Gesellschaft

Generation Lockdown: Die Jugend 5 Jahre nach Corona

indeon-Reporter Max Löser steht mit FFP2-Maske in Wiesbadener Innenstadt. Darüber der Text: "5 Jahre Corona: Junge Menschen schauen zurück."
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Keine Partys, Abschlussfahrten, neue Menschen: Corona hat der Jugend wichtige Erlebnisse geraubt. Hier liest du ihre Erfahrungen.

Corona-Lockdown. Ein Wort, mit dem besonders junge Menschen nicht viel Gutes verbinden: geschlossene Schulen und Social Distancing. Am 16. März 2020 beginnt die Zeit der coronabedingten Schulschließungen. 

Damals waren Nils 15 Jahre, Noémie 17 Jahre und Nico 23 Jahre alt. Fünf Jahre später blicken sie auf ihre „Jugend im Lockdown” zurück. Wie war ihr Alltag? Mit welchen Problemen hatten sie es zu tun? Wie hat sich ihr Leben danach verändert? Die folgenden Protokolle geben Antworten. 

Corona, Isolation und ein Discord-Server - soziale Bindungen verloren

Nils auf Bühne bei einer Poetry-Slam-Veranstaltung
privat
Heute macht Nils Poetry-Slam: Während und nach Corona hatte er Angst vor Interaktion.

Nils, 20 Jahre, aus Darmstadt: Im Laufe der Corona-Zeit hat Nils soziale Kontakte verloren. Besonders nach dem Ende der Maßnahmen ist es ihm schwergefallen, in den Alltag zurückzukehren.

„Dadurch, dass ich mich über die Tage hinweg gar nicht bewegt habe, habe ich irgendwann einen Kreislaufzusammenbruch gehabt und wurde kurz ohnmächtig. Dieser Weckruf hat mich dazu motiviert, Sport zu treiben und ich habe immer um 18 Uhr ein kleines Homeworkout gemacht. Das konnte ich auch für ca. einen Monat halten.      

Vor Corona hatte ich meine sozialen Kontakte über die Schule und Freunde im Sportverein. Während Corona sind die Kontakte des Vereins komplett weggefallen und bei der Schule nahezu. Ich habe dann einen Discord- Server aufgesetzt, der „Freitag“ hieß.

Corona und der Kampf mit der Einsamkeit

Jeden Freitag haben wir uns da dann getroffen und Games gespielt. Aber das ging irgendwann auch zu Ende. Wir hatten uns nichts mehr zu erzählen und die Spiele wurden langweilig. Mit der Zeit wurde dieser Server immer leerer und leerer. Als die Regeln gelockert wurden, bin ich nicht rausgegangen.  

Ich habe diesen wichtigen Moment verpasst.

Das war einer der Gründe, warum ich immer öfter allein auf dem „Freitag“-Server war.

Dein Corona-Lockdown

5 Jahre nach dem ersten Lockdown: Wie schaust du auf die Zeit zurück? Inwiefern hat die Pandemie deine Jugend geprägt? Schreib uns via

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Ich glaube, für viele meiner Schulkameraden war das Nicht-Rausgehen-Dürfen viel schlimmer, als für mich. Ich kam auf jeden Fall erst raus, als Treffen schon lange wieder erlaubt waren. Doch da hatten sich schon neue Gruppen gebildet und ich habe mich später in der Schule längere Zeit alleine gefühlt. Ich habe das Gefühl, dass ich während Corona und eine lange Weile danach Angst vor Interaktionen hatte.  

Rückkehr nach Corona: Angst etwas falsch zu machen

Das war ein komisches Gefühl. Es war regelrecht anstrengend, zur Schule zu gehen. Ich hatte Angst etwas Falsches vor Menschen zu machen und habe dann lieber gar nichts gemacht. Also weder gegrüßt noch laut mit ihnen geredet. Das Eis zwischen Menschen ist nach Corona viel dicker geworden. 

Erst jetzt: Fünf Jahre später habe ich so langsam das Gefühl Corona überstanden zu haben und bin selbstbewusster geworden. Ein zweites Mal will ich das dennoch nicht erleben.”

Einsamkeit im Dorf: Wie Corona das Leben veränderte

Noémie Bill vor einer grauen Wand
privat
Für Noémie war Corona ein surrealer Traum.

