Anzeige
Anzeige
Protokolle

Erfahrungen: Ghosting in der Freundschaft

Portraits von Stefanie, Max und Annabelle
privat
Stefanie, Max und Annabelle berichten von ihren Ghosting-Erfahrungen

Große Freundschaft und plötzlich nur noch Luft füreinander? Ghosting gibt es nicht nur in der Liebe. Hier sind unsere Erfahrungsberichte

In einer digitalen Welt, wo Nachrichten und Anrufe in Sekundenschnelle ausgetauscht werden, scheint es paradox, dass Freundschaften einfach so auslaufen. Ghosting, das Verschwinden aus dem Leben eines anderen Menschen, ohne Erklärung.

Egal um welche Beziehung es geht, Ghosting lässt niemanden kalt. In diesen Protokollen erfährst du, wieso wir manchmal ghosten oder wie es sich anfühlt, gegostet zu werden

Wie es sich anfühlt, geghostet zu werden

Stefanie berichtet über das Ende einer Freundschaft.
privat

von Stefanie Bock

Wie kann ich über was schreiben, was ich nicht verstehe? Ich versuche es. Meine Freundin, nennen wir sie Susi, und ich sind keine Freundinnen mehr. Nein, das trifft es nicht, ich existiere für Susi nicht mehr. Warum, ich weiß es nicht.

Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht, ich bin bestimmt kein Engel oder ein stilles Mäuschen. Nicht alles, was ich getan habe in meinem Leben, würde ich wieder tun und manches rutscht mir im Überschwang über die Lippen. Doch was den Bruch zwischen Susi und mir verursacht hat, ich weiß es nicht.

Was zum Bruch führte, weiß ich nicht.

Nicht zu wissen, was unsere Freundschaft, unsere enge Freundschaft, zerstört hat, hat mich lange beschäftigt. Ich habe viel gegrübelt und überlegt, wie ich es herausfinden kann. Noch heute träume ich von einem vermeintlichen klärenden Gespräch. Denn geredet haben wir über das Ende unserer Freundschaft nie.

Kein klärendes Gespräch für das Ende

Bis vor einem Jahr haben wir unser Leben geteilt. Gequatscht, gefeiert, sind in den Urlaub gefahren, haben uns in Krisen ohne große Worte unterstützt, sämtliche Lockdowns gemeinsam durchlebt.

Irgendwann bemerkte ich, dass unser Austausch knapper, unpersönlicher wurde. Irgendwas war anders. Wir sahen uns seltener, wir tauschten uns weniger aus, wir schwiegen uns an, wo wir doch bislang quasi eine Standleitung zueinander hatten. Tatsächlich nahm ich die Veränderung war, doch der Alltagsstress hielt mich davon ab, nachzufragen. Oder die Bequemlichkeit. Vielleicht war es auch die Angst vor der Antwort. Unser letzter Austausch fand über WhatsApp statt.

 Als ich dann doch fragte, ob alles okay sei, erhielt ich ein „nein“. Was konkret passiert ist, habe ich nicht erfahren. Nur den Hinweis, jemand habe berichtet, ich hätte schlecht über Susi gesprochen. Wer dies Susi mitgeteilt hat oder was ich gesagt haben soll, wollte mir Susi nicht sagen. Sie wolle nicht darüber sprechen. Das müsse ich akzeptieren, aber wir könnten ja weiter in Kontakt bleiben. Mit etwas Unbekanntem zwischen uns? Da konnte ich nicht.

Seit einem Jahr Luft füreinander

Ein Jahr ist es nun so, dass ich Luft für Susi bin. Sie geht an mir vorüber, als wäre ich nicht da. Wir stehen dicht an dicht und es wirkt als wäre nur eine von uns anwesend. Lässt es sich vermeiden, taucht Susi nicht dort auf wo ich bin. Wir haben uns nicht angeschrien, nicht zusammen geweint, nicht gekämpft.

Es ist so als hätte Susi einen großen Radierer genommen und damit mich und meinen Spuren wegradiert. Alles was war hat sich aufgelöst.

Geghostet werden, ist schwer zu ertragen

Anfangs hat es mich echt fertig gemacht, ich wollte unbedingt wissen, was vorgefallen ist, ich fand das Ghosting schwer zu ertragen. Mittlerweile ist es mir egal, was der Auslöser war. Vielleicht habe ich etwas Falsches gesagt, vielleicht stehe ich aber auch heute noch zu dem, was Susi verletzt hat, vielleicht hat eine Dritte was weitergeben, was ich nie so gesagt habe.

Wie absurd, wenn alles nur ein Mißverständis gewesen sein soll.

Dass wir als Freundinnen das nicht ausgehalten haben, erstaunt mich aber noch immer.

