Ein Jahr nach der Flutkatastrophe

Flut im Ahrtal: Wiederaufbau dauert noch Jahre

Zerstörtes Wohnhaus in Dernau. Ein Jahr nach der Flutkatastrophe ist der Wiederaufbau noch lange nicht abgeschlossen.
epd-bild/Meike Boeschemeyer
Auch ein Jahr nach der Flutkatastrophe ist dieses Wohnhaus in Dernau noch zerstört.

In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli jährt sich die Flutkatastrophe im Ahrtal. Wie geht es nach einem Jahr den Menschen vor Ort?

Zerstörte Brücken, eingestürzte Häuser, verwüstete Friedhöfe, Ortschaften voller Müll und Schlamm. In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 verwandelten sich Teile von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in eine Trümmerwüste. Mehr als 180 Menschen sind gestorben, über 800 wurden zum Teil schwer verletzt.

Gabi Gasper in ihrem Haus in Altenahr, das abgerissen werden soll
epd-bild/Meike Boeschemeyer
Gabi Gasper in ihrem Haus in Altenahr, das abgerissen werden soll

Ein Jahr später dauert der Wiederaufbau weiter an, von einem normalen Alltag sind die Menschen in den betroffenen Gebieten noch weit entfernt. „Am Anfang konnte man noch aktiv etwas tun. Jetzt ist es viel schlimmer, weil es nicht vorangeht“, beschreibt Gabi Gasper aus Altenahr die Situation. Auch ihr Einfamilienhaus wurde bis in den ersten Stock überflutet und muss nun abgerissen werden.

Das Ahrtal, wie es einmal war, wird es nicht mehr geben

„Das Ahrtal, wie es einmal war, wird es so wohl nicht mehr geben“, sagt der Rheinland-Pfälzische Opferbeauftragte Detlef Placzek im Gespräch mit dem Evangelischen  Pressedienst. An vielen überfluteten Häusern habe sich bislang  wenig getan, der Wiederaufbau wird Hilfsorganisationen zufolge noch einige Jahre andauern. Ursache dafür ist weniger das fehlende Geld, sondern die enorme Anzahl der Fälle, Materialmangel und die Schwierigkeit, Handwerker zu finden.

Angst vor einem neuen Hochwasser

Viele Menschen  im Ahrtal hätten Angst vor einem möglichen neuen Hochwasser, sagt Detlef Placzek.

Bei jedem stärkeren Regen schnellen die Anrufzahlen bei der Krisen-Hotline nach oben.

Detlef Placzek

Auch Gabi Gasper begleiteten Angstzustände. Mit ihrem Mann rettete sie sich auf einen Fenstersims im Obergeschoss, wo sie die Nacht über ausharrten – das löste bei ihr ein traumatisches Erlebnis aus.

Viele der Flutopfer benötigen psychotherapeutische Hilfe. „Wegen der lang anhaltenden Ausnahmesituation leiden die Menschen vermehrt unter Burn-Out, Erschöpfung und Überlastung“, sagt die Psychiaterin und Psychotherapeutin Katharina Scharping. Ein Problem sei dabei, dass es zu wenige Plätze für Psychotherapie gebe.

Diakonie ist weiter vor Ort

Auch die Diakonie und weitere Hilfswerke sind weiterhin im Einsatz und unterstützen die Betroffenen des Hochwassers. Seelsorgerinnen und Seelsorger bieten beispielsweise psychosoziale Begleitung an. Zudem hat die Diakonie-Katastrophenhilfe Spendengelder in Höhe von 43,3 Millionen Euro gesammelt.

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Kirche ruft zum Gedenken auf

„Für viele Betroffene und auch für die Helferinnen und Helfer vor Ort wurde so Kirche konkret erfahrbar“, beschreibt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, den wichtigen Dienst der Diakonie.

Anlässlich des ersten Jahrestages der Flutkatastrophe rief Latzel die Kirchengemeinden zum Gedenken auf.

„Es ist wichtig, dass wir die Menschen mit ihren oft ambivalenten Gefühlen und vielfältigen Erinnerungen an diese belastende Zeit nicht alleine lassen“, sagte Latzel. Verschiedene Gedenkveranstaltugnen und Gottesdienste sind geplant. 

Viele Helfer brauchen jetzt selbst Hilfe

Viele Menschen, die während der Flutkatastrophe als Intensivhelfer die Menschen unterstützt haben, brauchen jetzt selbst Hilfe, sagt Bernd Bazin, Leiter der Hochwasserseelsorge der Diakonie Katastrophenhilfe. „Betroffene haben auch zugleich anderen geholfen und waren damit doppelt belastet.“

Auch nach einem Jahr gebe es Betroffene, die bislang unversorgt geblieben seien. Bei manchen liege das daran, dass sie schon vor der Flut wenig sozial eingebunden waren. Andere seien „mit den Nerven am Ende, weil sie immer noch nicht wissen, ob ihr Haus abgerissen werden muss oder immer noch auf Versicherungsleistungen warten.“

„Lebensgefühl Ahr“ in Ansätzen wieder da

Das Ahrtal kämpfe um eine Rückkehr zur Normalität. Es gebe auch Bereiche, in denen der Wiederaufbau voranschreite. Manche Familien könnten wieder in ihre renovierten Häuser zurückkehren. Einige Restaurants hätten wieder geöffnet und es kämen auch wieder Touristen.

Zumindest in Ansätzen gebe es das „Lebensgefühl Ahr“ wieder, sagte er. „Aber auch in einem Jahr wird bei Weitem noch nicht wieder alles aufgebaut sein, nur wir werden hoffentlich mehr Planungssicherheit haben."

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