Noémie, 21, aus Mainz: Während der Corona-Zeit hat Noémie in einem kleinen Dorf im Taunus gelebt. Sie hat sich darauf gefreut, nach der Mittelstufe mit ihren Freund*innen in eine größere Stadt zu wechseln, doch daraus wurde erstmal nichts.

„Rückblickend fühlt sich die Corona-Zeit wie ein surrealer Traum an – so weit weg und doch so prägend. Mit 17 hatte ich das Gefühl, bereits erwachsen zu sein, mit einem festen Freundeskreis und klaren Zukunftsplänen fürs Abitur. Doch plötzlich stand alles still und ich hatte auf einmal nur noch mich selbst und meine Familie.

Vor Corona schienen meine Freundschaften sicher, doch als wir uns monatelang nicht mehr sehen konnten, wurde klar, mit wem die Verbindung wirklich stark war.  

Viele Freundschaften verliefen im Sande.

Besonders erinnere ich mich an die stillen Momente, in denen mir echte Begegnungen gefehlt haben.

Erwachsen werden trotz Isolation

Aber ich habe auch absurde Situationen erlebt. Etwa, als wir „Partys“ über FaceTime gefeiert haben und mit einem Glas Sekt allein auf dem Bett saßen. Oder als wir uns heimlich getroffen haben, ein Auto gehört haben und panisch in verschiedene Richtungen gerannt sind. Aus Angst, erwischt zu werden. 

Auch in der Familie haben sich neue Rituale entwickelt. Wir haben gemeinsam Homeworkouts gemacht, und mein Vater hat plötzlich Reality-Shows wie „Keeping Up with the Kardashians” mit mir geschaut - etwas, das ich mir vorher nie hätte vorstellen können. 

Zweifelsohne war die Corona-Zeit ein tiefer Einschnitt in mein Leben und sie hat mich geprägt. Ohne sie wäre ich heute vielleicht ein ganz anderer Mensch.” 

Zwischen Uni und Pflege: Corona als doppelte Herausforderung

Nico Karg vor einer schwarzen Wand
privat
Nico hat während der Pandemie seine Oma gepflegt.

Nico, 28, aus Dieburg: Für Nico war die Pandemie in zweifacher Hinsicht herausfordernd. Nicht nur, weil er als Student fast seine gesamte Uni-Zeit Zuhause verbringen musste. Nebenbei musste er auch noch seine Oma pflegen. Sie ist an Parkinson erkrankt. Das war besonders emotional für ihn. 

„Ich hätte mir eine politische Strategie gewünscht, die die besonderen Bedürfnisse von Familien in häuslicher Pflege ernst nimmt. Denn ältere Menschen sind in vielen Fällen auf die Unterstützung ihrer Angehörigen angewiesen. Diese Aufgabe war während der Pandemie zumindest für meine Familie eine große Herausforderung. Meine Oma war zu dieser Zeit auf unsere Pflege angewiesen.  

Sie hat nicht nur allein in ihrem Haus, sondern auch in einer anderen Stadt gelebt. Das hat die Situation zusätzlich erschwert. Neben den alltäglichen Aufgaben der Lebensmittelversorgung, habe ich besonders die Sorgen und Ängste meiner Oma gespürt.

Abstand halten, Maske tragen, Kontakt meiden – all das war notwendig.

Weil ihre Bewegungsfreiheit durch Parkinson ohnehin eingeschränkt war, hat sie durch Corona ein noch stärkeres Gefühl der Einsamkeit empfunden. Die anfänglichen Ängste meinerseits, ich/ wir könnten zu einer Ansteckung beitragen, sind glücklicherweise ausgeblieben. Paradoxerweise bin ich im Zuge der Pandemie meiner Oma sogar emotional näher gerückt. 

Auch nach dem „offiziellen“ Ende der Corona-Maßnahmen habe ich mich gerne weiterhin um sie gekümmert. Dementsprechend brachte diese Zeit nicht nur negative Folgen mit sich: Ich bin dankbar, dass ich somit ein verstärktes Bewusstsein für den Wert der eigenen Familie entwickeln konnte. Hoffentlich bleiben uns zukünftige Pandemien dennoch fern!”