender sozialer Kälte. Wer sich in dieser Konkurrenz nicht eindeutig positioniert, entscheidet sich gegen die Konkurrenzschwachen.

Ein bisschen Größe und Souveränität hätten auch nicht geschadet

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Wehren wollten sich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Diakonie. Sie hatten vor der Abstimmung auf der Empore über den Synodalen Kerzen angezündet und Schilder aufgestellt. Auf einem stand „Pfui Deibel“. Was einen Synodalen dazu bewog, das dem Präsidium zu petzen, weil das sei doch „keine angemessene Gesprächskultur“ sei. Schilder und Kerzen mussten daraufhin weg.

Dass das hohe Gremium nicht mal die Größe und Souveränität hatte, die Wut derer auszuhalten, deren Jobs durch ihre Entscheidung infrage stehen, das war – zusätzlich zur katastrophalen Entscheidung - echt zum Fremdschämen.