Gesellschaft

Überall Verbote: Warum der Lockdown unsere Familie für immer prägte

Charlotte Mattes, im Freien, mit Maske vor einem Schild, das an die Maskenpflicht erinnert.
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Auch im Freien war Maskenpflicht. Dieses Detail habe ich ordentlich verdrängt. Schwanger mit Maske, da war Schnaufen angesagt - uff!

Corona-Geburt Dezember im 2020: Durch die Pandemie konnten wir unser Baby nicht richtig feiern. Aber wir sind als Familie näher zusammengerückt.

Das erste Bild, das mir in den Kopf kommt, wenn ich an den Lockdown denke, ist der abgesperrte Spielplatz im Frankfurter Günthersburgpark. Dieses Bild hat sich so tief in mein Gedächtnis eingebrannt, weil es für so viel steht. Wenn Kindern verboten wird, sich an der frischen Luft zu bewegen, ist etwas faul.

Mit meiner großen Tochter war ich täglich in diesem Park. Das Klettergerüst, abgesperrt mit Flatterbändern zu sehen, war einfach heftig. Ich finde, es symbolisiert die große Unsicherheit damals. Selbst dieser Ort galt als potenzielle Gefährdung. Lieber alles abriegeln. Nichts riskieren.

Spielplätze sind bis auf Weiteres geschlossen, wegen des Corona-Virus.
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Spielplätze dürfen nicht betreten werden. Dieses Schild erneut zu lesen, macht mir ein mulmiges Gefühl.

Ein wenig verschwimmen meine Erinnerungen. Die Zeit damals fühlt sich heute an wie ein großer, zäher Brei aus Testkassetten, Masken und ständig neuen Meldungen über Lockdowns und Einschränkungen. 

Auch ich hatte Angst, habe mich an alle Vorschriften gehalten. Denn ich wollte meine Kinder schützen und natürlich auch ältere Menschen nicht anstecken. Im Rückblick war die Zeit aber eine Kraftanstrengungkörperlich und emotional.

Damals war meine zweite Tochter unterwegs. Ich habe über meine Schwangerschaft während Corona auf indeon im Blog PandeMomToBe berichtet

Krabbelstube zu – was nun?

Am 16. März 2020 war klar: Die Krabbelstube bleibt zu! Ich war ruhig, aber auch verwirrt. Wie soll ich mit einem Kleinkind zu Hause arbeiten können? Ist das Virus wirklich so gefährlich? Wie lange bleibt die Krabbelstube geschlossen?

Schnell organisierten sich Eltern, ich auch. Eine Freundin und ich wechselten uns mit der Kinderbetreuung zu Hause ab. Eine arbeitete, die andere kümmerte sich um die zwei kleinen Mädchen. Das klappte, war aber auch eine Herausforderung. Völlig neu. Keine Trennung zwischen privat und Arbeit. Aber es war auch schön für uns Mütter und für die Mädchen auch.

Trotzdem fehlten natürlich die Routinen. Mails schrieb ich nebenher, Konferenzen liefen irgendwie, wenn ich allein mit meiner Tochter war. Interviews und Telefonate? Na ja, manchmal quäkte halt etwas im Hintergrund. Auch das war Teil der neuen Realität.

Erstaunt war ich über das liebevolle Engagement der Erzieherinnen. Sie schickten selbst eingesungene Lieder für die Kinder und versuchten, den Kontakt zu halten. Das rührt mich auch heute noch sehr. Danke!

Charlotte Mattes mit Tochter auf dem Schoß, Blick auf dem Bildschirm. Beide haben Stöpsel im Ohr zum Telefonieren.
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Auf dem Schoß das Kind, das mit telefonieren möchte, natürlich mit Banane ausgestattet. Homeoffice mit Kind war schön und herausfordernd zugleich.

Homeoffice kann Eltern auch Druck machen

Rückblickend haben wir alle durch die Pandemie gelernt, dass Homeoffice eine sehr praktische Lösung sein kann und dass produktives Arbeiten möglich ist. Das sehe ich als einen der größten Vorteile und Learnings aus der Pandemie. Auch für Eltern, die zu Hause arbeiten können, wenn ihr Kind krank ist, kann es eine Entlastung sein.

