Gesellschaft

Gegen Rassismus kämpfen: So kannst du dich einbringen

Lorenz Narku Laing lächelt in die Kamera. Dazu das Zitat: „Eine Gesellschaft ohne Rassismus  ist möglich!“
Evangelisches Medienhaus Stuttgart
Lorenz Narku Laing ist Professor für Rassismusforschung an der EvH Bochum und Gründer der Diversityberatung Vielfaltsprojekte GmbH.

Du willst in der Gesellschaft etwas verändern? Rassismusforscher Lorenz Narku Laing zeigt dir, wie du Veränderungen anstoßen kannst.

von Kira Geiss

Ausgegrenzt. Beleidigt. Herabgewürdigt. Und alles nur wegen der Hautfarbe und Herkunft. Das ist für viele in Deutschland Alltag. Aber was kann jede:r dagegen tun und wie wird unsere Gesellschaft weniger rassistisch?

Rassismus in Deutschland: Ein aktuelles Problem

Trotz vieler Fortschritte in den letzten Jahrzehnten bleibt Rassismus auch heute noch ein großes Problem. Professor Lorenz Narku Laing forscht zu diesem Thema und erlebt selbst aufgrund seiner Hautfarbe immer wieder Diskriminierung.

„Deutschland hat ein Rassismusproblem“, sagt er. Das zeigt sich an vielen Stellen. Er nennt einige Beispiele: 

  • Einer KI listet bei der Frage nach den wichtigsten Philosoph:innen nur weiße Männer auf.
  • Eine fremdenfeindliche Partei sitzt in unserem Bundestag.
  • Medizinisches Personal behandeln nicht alle Patient:innen gleich.
  • In der Politik sind Menschen mit Migrationsgeschichte kaum vertreten.
  • Macht ist in Deutschland ungleich verteilt.
  • Wer eine Wohnung sucht, hat mit vermeintlich typisch deutschem Nachnamen bessere Chancen.

Studien belegen: Rassismus in der Schule

Lorenz Narku Laing verweist auf eine Studie der Universität Mannheim, die zeigt, wie Rassismus in der Schule wirkt. „Menschen mit Migrationshintergrund machen circa 30 Prozent unserer Gesellschaft aus. Unter den jungen Menschen ist der Anteil nochmal deutlich größer“, erklärt er. In Grundschulen seien das mittlerweile fast 50 Prozent.

Die Studie zeigt: Schüler:innen mit Migrationsgeschichte bekommen tendenziell schlechtere Noten. Dir Forschenden führten ein Experiment durch, bei dem zwei identische Klassenarbeiten mit unterschiedlichen Namen abgegeben wurden. Lehrkräfte benoteten die Arbeiten mit dem migrantischen Namen durchschnittlich schlechter, obwohl beide gleich gut waren.

Strukturelle Benachteiligung: Wie Rassismus heute die Zukunft beeinflusst

Das ist ein ernstes Problem, findet Lorenz Narku Laing. Denn das sei eine durch Rassismus geförderte strukturelle Benachteiligung. Schlechtere Noten verschlechtern die Chancen auf einen guten Abschluss oder Beruf. So haben manche Schüler:innen trotz gleicher Leistung geringere Chancen, später in Führungspositionen zu kommen und etwas zu verändern.

Was ist struktureller Rassismus?

Struktureller Rassismus bedeutet, dass Diskriminierung nicht nur durch individuelles Verhalten entsteht, sondern tief in gesellschaftlichen Strukturen verankert ist. Ungleiche Bildungschancen, schlechtere Berufsperspektiven oder unfaire Wohnungsvergabe sind Beispiele dafür. Betroffene erfahren dadurch Nachteile, selbst wenn niemand sie absichtlich benachteiligt.

