Gesellschaft

Jugendliche nach Corona: warum sie heute noch einsam sind

Ein Kind mit Fahrrad und Maske ist alleine auf einem Spielplatz. Die Spielgeräte sind abgesperrt
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Ein Symbol der Corona-Pandemie: gesperrte Spielplätze und einsame Kinder

Schulschließungen und Kontaktverbote in der Pandemie haben bei jungen Menschen teils heftige Spuren hinterlassen.

Freitag der 13. im März 2020: Kinder und Jugendliche in Deutschland gehen in die Schule oder in die Kita. Zum vorerst letzten Mal, denn drei Tage später, am Montag darauf, ist alles dicht.

Die Corona-Pandemie brachte das öffentliche Leben im Frühjahr zum Erliegen. „Social Distancing“ war die Devise, Abstand halten, Kontakte runterschrauben und so die Ansteckungsgefahr mit dem gefährlichen Coronavirus zu verringern – „Flatten the Curve“: die Infektionszahlen soweit wie möglich nach unten drücken.

Abgesperrte Spielplätze und zugekippte Skateboardplätze

Ein leerer Spielplatz, abgesperrt mit weiß-rotem Flatterband. Vorne ein Schild, dass auf den Corona-Virus aufmerksam macht
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Auf der ganzen Welt waren viele Spielplätze menschenleer

Vielleicht erinnerst du dich auch noch an die Bilder von Absperrbändern auf Spielplätzen oder von mit Bauschutt zugekippten Skateboardplätzen. Auch Burkhard Rodeck hat das noch gut vor Augen. Der Kinderarzt ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin in Berlin. Deswegen kennt er die damit verbundenen psychische Folgen. Die Maßnahmen haben vor allem „sehr konsequent die Kontakte in dieser jungen Generation verhindert“.

Einsam, enttäuscht, depressiv und dick

Eine Jugendliche sitzt am Fenster und schaut traurig hinaus
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Viele Jugendliche fühlen sich durch Corona noch immer einsam. Die Folge: Angst und Depressionen
  • Ängste
  • Depressionen
  • kein Sport

Der Fachmann ergänzt: besonders junge Menschen hatten einen „deutlichen Rückgang der körperlichen Aktivität“. Das Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung hat 2024 das in einer Studie belegt. „Erholung bislang nur teilweise“ heißt es weiter.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Jakob Maske, Kinderarzt in Berlin. „Weil Kinder gerade aus ärmeren Familien eben auch das Schulessen nicht mehr hatten und sich dadurch ungesund ernährten." Das Ergebnis: einige Kinder und Jugendliche nahmen zu – bis hin zur krankhaften Fettleibigkeit. Ein Problem, das so schnell nicht mehr weg geht.

Nur einzelne Politiker räumen Fehler ein

Wo bleibt die „Wiedergutmachung“ durch die Politik, fragt sich der Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Wo seien Kinderrechte im Grundgesetz? Wo eine Kinder- und Jugend-Beauftragte nach dem Beispiel der Wehrbeauftragten? „Gibt es auch nicht“, zeigt er sich desillusioniert. Immerhin: Einzelne Politiker hätten Fehler eingeräumt.

Wo bleibt die Wiedergutmachung?

Jakob Maske, Kinderarzt

„Nummer gegen Kummer“ und Aufholprogramme

Sabine Andresen ist Wissenschaftlerin an der Goethe Universität in Frankfurt am Main. Sie trägt einen schwarzen Blazer. Sie trägt eine
epd-Bild/Barbara Dietl
Sabine Andresen sieht fünf Jahre nach dem ersten Lockdown weiterhin Auswirkungen der damaligen Schulschließungen auf Minderjährige.

Positive Entwicklungen gab es aber auch. Sabine Andresen ist Jugendforscherin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Präsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes. Laut ihr wurden schon 2020 „die Anrufzeiten der 'Nummer gegen Kummer' für Eltern, Kinder und Jugendliche erhöht“.

☎️Nummer gegen Kummer - Kinder- und Jugentelefon 116 111

☎️Nummer gegen Kummer - Elterntelefon 0800 111 0550

☎️Telefonseelsorge 0800 1110111 oder 0800 1110222

Und auch verschiedene politische Familienprogramme haben im Nachhinein mehr Geld bekommen, zum Beispiel das Aktionsprogramm "Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche. Erstmal ein „wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, so die Wissenschaftlerin.

Andresen hat an Studien zur Corona-Pandemie mitgearbeitet die zeigten, Jugendliche fühlten sich nicht gesehen und nicht gehört. Fast 20.000 junge Menschen nahmen den sogenannten KiCo- und JuCo-Studien teil, ein zentrales Ergebnis: Das Gefühl von Einsamkeit und Ohnmacht.

Auf der einen Seite gab es großes Verständnis unter den Jugendlichen. Die jungen Menschen wollten ihre Großeltern und andere schützen und waren bereit Opfer zu bringen, auch das zeigen die Studien. Aber mit den Belastungen, die das mit sich brachte, fühlten sie sich alleine gelassen.

Das Vertrauen ist dahin

Fünf Jahre nach dem ersten Lockdown: Woran erinnerst du dich heute noch deutlich? Schreib uns deine Erfahrungen gerne als Mail in die Redaktion oder via Social-Media: 

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Bei Jugendlichen ist deswegen das „Vertrauen dahin, dass ihre Interessen, ihre Rechte, auch ihre Gesundheit, ihre mentale Gesundheit tatsächlich von den politisch Verantwortlichen genügend gesehen werden“, so Andresen.

Was es jetzt braucht, ist deswegen ein ausreichendes Angebot von Psychotherapie und psychologische Hilfe für die Kinder und Jugendlichen. Darin sind sich die Wissenschaftlerin und beide Kinderärzte einig. Doch Therapieplätze seien Mangelware, kritisieren die Fachleute.