Homeoffice mit Kind kann überfordern

Aber für mich war es häufig auch eine Überforderung. Besonders später, als ich mit Kleinkind und Baby zu Hause war. Denn es kann auch ein Fluch sein, immer arbeiten zu können. Nach anstrengenden Nächten mit krankem Kind habe ich mich nicht krankgemeldet, sondern gearbeitet. Das würde ich heute nicht mehr machen, denn Mutter von zwei Kleinkindern zu sein, ist schon ein Vollzeitjob.

Damals dachte ich: Ich muss jetzt leisten, wenn es dieses neue und tolle Homeoffice als Option schon gibt!

Die Pandemie hat unser Familiensystem verändert

Ich fühle mich um eine unbeschwerte Mutterschaft beraubt. Da gehe ich Hand in Hand mit den Jugendlichen, die sagen, dass ihnen ein Teil ihrer Jugend oder Kindheit gestohlen wurde.

Mir fehlte die Freiheit, mich einfach in ein Café setzen zu können. Das war zeitweise verboten, und die Sorge vor dem Virus und Langzeitfolgen war groß.

Besonders die kalten Monate waren zäh, denn Indoor-Treffen waren mit Hürden und großer Vorsicht verbunden oder nur mit einer begrenzten Anzahl an Menschen erlaubt. Die Gedanken kreisten ständig um das Virus und die ständige Informationsflut war belastend.

Täglicher Lagebericht des RKI

Ende 2020 starben in Alten- und Pflegeheimen so viel Menschen wie nie zuvor an Covid-19. In Hessen gibt es die Eskalationsstufe „schwarz“: Ausgangssperren und Alkoholverbote. Mitte Dezember einigen sich die Länder auf einen Lockdown, der bis 2021 anhalten wird. Aber es gibt auch die ersten Impfzentren. Die genauen Infektionszahlen von damals kannst du im Archiv des Robert Koch Instituts nachlesen. 

Im Dezember 2020 kam meine zweite Tochter zur Welt. Winter, also: Viele kranke Menschen – hohe Zahlen an Infizierten. Am 1. Dezember verzeichnet das Robert Koch Institut 13.604 bestätigte Fälle, an Heiligabend schon 32.195.

Im Krankenhaus wurde ich das erste Mal auf Corona getestet. Negativ. Mein Mann auch, also durfte er bleiben, die Geburt begleiten. Aufatmen. Aber dann: Niemand außer ihm durfte kommen. Auch seine Besuchszeit war auf drei Stunden pro Tag begrenzt. Ich war also die meiste Zeit allein im Zimmer, mit einem Baby mit starker Gelbsucht – 7 Tage lang

Solange musste meine große Tochter warten, bis sie ihre kleine Schwester endlich das erste Mal live sehen konnte. Der Moment war so berührend. Ich werde ihn nie vergessen. Endlich vereint.

Leider konnten wir die Geburt unserer Tochter kaum mit Menschen feiern, weil die Angst vor einer Ansteckung so groß war. Besuch bekamen wir eigentlich nur von der Hebamme – unser aller Highlight. Das tat mir weh. Ich hätte gerne mehr Fotos von Menschen, die sich freuen, diesen süßen Säugling im Arm halten zu dürfen. Dieser Schmerz bleibt, auch heute noch. Denn diese Zeit kann man nicht nachholen oder nachfeiern.

Test-Wahnsinn mit zwei kleinen Kindern

Zwei Testkassetten mit negativen Ergebnissen.
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Aufatmen! Die Tests sind negativ. Es kann losgehen zur Krabbelstube.

Ich habe fast verdrängt, wie oft wir uns getestet haben. Zu Hause, aber auch in Testcentern.

Wenn ich meine Nachrichten und Mails von 2020 und 2021 durchscrolle, wird mir wieder deutlich, wie speziell diese „neue Realität“ war.

Die Atmosphäre in den Testcentern war schrecklich. Das Bohren in Nase und Rachen, die großen Augen der Kinder „Was passiert hier?“ Die Recherche: Wo gibt es PCR-Tests? Und das Bibbern, ob wir denn Oma an Weihnachten sehen können oder nicht.

Der häufigste Satz, den ich meinen Kindern damals sagte, war:

Das geht leider nicht, wegen Corona.

Meine große Tochter hat mich sehr beeindruckt, wie sie das alles meist ohne Protest, sondern mit Neugierde mitgemacht hat, sogar das unangenehme Testen vor der Krabbelstube.