Deswegen fordert der Rassismusforscher, dass mehr Betroffene politische Ämter übernehmen. Das könne dabei helfen, rassistische Strukturen abzubauen. Er zieht einen Vergleich: „Studien zeigen, dass mit mehr Frauen in politischen Ämtern die Politik für Frauen besser wird.“

Die Situation könnte sich verbessern, „wenn mehr von Rassismus betroffene Menschen in politischen Ämtern wären“. Doch dafür bräuchte es zuvor gleiche Startchancen für alle.

Rassismus bekämpfen: Können Weiße Menschen mithelfen?

Deutschland soll inklusiver und rassismusfreier werden. Aber dürfen Weiße Menschen bei diesem Thema überhaupt mitsprechen?

Lorenz Narku Laing findet: Ja, unbedingt. Auch wenn du selbst noch nie rassistische Erfahrungen gemacht hast, kannst du zuhören und handeln. Er erklärt: „Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, welches nicht gelöst werden kann, wenn sich nicht die ganze Gesellschaft beteiligt“.

Aktiv werden: So kannst du dich gegen Rassismus einsetzen

Jede:r kann und soll also aktiv werden. Das geht auf unterschiedliche Weise. Lorenz Narku Laing nennt vier Bereiche, in denen du deine antirassistische Haltung zeigen kannst:

Politische Ebene

Alltägliche Ebene

Ebene der Privilegien

Ebene der Reflexion

Politische Teilnahme: Gegen rassistische Parteien und für eine antirassistische Gesellschaft

Der erste Schritt auf der politischen Ebene: Keine rassistischen Parteien wählen. Der zweite: An Demonstrationen gegen Rassismus teilnehmen, so Lorenz Narku Laing.

Er ist sich sicher: „Würden die 80 Prozent, die keine rechtsextremen Parteien wählen, sich klar zu einer antirassistischen Gesellschaft bekennen, könnte der Rassismus in unserem Land schneller enden.“

Doch oft fehle es an politischer Entschlossenheit. Lorenz Narku Laing nennt zwei Beispiele: Im Mai 2024 ging ein Video viral, in dem junge Menschen bei einer Party auf Sylt rassistische Parolen grölten. Außerdem wurde im März 2025 entschieden, den „Black Lives Matter“-Schriftzug auf einer Straße in der Nähe des Weißen Hauses wieder zu entfernen.

Umso wichtiger ist es, sich klar gegen Rassismus zu positionieren, betont Lorenz Narku Laing. Er erklärt, dass Solidarität nicht nur von Betroffenen kommen darf. Schließlich demonstrieren nicht nur LGBTQI+-Personen für die Rechte der LGBTQI+-Community und bei Protesten gegen sexuelle Gewalt sind nicht nur Frauen, die einen Übergriff erlebt haben, vertreten. Diese Unterstützung brauche es auch für Menschen, die Rassismus erfahren.

Doch nicht nur die eigene politische Haltung ist entscheidend. Der Rassismusforscher sieht auch im Alltag Handlungsbedarf.

Alltagsrassismus: Wie kleine Gesten viel bewirken können

Auch im Alltag kannst du antirassistisch handeln. Er betont: „Es geht um eine offene und freundliche Haltung gegenüber Menschen, die Diskriminierung erfahren.“

Wie du Alltagsrassismus vermeidest

  • Wenn die Antwort auf „Woher kommst du?“ Stuttgart lautet, dann ist sie auch richtig so. Da gibt es kein „wirklich“.
  • Fasse niemals einer Person ungefragt in die Haare.
  • Verallgemeinere nicht. Niemand hat ein bestimmtes Verhalten „im Blut“. Das sind Stereotype.
  • Relativiere nicht. Nur weil du Rassismus nicht bemerkt hast, heißt das nicht, dass er nicht da ist.

Das kann ein Lächeln, eine freundliche Bemerkung oder eine höfliche Begrüßung sein. Solche Gesten können viel bewirken. „Denn was wie eine Kleinigkeit scheint, ist für Menschen wie mich oft eine Seltenheit“, sagt er.

