Antisemitismus auf der „documenta fifteen“, einer der weltweit wichtigsten Kunstausstellungen. Und das im Land der Shoa. Die Forderungen, welche der Verantwortlichen zuerst ihren Hut nehmen müssen, überschlagen sich. Es gibt Dringenderes.
Es ist absurd. Monate vor der Eröffnung der „documenta fifteen“ stand der Vorwurf des Antisemitismus im Raum. Der Grund: Die Einladung von Künstlern, die die Bewegung „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) unterstützen. BDS ruft international zum Boykott Israels auf. Der Deutsche Bundestag stuft die Bewegung als antisemitisch ein.
Alles falsch, keinerlei Hinweise auf Antisemitismus, hieß es daraufhin mehrfach vonseiten der Documenta und der Politik. Reflexhaft abwiegeln statt genauer hinsehen. Ein schwerer Fehler, wie nun die ganze Welt weiß.
Das zehn mal zehn Meter große Bild „Peoples Justice“ der indonesischen Künstlergruppe Taring Padi ist abgehängt. Das Wimmelbild zeigt unter anderem einen Mann im Anzug mit haifischartigen Reißzähnen, rot unterlaufenen Augen, Schläfenlocken und SS-Runen am Hut. Ganz klar eine antisemitische Bildsprache.
Sollte man zumindest denken. Aber: Das Bild sei Teil einer Kampagne gegen Militarismus und Gewalt, geschaffen aus den Erfahrungen mit der Militärdiktatur in Indonesien und keinesfalls antisemitisch gemeint, so die Künstler.
Nun ist es sicher so, dass die Sensibilität in Deutschland zu Fragen von Antisemitismus eine andere ist als in Indonesien oder anderswo. Die Schoah und das Bewusstsein, dass Deutsche verantwortlich sind für den Tod von rund sechs Millionen Juden, ist unauslöschlicher Teil der deutschen Geschichte.
Künstlerinnen und Künstler, die in diesem Land ausstellen, sollten das wissen, Kunstfreiheit hin oder her. Alles andere würde bedeuten, sie als naiv hinzustellen. Warum die Leitung der Documenta die frühen Vorwürfe nicht zum Anlass genommen hat, genauer hinzuschauen, das ist eine ganz andere Frage.
Antisemitismus und Kunst: Macht es die Documenta richtig?