Ghosting unter Freunden: Erfahrungsberichte

„Hey, alles okay?“ – keine Antwort. „Wollen wir reden?“ – wieder nichts. Kein Treffen mehr, kein Abschied, einfach Stille. Ghosting gibt es nicht nur in Dating-Apps – auch Freundschaften enden oft wortlos.

Wenn du denkst, dass ist nur dir passiert – nein! Viele Menschen sind schon einmal geghostet worden. Darüber haben wir auf indeon schon mehrfach berichtet. 

Der plötzliche Kontaktabbruch hinterlässt oft ein Gefühlschaos: Wut, Traurigkeit, Selbstzweifel. Habe ich etwas falsch gemacht? Oder liegt es an der anderen Person? Viele Betroffene suchen verzweifelt nach Antworten, die sie oft nie bekommen.

Kontaktabbruch: Wenn Freundschaften im Nichts verschwinden

Ein plötzlicher Kontaktabbruch kann auch noch nach Jahrzehnten schmerzen. Sandra* hat ihre frühere beste Freundin in der Grundschule kennengelernt. Über 35 Jahre lang hält die Freundschaft: Schulzeit, Ausbildung, Schwangerschaften und viele schwierige Zeiten. „Wir haben alle Höhen und Tiefen des Lebens mit der anderen geteilt.“

Während des frühen Verlusts der Eltern und eines Kindes sind die beiden füreinander da. Aus heiterem Himmel kommt der Bruch: Sandras Freundin erscheint nicht zu einer Verabredung. Erst zwei Tage später sprechen sie noch einmal miteinander: „Sie erzählte von einem Vorfall mit ihrer Tochter und dass sie sich jetzt um wichtigere Sachen kümmern müsste.“

Danach bricht der Kontakt völlig ab. Sandra erreicht ihre Freundin nicht mehr telefonisch: „Kein Anschluss unter dieser Nummer“. Sie will ihrer Freundin Raum lassen. Eines Tages fährt sie noch mal zu ihrer Adresse. Der Schock: Sandras Freundin wohnt nicht mehr dort.

Keiner wollte oder sollte mir sagen, wo sie war. Ich weiß bis heute nicht warum.

Sandra sucht die Schuld bei sich selbst. Sie kann kaum darüber sprechen. Jahrelang begleitet sie das plötzliche Ende. Damals gab es den Begriff „Ghosting“ noch nicht: „Ich war also total alleine mit meinen Gefühlen.“

Heute bedauert Sandra den Bruch immer noch, aber sie fragt sich nicht mehr, warum. Sie vermisst ihre beste Freundin und das gemeinsame Erinnern. Eine Freundin, die zu ihr sagt „weißt du noch…?“

Hannah* hat ihre beste Freundin erst vor ein paar Monaten verloren. Sie war aber diejenige, die einen Schlussstrich ziehen musste. Und das nach 20 Jahren Freundschaft. 

Der Bruch kam dadurch, dass ihre Freundin wieder mit ihrem Ex-Partner zusammenkam. Die Freundinnen hatten eine gemeinsame Vergangenheit mit dem Partner. Durch die Beziehung zu ihm veränderte sich die Freundschaft. Damals will Hannah nicht lockerlassen: Sie kämpfte um die Freundschaft. Als ihre Freundin den Mann verlassen hat, „war alles wieder gut.“

Sie wurde kalt.

Jetzt, zehn Jahre später, ist Hannahs Freundin wieder mit dem Mann zusammen und alles hat von vorne angefangen. Deswegen spricht Hannah sich gegen die Beziehung aus: „Weil sie die Freundschaft fast zerstört hat.“

Aber ihre Meinung zählt nicht. Hannahs Freundin verändert sich wieder und dieses Mal will Hannah nicht mehr kämpfen. „Es tut einfach sehr weh.“ Hannah beendet die Freundschaft, obwohl es schmerzt. Für sie ist es sehr traurig, „aber Hauptsache sie ist glücklich. Alles andere ist egal.“

Warum hat mein Gegenüber den Kontakt abgebrochen? Habe ich etwas falsch gemacht? Bedeutet unsere gemeinsame Zeit denn gar nichts? Viele Betroffene suchen verzweifelt nach Antworten, die sie oft nie bekommen.

Auch Julia* stellt sich noch immer diese Fragen. Sie hat uns von ihrer besten Freundin erzählt. „DIE Freundin, mit der man alles teilt.“ 30 Jahre lang haben sie einander begleitet, sogar mehrfach zusammengewohnt. „Unsere Familien und Kinder waren befreundet. Sogar unsere Mütter.“

Vor eineinhalb Jahren bekommt Julia eine WhatsApp. Ihre Freundin verkündet, dass sie Julia ab sofort blockiert und die Freundschaft beendet.

Ich dachte erst an einen Scherz.

Aber es ist bitterer Ernst. Ihre Freundin sperrt Julia auf allen Nummern. Sie versucht noch eine Aussprache zu bekommen, wendet sich an die Familie, alles vergebens. „Keine Chance.“ Auch jetzt, Monate später, fällt es Julia immer noch schwer. „Man stellt sich immer dieselben Fragen.“

Auch in Familien erleben Menschen Ghosting. So eine Geschichte hat uns Elli* erzählt. Sie hat sich dazu entschieden, den Kontakt zu ihrem Sohn abzubrechen.

Es fing damit an, dass Elli ernsthaft krank wurde. Sieben Monate lag sie in einer Klinik, „davon drei im Koma“. Sie ist entsetzt, als sie erfährt, dass ihr Sohn, „kein Bedürfnis hatte, sich nach mir zu erkundigen“.

Der Grund war ihr schleierhaft. Heute vermutet sie, „er hatte keinen Nutzen durch mich“. Erst als Elli wieder zu Hause ist, meldet er sich bei ihr. Aber sein Verhalten verletzt Elli weiter. „Nachdem er mir einige Male blöd gekommen ist, habe ich mich dazu entschieden, mich umzudrehen und zu gehen.“

Emotional erpressen wollte er mich.

Elli sieht nur einen Ausweg: den kompletten Abbruch des Kontakts. Sie vermisst eine Entschuldigung für das Verhalten ihres Sohnes, aber die blieb aus.

Ob Freundschaften, Familienbande oder Beziehungen: wenn sie zerbrechen, tut es weh. Das haben alle Geschichten gemeinsam, die uns erreicht haben. Doch sie zeigen, niemand ist mit dem Erlebten allein. 

Danke an die indeon-Community, dass ihr eure Erfahrungen geteilt habt. Es zeigt, dass niemand mit diesem Schmerz allein ist. Vielleicht bekommst du nie eine Erklärung, aber du kannst selbst entscheiden, wie viel Raum du dieser Erfahrung gibst. Bleib offen für neue Menschen, die dich nicht einfach aus ihrem Leben streichen. Und auch wenn es sich jetzt vielleicht nicht so anfühlt: Du wirst wieder Menschen finden, die dich wertschätzen und bleiben.