Bestattung

Beerdigung zwischen Weinreben: Friedweinberge

Weinstock mit den Kreuz. Ein Mann kniet davor
epd-bild/Daniel Staffen-Quandt
In Nordheim am Main ist Platz für rund rund 1.500 Urnen im Friedweinberg. Kleine Metallkreuze auf den Pfählen der Rebstöcke zeigen an, wo Gräber sind. Das Holzkreuz von einer aktuellen Beerdigung wird später wieder entfernt.

Nach dem Tod noch im Weinberg liegen? Das kannst du in manchen traditionellen Weinbauregionen. Und die Nachfrage ist hoch.

von Karsten Packeiser

Noch sind es ganz zarte Reben, die auf einer Anhöhe hoch über der Winzergemeinde Nackenheim in die Höhe sprießen. Bis zur barocken katholischen Pfarrkirche und dem städtischen Friedhof sind es nur wenige Schritte. Die Weinstöcke zwischen zwei wellenförmig angelegten Wegen gehören zum neuen „Friedwingert“ der 5.000-Einwohner-Gemeinde südlich von Mainz. Die Idee, Urnen in einem eigens angelegten Weinberg zu bestatten, wird in den deutschen Weinbauregionen immer populärer - vor allem in Rheinland-Pfalz.

Neue Beerdigungsformen: Im Weinberg bestatten lassen

Rene Adler sitzt vor dem Friedwingert in Nackenheim auf einer Bank
epd-bild/Andrea Enderlein
Rene Adler vor dem Friedwingert in Nackenheim

Der Nackenheimer Ortsbürgermeister René Adler (Freie Wähler) hat die Idee erstmals bei einer kommunalpolitischen Fortbildung zum Friedhofswesen von einem begeisterten Amtskollegen aufgeschnappt: „Da habe ich gleich gesagt: Das ist etwas für Nackenheim.“ Noch immer prägt der Weinbau maßgeblich die Region.

Wie überall in Deutschland machen sich auch hier die Änderungen in der Bestattungskultur bemerkbar: Die Nachfrage nach Urnengräbern steigt, während auf dem historischen Friedhof nicht mehr alle Grabstellen für traditionelle Erdbestattungen belegt werden können.

Friedweinberge in Deutschland

Erste Initiativen für Friedweinberge waren etwa 2013 fast zeitgleich in mehreren Weinbauregionen der Republik entstanden. Das bundesweit erste derartige Urnenfeld wurde in Bad Neuenahr-Ahrweiler eröffnet. Es blieb von der Flutkatastrophe von 2021 verschont.

Es gibt außerdem auch Friedweinberge in Unterfranken, Rheinhessen, der Pfalz und in Nordbaden. Sogar in Dortmund gibt es mittlerweile Urnengräber unter Weinreben.

Auch bei den Nackenheimern gab es sofort die ersten Voranmeldungen, nachdem René Adler das Vorhaben auf einer Bürgerversammlung vorgestellt hatte. Die Umgestaltung einer Wiese zum Friedweinberg mit angeschlossenem - allerdings nur aus einer Handvoll Bäumen bestehenden - Friedwald, hat sich die Gemeinde Einiges kosten lassen: 158.000 Euro fielen für das Anlegen der Wege und die Gestaltung der Plaketten an. Diese werden an Steinstelen angebracht und die Namen der Verstorbenen dort vermerkt. Möglich war die Finanzierung nur mit Zuschüssen aus einem Investitionsprogramm des Landes. Zuletzt schaffte die Gemeinde noch einen neuen Rasentraktor an, der auch die recht steile Böschung bewältigen kann.

Rose liegt im neu angelegten Friedwingert Nackenheim auf dem Boden
epd-bild/Andrea Enderlein
Immer mehr Kommunen in den traditionellen deutschen Weinbauregionen legen Friedwingerte an, in denen die Urnen mit der Asche Verstorbener bestattet werden können.

Im Ergebnis entstanden 215 Urnengräber, in denen jeweils maximal vier Urnen Platz finden können - eine beachtliche Anzahl, angesichts des Umstandes, dass es in Nackenheim insgesamt nur 50 bis 60 Todesfälle pro Jahr gibt. Die Kosten für eine Grabstätte im Weinberg liegen wegen des erhöhten Pflegeaufwands etwas über denen für ein gewöhnliches Urnengrab.

Kein Wein vom Friedweinberg

Im Januar 2023 segnete die Ortsgemeinde ihren Friedweinberg im Beisein des katholischen Pfarrers und dessen evangelischer Amtskollegin ein, und der Bürgermeister erinnerte in einer Ansprache an seinen Kommunionsspruch aus dem Johannesevangelium:

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.

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Reife Trauben sollen an den Weinstöcken allerdings nicht hängen - und erst recht wird es keinen „Friedwein“ geben. Darin sind sich die Verantwortlichen aller neu entstandenen Friedweinberge einig.

Friedhofsgärtner:innen sollen mit einem rechtzeitigen Pflegeschnitt dafür sorgen. „Das wäre für viele wohl doch ein Pietätsproblem“, glaubt Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative Bestattungskultur „Aeternitas“. Selbst hätte er keine grundsätzlichen Bedenken dagegen: „Es ja nicht so, dass in den Trauben etwas von den Verstorbenen drin wäre.“ In jedem Fall seien die Friedweinberge ein „schönes Angebot“, das man nur begrüßen könne.