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Flutkatastrophe im Ahrtal

Flutopfer im Ahrtal seelisch und körperlich entkräftet

Gesprächscafé für Betroffene der Flut im Ahrtal
Ergänzender redaktioneller Inhalt

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Die Menschen im Ahrtal haben in der Flutkatastrophe im vergangenen Juli Schreckliches erlebt. Jetzt steht Weihnachten vor der Tür, und viele leben noch immer im Provisorium.

Renate Pilz ist nicht nach Weihnachten zumute. "Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr", sagt die 82-Jährige seufzend aus dem rheinland-pfälzischen Sinzig. Als in der Nacht auf den 15. Juli die Flut kam und das Wasser meterhoch stieg, wurde ihr Haus an der Ahr zerstört.

Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr!

In letzter Sekunde flüchtete sie aus dem Keller ins Obergeschoss, Feuerwehrleute retteten sie mit einem Boot. Ihre Nachbarin ertrank in der Flut. Jetzt wohnt Renate Pilz bei ihrem Sohn - und wartet noch immer auf den Gutachter für die Wiederaufbauhilfe.

Viele Menschen haben ihre Hoffnung verloren

So wie ihr geht es vielen Menschen im Ahrtal, die die Flutkatastrophe vor fünf Monaten überlebt haben: Sie sind mit den Nerven am Ende, körperlich und seelisch entkräftet. Und gerade jetzt, zur Weihnachtszeit, brechen Gefühle der Verzweiflung, der Wut und der Einsamkeit besonders stark auf.

Manche haben die Hoffnung verloren, dass es für sie und ihre Familien schnell besser wird. Andere blicken nach vorne, haben die Fassaden ihrer Hauser mit Lichterketten geschmückt und Weihnachtssterne in die Fenster gehängt.

Gesprächscafé hilft den Flutopfern

Portrait von Kerstin Laubmann im Gesprächscafé
epd/Meike Boeschemeyer
Kerstin Laubmann hat das Gesprächscafé ins Leben gerufen. Sie ist Pfarrerin in Remagen-Sinzig.

"Jetzt kommen die Erinnerungen hoch, der Gesprächsbedarf steigt", sagt die Sinziger Pfarrerin Kerstin Laubmann. Seit kurzen lädt sie immer freitagnachmittags ein in das "Café SolidAHRität" in das Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde Remagen-Sinzig. Zum offenen ökumenischen Treff sind diesmal mehr als 20 vor allem ältere Menschen gekommen. Bei Kaffee und Kuchen tauschen sie sich zwei Stunden lang aus, stützen sich gegenseitig.

"Man bekommt einfach mal den Kopf frei und sieht, wie es anderen so geht", sagt Carla Hellmann. Die 75-Jährige ist frustriert darüber, dass es nur langsam vorangeht beim Wiederaufbau im Ahrtal. "Man bekommt keine Handwerker mehr", wirft Inge Kriechel (78) ein. Auf rund 200.000 Euro summierten sich die Sanierungskosten für ihr flutgeschädigtes Haus, erzählt sie: "Wie soll ich das bezahlen als Rentnerin? Meine Hoffnung ist weg."

Hohe Kosten für den Wiederaufbau

Auch Herbert Groß, 63 Jahre alt, weiß noch nicht, wie es weitergeht. Beim Bau seines Hauses schloss er keine Elementarschutzversicherung ab - und muss jetzt bangen, dass er die Kosten des Wiederaufbaus selbst schultern muss. In das Gemeindecafé mit anschließendem gemeinsamen Adventssingen kommt der Rentner freitags gerne: "Ich habe sonst niemanden, mit dem ich reden kann."

134 Menschen bei Flut im Ahrtal gestorben

Die vier älteren Sinziger eint eines: Sie wollen in ihrer schönen 18.000-Einwohner-Stadt bleiben, wo die Ahr in den Rhein fließt, und sie nicht wie andere verlassen. Die Starkregenkatastrophe kostete im Ahrtal 134 Menschen das Leben; 49 Menschen starben im benachbarten Nordrhein-Westfalen.

Menschen im Ahrtal stehen zusammen

Carla Hellmann, Betroffene der Flutkatastrophe, mit einem Weihnachtsstern in der Hand.
epd/ Meike Boeschemeyer
Carla Hellmann kommt gerne ins Gesprächscafé. Auch ihr Haus ist von der Flut schwer geschädigt worden.

Nur knapp 200 Meter vom Sinziger Gemeindezentrum entfernt steht das frisch verputzte Gebäude der Lebenshilfe. Grablichter erinnern an die zwölf geistig und körperlich behinderten Bewohner:innen, die dort ertranken. Insgesamt 14 Menschen kamen in Sinzig in der Flut um, berichtet Pfarrerin Laubmann.

Die Menschen im Ahrtal stehen zusammen in der Not, und an Weihnachten noch etwas mehr. Überall in den von der Flut betroffenen Straßenzügen hört man es hämmern. Manche Häuser sind noch immer schlammverspritzt, einige stehen leer. "Dank allen Helfern" hat jemand auf seinen Kleinbus gesprüht.

Corona macht es zusätzlich schwer

Kinder spielen in den von Schlamm und Schutt freigeräumten Gärten, das Leben geht weiter. Netzwerke der gegenseitigen Hilfe seien entstanden, erzählt die ehrenamtliche Trauertherapeutin Sabine Reinhart. Nach ihrer Erfahrung sehnen sich die durch Corona zusätzlich gebeutelten Menschen vor allem wieder nach Normalität.

Für die Flutopfer spenden

Spendenkonto bei der Diakonie RWL
IBAN: DE79 3506 0190 1014 1550 20
Stichwort: Hochwasser-Hilfe

Online für die Opfer der Hochwasserkatastrophe spenden

Gessprächscafé so lange wie nötig offen

"Es muss weitergehen, ich habe einen Schutzengel gehabt", sagt Renate Pilz. Auch wenn die Sorgen groß seien, habe sie "Weihnachten im Herzen", ergänzt Carla Hellmann. Nur die Holzfiguren ihrer Krippe hätten die Flut überstanden. Nun hätten ihr ihre Kinder einen neuen Krippenstall für das Weihnachtsfest geschenkt.

Über Carla Hellmanns Krippe wird Heiligabend dann vielleicht der Herrnhuter Stern leuchten, den ihr Pfarrerin Laubmann geschenkt hat. Der handgearbeitete Papierstern ist ein kleines Hoffnungszeichen, gestiftet von Menschen aus Sachsen. Das "Café SolidAHRität" bleibt geöffnet, solange es nötig ist, verspricht die Pfarrerin.

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