Mit den Apps Kontakte abbrechen

Portrait von Moritz
privat

von Moritz Pähler

Von der Schule nach Hause kommen, Rucksack abstellen und beim Essen schon das erste YouTube-Video schauen. Danach durch Instagram scrollen und über Snapchat mit komischen Filtern Fotos verschicken.

Zum Einschlafen ein Video laufen lassen und morgens mit einem ganz anderen aufwachen, weil das Handy nicht ausgegangen ist. So ging es mir vor zwei Jahren.

Ich habe nicht kommuniziert, dass ich die Apps lösche.

Dann habe ich erkannt, dass mir der hohe Medienkonsum schadet und ihn drastisch zurückgefahren, Apps gelöscht und das Handy nur noch eine Stunde am Tag benutzt.

Und mir ging es sofort viel besser. Aber dadurch sind auch auf einen Schlag alle Kontakte weggefallen, die ich über soziale Netze hatte.

Ausstieg aus sozialen Medien führt zu Kontaktabbruch

Und weil ich den Leuten nicht erzählt habe, dass ich die Apps lösche, habe ich für meine Gesundheit eine Handvoll Menschen geghosted.

Denn, kaum habe ich keine Nachrichten mehr geschrieben, haben diese Leute auch im realen Leben kaum noch mit mir gesprochen. Ich bereue die Entscheidung aber keinesfalls, denn wären mir die Leute so wichtig gewesen, hätten wir auch ohne Bildschirm zwischen uns weiter kommuniziert.

Ghosting-Fail: Hätte ich mich doch einfach melden sollen?

Annabelle
Jörn von Lutzau

von Annabell Marker

Wartet sie noch auf meine Antwort? Oder ist sie vielleicht sogar froh, dass ich die Konversation habe verstummen lassen? Die Suche nach einem passenden Termin für ein Treffen im Sande verlaufen lassen habe.

Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, wenn ich an einen ganz bestimmten WhatsApp-Chat denke. Das Ziel: Ein Termin, um uns mal wieder zu treffen. Die letzte Nachricht: Eine Sprachnachricht, in der sie ihre Pläne für die kommenden Wochen erzählt und mir ihre freien Zeitslots nennt.

Ob es vielleicht dann oder auch dann passen würde, fragt sie in ihrer letzten Nachricht an mich. Diese bleibt aber unbeantwortet.

Vergessen habe ich den Chat jedoch nicht.

Nein, ich habe bewusst nicht mehr geantwortet.

Sie - das ist eine Freundin aus Köln. Dort habe ich sie im Rahmen eines WG-Castings kennengelernt. Mitbewohnerinnen wurden wir nicht, dennoch haben wir uns gut verstanden, waren auf derselben Wellenlänge. Eine Art Freundschaft also, bei der man ein, zwei Mal etwas gemeinsam unternahm.

Ist die Freundschaft an mangelnder Tiefe gescheitert?

Nun ist ihre Nachricht seit etwas mehr als zwei Monaten von mir unbeantwortet. Seitdem bin ich für mehrere Monate weg aus Köln, um Praktika in anderen Städten zu absolvieren. Ein Treffen wäre aktuell also nicht umsetzbar.

Von meinem Praktikum und meinem vorrübergehenden Umzug hatte ich ihr bereits erzählt. Ich hätte also auch einfach antworten können, dass wir uns in ein paar Monaten treffen und ich mich nach meiner Rückkehr bei ihr melden werde.

Das tat ich aber nicht. Habe ich sie also geghostet? Wahrscheinlich schon.

Kennst du auch solche Geschichten? Wie ist es dir ergangen? Erzähl uns deine Geschichte. Gerne per Mail in die Redaktion oder via Social-Media: 

Instagram

Facebook

So eine bin ich also -  jemandem nicht mehr antworten, sich selbst zum „Geist“ machen. Einfach so. Dabei hätten wir uns ja nicht treffen müssen, sondern hätten auch einfach telefonieren können – sogar per FaceTime. Schließlich geht das im digitalen Zeitalter ja nun wirklich von überall.

Verpasste Chancen und digitale Distanz

Aber auch darauf hatte ich ehrlich gesagt keine Lust. Um ein wirklich bereicherndes Telefonat zu führen, das tiefer geht als übliche Alltagsgespräche, ist unsere Freundschaft (oder unsere Bekanntschaft) einfach nicht tief genug. Es fühlt sich nicht an wie etwas, das mich bereichert, sondern viel mehr nach einer Pflichthandlung.

Der bessere Weg wäre wahrscheinlich gewesen, ihr zu sagen, dass ich es vor meinem Umzug nicht mehr schaffe, mich mit ihr zu treffen und ich mich eventuell nach meiner Rückkehr nach Köln bei ihr melden werde. Schließlich entspricht das der Wahrheit. Das hätte mich wahrscheinlich keine zwei Minuten gekostet.