Die emotionalen Folgen von Alltagsrassismus

Alltagsrassismus hat unangenehme Folgen. Betroffene glauben oft seltener daran, „etwas werden zu können“ oder fühlen sich „weniger zugehörig“. Dazu kommen „immer wieder emotionale Krisen“, die andere nicht kennen. Beispielsweise führen wiederholte diskriminierende Erfahrungen zu tiefer Frustration oder einem Gefühl der Isolation. Betroffene erleben, dass ihre Identität nicht akzeptiert wird und könnten an sich selbst zweifeln. Sie sind also nicht nur eine Auswirkung auf das Wohlbefinden, sondern haben langfristige Auswirkungen auf Lebensqualität und psychische Gesundheit.

„Hinzu kommt, dass diese Menschen durch eine Benachteiligung in ihren Fähigkeiten eingeschränkt werden“, erklärt der Rassismusforscher.

Das Bewusstmachen der eigenen Privilegien

Auch im persönlichen Bereich kannst du viel verändern. Lorenz Narku Laing betont: „Es geht auch darum, sich der eigenen Privilegien bewusst zu werden und diese mit anderen zu teilen.“ Er veranschaulicht das an einem Beispiel: „Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der jeder, der etwas zu sagen hatte und relevant war, weiß war. Die Bundesregierung, der Arzt, der Lehrer, die Kirchenvorstände und der Bürgermeister.“ Erst wenn sich Einzelne dafür einsetzen, dass „jemand, der so aussieht wie ich, auch mal in den Vorstandsposten im Sportverein kommt“, kann eine Veränderung bewirken.

Empathie statt Verbote: Der richtige Umgang mit rassistischen Formulierungen

Hast du dich selbst schon mal hinterfragt? Sicherlich kennst du die Debatten um umgeschriebene Kinderbücher oder rassistische Formulierungen. Da heißt es schnell: Man lasse sich nicht den Mund verbieten. Lorenz Narku Laing macht deutlich, es geht hier nicht Verbote, sondern um Empathie und Mitgefühl. Denn während für die einen diese Begriffe bedeutungsleer sind, verbinden „andere Leute mit viel negativen Erfahrungen, mit Gewalt und auch mit Frustration“.

Die Ebene der Reflektion

Setze dich mit der Lebensrealität von Menschen auseinander, die nicht so aussehen wie du. Als Lektüre empfiehlt der Rassismusforscher uns hierfür das Sachbuch Wozu Rassismus? (Kiwi-Verlag, ab 9,99 Euro) und den Roman „Americanah“ (Fischer-Verlag, ab 9.99 Euro).

Rassismus und Ausgrenzung prägen auch noch 2025 unsere Gesellschaft. Das belegen Studien, Statistiken und persönliche Berichte wie die von Lorenz Narku Laing. Er beobachtet beispielsweise, wie manche die Straßenseite wechseln, sobald sie ihn sehen. Alle Kund:innen werden an der Kasse gegrüßt, er nicht. Er bekommt Briefe, in denen er beleidigt, bedroht und zur Kündigung aufgefordert wird, weil er durch seine Anstellung einem Weißen Menschen die Arbeit wegnehmen würde.

Der Weg zu einer rassismusfreien Gesellschaft: Hoffnung und Veränderung

Trotz dieser Erfahrungen bleibt er hoffnungsvoll.

Eine von Rassismus freie Gesellschaft ist möglich.

Er ist sich sicher: „Am Ende ist Rassismus nichts anderes als eine Ideologie, eine von der Gesellschaft antrainierte Sicht auf die Welt, mit der gebrochen werden kann.

Du kannst auf zahlreiche Weisen aktiv werden und dich einbringen. Noch ein Tipp, wenn du dich intensiver mit verborgenen rassistischen Mustern in deinem Leben auseinandersetzen möchtest: der Rassismus-Fragebogen der Zeit. Mit 33 teils unbequemen Fragen lernst du dich und deine eigenen Vorurteile besser kennen.