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Impfung geschafft! Auf dem Weg zurück nach Hause, mit mittlerweile fröhlichem Baby in der U-Bahn.

Nie vergessen werde ich den Tag, als ich mit meinem Säugling in der Trage geimpft wurde. In der Frankfurter Festhalle! Die Schlangen waren unendlich lang, mein Kind schrie und schrie. Sie mochte es auch nie, wenn ich Maske trug. Riss sie mir eigentlich konsequent runter, um mich sehen zu können.

Eine Mitarbeiterin hatte Erbarmen, zog mich aus der Schlange heraus und ich durfte schnell in eine Kabine. Diese Frau hat mir und meiner kleinen Tochter den Tag gerettet.

Corona-Auswirkungen auf meine kleine Tochter

Meine kleine Tochter ist bis heute sehr anhänglich. Fremde Menschen machen ihr manchmal plötzlich Angst. Ob das nur mit den Pandemie-Einschränkungen und der konstanten Atmosphäre der Vorsicht und Unsicherheit zu tun hat, weiß ich nicht.

Wahrscheinlich ist sie auch ein vorsichtiger Typ. Doch Masken, strikte, aber unbeständige Regeln und ständiges Desinfizieren haben sicher als Verstärker gewirkt. Das Virus und die Sorge davor andere anzustecken oder selbst zu erkranken war immer präsent für sie, seit ihrem ersten Tag auf dieser Welt.

Ich hatte damals häufig den Gedanken, dass meine Töchter einen Waschzwang entwickeln könnten, da Händewaschen und desinfizieren sehr stark im Fokus waren. Es war ja die erste Handlung, bevor man einen Raum betreten hat oder zu Hause angekommen ist.

Den Zwang haben sie zum Glück nicht entwickelt. Doch insbesondere meine kleine Tochter wäscht sich immer und konsequent die Hände, sobald sie unsere Wohnung betritt. Das ist ohnehin unsere Regel, jedoch befolgt sie diese durch sehr frühe Übung, immer und ohne Erinnerung.

Wie ging es dir als Mama in der Corona-Zeit? Ich freue mich auf den Austausch mit dir! Schreib mir gerne eine E-Mail oder kommentiere bei unseren Social-Media-Plattformen:

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Und jetzt? Mein Fazit!

Die Pandemie hat uns vorsichtiger gemacht und gezeigt, wie schnell sich unser Alltag verändern kann. Sie hat uns gezwungen, uns anzupassen – oft, ohne es zu hinterfragen.

Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, was uns gefehlt hat. Damals war die Angst vor Ansteckung größer als das Bedürfnis nach Nähe und Gemeinschaft. Und das war verständlich – wir wussten es nicht besser.

Heute versuche ich, diese Vorsicht etwas loszulassen. Merke aber auch, dass Treffen viel häufiger als früher wegen Krankheiten abgesagt werden. Früher haben wir uns einfach getroffen, auch wenn Kinder gehustet und geschnupft haben. Heute haben wir es mehr in der Hand, können vorab kontrollieren. Das gibt Sicherheit, verschärft aber auch Kontrolle. Es ist immer ein Abwägen.

Vor Corona haben wir uns mehr nach dem Wohl des Kindes gerichtet und sind zum Beispiel gegangen, weil es Fieber entwickelt hat. Heute steht oft im Vordergrund, niemanden anzustecken – was grundsätzlich sinnvoll ist, aber ich spüre eine Verschiebung im Denken.

Mein Gefühl ist, dass Krankheiten stärker als Bedrohung wahrgenommen werden. Sind sie ja teilweise auch. Aber sie sind auch normaler Bestandteil des Lebens. Ich versuche meinen Fokus nicht so stark auf Krankheiten zu richten. Husten oder Schnupfen als normalen Teil des Alltags zu akzeptieren. Dennoch merke ich, wie sehr die Pandemie mein Bewusstsein dafür geschärft hat.

Abschließend möchte ich aber betonen: Die Pandemie hat uns als Familie zusammengeschweißt. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht und sind ein starkes Team geworden. Insbesondere die Beziehung unserer zwei Töchter ist sehr eng und liebevoll, das erfüllt mein Herz jeden Tag mit Glück.