Familie

„Menschen mit Down-Syndrom sind ein Geschenk“

Selfie mit allen vier Familienmitgliedern
privat
Samuel, Carolin, Alexander und David (von links)

Kein Kind wegen Trisomie 21? Das gilt nicht für Familie Neufeld: Sie haben bewusst Kinder mit Down-Syndrom adoptiert.

Fast jedes zehnte Paar in Deutschland bleibt ungewollt kinderlos. So erging es auch Carolin und David Neufeld.

Nach zwei Eileiterschwangerschaften treffen sie eine Entscheidung: Sie adoptieren zwei Babys mit Down-Syndrom. Für viele unvorstellbar - für die Neufelds nicht. Warum Menschen mit Down-Syndrom eine Inspiration für ihn sind und was er werdenden Eltern rät, darüber spricht David im Podcast HOFFNUNGSMENSCH mit Steffen Kern.

„Der unerfüllte Kinderwunsch hat uns eiskalt erwischt”, erinnert sich David. „Wir sind ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass wir leibliche Kinder haben werden.“ Das ist über 25 Jahre her.

Baby mit Behinderung adoptieren

Eine künstliche Befruchtung ist für Carolin und David damals kein Thema. Stattdessen nehmen die beiden Pflegesohn Onur bei sich auf und entscheiden sich für die Adoption eines weiteren Kindes. Von Anfang an kann sich das Ehepaar vorstellen, auch ein Baby mit Behinderung zu adoptieren. Beide haben im persönlichen Umfeld immer wieder Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderung. Carolin hat als Erzieherin in einer Schule für Kinder mit geistiger Behinderung gearbeitet.

So adoptieren sie 2001 ein Baby mit Down-Syndrom: Alexander. Fünf Jahre später wird Samuel, der ebenfalls das Down-Syndrom hat, Teil der Familie. Alexander ist heute 23, Samuel 18.

Vieles war ganz genauso wie mit einem Kind ohne Behinderung, erinnert sich David. Er verschweigt nicht, dass es auch besondere Herausforderungen gab. Zum Beispiel viele Untersuchungen. Lunge, Ohren oder Herz sind bei Kindern mit Down-Syndrom oft anfälliger und müssen regelmäßig kontrolliert werden. David und Carolin nahmen das in Kauf. „Die Last gehört dazu, aber sie überwiegt nicht. Das Glück und die Dankbarkeit überwiegen bei weitem”, sagt David.

Selfie von Sohn Alexander und Vater David
privat
Sohn Alexander und Vater David

Wenn er von seinen beiden Jungs spricht, leuchten seine Augen. Alexander spielt Cajon und Schlagzeug in der Kirchengemeinde, ist eine Rampensau, erzählt David schmunzelnd. Musik und Fußball sind seine Leidenschaft.

Samuel ist fünf Jahre jünger und ein ganz anderer Typ. Er ruht in sich und spricht wenig. „Das verbindet ihn mit vielen Männern”, lacht David. „Um 9 Uhr sind schon die zehn Worte des Tages verbraucht.“

Kinder mit Down-Syndrom werden abgetrieben

Die Neufelds haben, wenn überhaupt, nur sehr wenige negative Reaktionen auf ihre familiäre Entscheidung bekommen. Viele Menschen aus ihrer Kirchengemeinde haben sie ermutigt. Doch ein Blick auf die Zahlen macht deutlich, wie ungewöhnlich dieser Schritt war. Aus einer 2020 im European Journal of Human Genetics veröffentlichten Studie geht hervor, dass in der EU jedes zweite Kind (54 Prozent) mit Down-Syndrom abgetrieben wird. Manche Expert*innen schätzen, dass die Zahlen deutlich höher liegen.

Bücher rund um Behinderung

David Neufeld, Jahrgang 1970, hat den Neufeld-Verlag gegründet, der christliche Sachbücher veröffentlicht und sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Behinderung auseinandersetzt. So gibt es zum Beispiel Kalender mit Fotos von Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom oder Ratgeber für Eltern von Kindern mit Behinderung oder einer chronischer Erkrankung.

Sicher ist: Eltern, die in der Schwangerschaft die Diagnose Down Syndrom bekommen, entscheiden sich auch gegen ihr Kind.

Für David eine schmerzhafte Diskrepanz. „Wir feiern Diversität und sagen zurecht: Jeder Mensch ist einmalig. Und dann ist jemand definitiv anders und wir sagen: Du kommst besser nicht zur Welt. Das passt nicht zusammen!“

Und doch kann David verstehen, dass werdende Eltern sich nach der Diagnose fragen, ob sie das schaffen. Manchmal ist er im Gespräch mit Leuten, die sich nach einer Diagnose bei ihm melden. Dann versucht er, ein Gegenüber zu sein und berichtet von seiner eigenen Erfahrung.

Rat für Eltern von Kindern mit Down-Syndrom

David will werdenden Eltern Mut machen und plädiert für eine Portion Gelassenheit. „Egal, ob dein Kind Trisomie 21 hat oder nicht - du hast nie in der Hand, welchen Weg es gehen wird. Wird es Professor für Mathe, oder nicht? Wird es psychische Probleme haben, oder nicht?“ Jeder Mensch und sein Lebensweg seien einmalig, betont David.

Mama Neufeld mit ihren beiden Söhnen
privat
Mama Carolin mit ihren Söhnen Samuel und Alexander

Er weiß, niemand trifft die Entscheidung gegen das eigene Kind leichtfertig. Doch dass Kinder mit einer Behinderung bis kurz vor der Geburt abgetrieben werden können, mache ihn wütend: „Weil man so tut, als wäre es kein Mensch!“

David betont, wie lebenswert das Leben von Menschen mit Down-Syndrom ist. Er und zitiert eine Studie, die herausgebracht habe, dass sie zu weit über 90 Prozent mit ihrem Leben zufrieden seien, sich mögen und schön finden.

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„Manche würden sagen: Die sind halt eingeschränkt und verstehen es nicht besser. Aber ich würde sagen, sie verstehen tiefer, was es für ein Glück ist, auf der Welt zu sein“, sagt David.

In den Spiegel zu schauen und zu sagen: „Ich bin ein Unikat, mich gibt’s nur einmal und so wie ich bin, bin ich wunderbar gemacht. Das finde ich für unsere Gesellschaft eine Hammerbotschaft“, betont der Familienvater.