Ein bisschen skeptisch ist Patricia Kaplan noch. „Im vergangenen Jahr kam zwei Tage vor dem Aufbau der Stopp“, sagt sie. Die Wormserin hofft, dass ihre Familie in diesem Jahr wieder ihren Crêpes-Wagen und ihren Schwenkgrill auf Weihnachtsmärkten aufstellen kann. Nach zwei Saisons ohne Weihnachtsmärkte ist sie, wie viele Marktkaufleute und Schaustellerfamilien dringend auf Umsatz angewiesen. Ihre Reserven sind aufgebraucht.
Insolvenz- oder Pleitewellen habe es während der Corona-Zeit zwar nicht gegeben, sagt Patrick Arens, Vizepräsident des in Bonn sitzenden Bundesverbands Deutscher Schausteller und Marktkaufleute (BSM). „Unsere Mitglieder haben beispielsweise Stände in Städte oder vor Supermärkte gestellt“, schildert er, „oder sie haben sich für die Zwischenzeit andere Jobs gesucht.“
Die Kaplans konnten keine der Strategien, die Arens beschreibt, nutzen. Sie hatten nämlich ihren Crêpes-Wagen abgemeldet, um Steuern und Versicherung zu sparen. Die hätten sie mit einem Stand auf einem Supermarkt-Parkplatz erst wieder erwirtschaften müssen. „Und dann hätten wir ja noch kein Brot auf dem Tisch gehabt“, sagt Kaplan.
„Wir haben uns natürlich überlegt, uns andere Jobs zu suchen“, berichtet Kaplan. Ihr Mann hätte als Fernfahrer arbeiten können, und sie hätte in ihren erlernten Beruf als Kauffrau für Bürokommunikation zurückkehren können. „Aber selbst wenn wir beide Vollzeit gearbeitet hätten, hätte es nicht gereicht, um den Kredit zu bedienen“, sagt sie. Hinzu kommt: Hätten sie andere Einkünfte gehabt, wären die Bundeshilfen nicht mehr geflossen.
Also habe die Familie einen weiteren Kredit aufgenommen, um das alten Darlehen abzuzahlen. Die Zinsen für den neuen Kredit trägt der Bund.
Die Corona-Hilfen der Regierung hätten einigermaßen gut funktioniert, schildert Branchenvertreter Arens. Finanzämter hätten Steuern gestundet und Banken Kreditraten. Steuern und Kredite würden nun allerdings wieder fällig, daher würde erst die nächste Zeit zeigen, wer die Krise wirtschaftlich überleben wird.
In der nun beginnenden Weihnachtsmarktsaison hätten die Schausteller aber ein ganz anderes Problem, sagt Arens: Personal sei knapp. Denn während der vergangenen zwei Jahre der erzwungenen Untätigkeit hätten viele Schausteller ihre Angestellten nicht mehr weiterbeschäftigen können, erklärt er. Diese Angestellten hätten sich mittlerweile längst andere Arbeit gesucht. Bei der derzeit herrschenden Vollbeschäftigung sei Ersatz kaum zu bekommen. Arens schildert somit ein Problem, wie es auch andere Branchen, wie etwa die Gastronomie hat.
Das Schlimmste an der Corona-Zeit seien für sie und ihre Familie gar nicht die finanziellen Einschnitte gewesen, sondern die erzwungene Untätigkeit, sagt Patricia Kaplan.
Wir möchten ja unser eigenes Geld verdienen.
Patricia Kaplan
Damit schildert sie etwas, das die Schausteller-Seelsorgerin Christine Beutler-Lotz aus Alzey vielen Gesprächen kennt. Das gewohnte Leben sei auf einmal weg gewesen, und das habe vielen zu schaffen gemacht, berichtet sie: „Es gab viele, die mit Depressionen zu tun hatten.“