Weihnachtsmärkte

Schausteller nach Corona: Die Reserven sind aufgebraucht

In einem Crêpes-Wagen auf dem Weihnachtsmarkt
gettyimages/Moncherie

Schaustellerfamilien hoffen auf die kommende Weihnachtsmarktsaison. Sie beschäftigt ein Problem, das auch andere Wirtschaftsbranchen haben.

Ein bisschen skeptisch ist Patricia Kaplan noch. „Im vergangenen Jahr kam zwei Tage vor dem Aufbau der Stopp“, sagt sie. Die Wormserin hofft, dass ihre Familie in diesem Jahr wieder ihren Crêpes-Wagen und ihren Schwenkgrill auf Weihnachtsmärkten aufstellen kann. Nach zwei Saisons ohne Weihnachtsmärkte ist sie, wie viele Marktkaufleute und Schaustellerfamilien dringend auf Umsatz angewiesen. Ihre Reserven sind aufgebraucht.

Keine Pleitewellen bei den Schaustellern

Insolvenz- oder Pleitewellen habe es während der Corona-Zeit zwar nicht gegeben, sagt Patrick Arens, Vizepräsident des in Bonn sitzenden Bundesverbands Deutscher Schausteller und Marktkaufleute (BSM). „Unsere Mitglieder haben beispielsweise Stände in Städte oder vor Supermärkte gestellt“, schildert er, „oder sie haben sich für die Zwischenzeit andere Jobs gesucht.“

Die Kaplans konnten keine der Strategien, die Arens beschreibt, nutzen. Sie hatten nämlich ihren Crêpes-Wagen abgemeldet, um Steuern und Versicherung zu sparen. Die hätten sie mit einem Stand auf einem Supermarkt-Parkplatz erst wieder erwirtschaften müssen. „Und dann hätten wir ja noch kein Brot auf dem Tisch gehabt“, sagt Kaplan.

Ein traditionelles Kettenkarussell
gettyimages/Thomas Faull

Neuer Kredit bedient altes Darlehen

Zudem hätten sie erst kurz vor Corona einen Kredit aufgenommen, um zu investieren. Die Familie betreibt nämlich in den Sommermonaten auch einen Wellenflieger, eine Art Kettenkarussell, mit der sie im Sommer deutschlandweit auf Jahrmärkten unterwegs ist. Ein kapitalintensives Geschäft.

„Wir haben uns natürlich überlegt, uns andere Jobs zu suchen“, berichtet Kaplan. Ihr Mann hätte als Fernfahrer arbeiten können, und sie hätte in ihren erlernten Beruf als Kauffrau für Bürokommunikation zurückkehren können. „Aber selbst wenn wir beide Vollzeit gearbeitet hätten, hätte es nicht gereicht, um den Kredit zu bedienen“, sagt sie. Hinzu kommt: Hätten sie andere Einkünfte gehabt, wären die Bundeshilfen nicht mehr geflossen.

Also habe die Familie einen weiteren Kredit aufgenommen, um das alten Darlehen abzuzahlen. Die Zinsen für den neuen Kredit trägt der Bund.

Die Corona-Hilfen der Regierung hätten einigermaßen gut funktioniert, schildert Branchenvertreter Arens. Finanzämter hätten Steuern gestundet und Banken Kreditraten. Steuern und Kredite würden nun allerdings wieder fällig, daher würde erst die nächste Zeit zeigen, wer die Krise wirtschaftlich überleben wird.

Eine Frau gibt einem Mädchen auf einem Weihnachtsmarkt eine Süßigkeit.
gettyimages/romrodinka
Wenn nun die Weihnachtsmärkte wieder losgehen, freut das nicht nur die Marktkaufleute, sondern auch Kinder und ihre Eltern.

Dank Corona kaum Personal für Weihnachtsmärkte

In der nun beginnenden Weihnachtsmarktsaison hätten die Schausteller aber ein ganz anderes Problem, sagt Arens: Personal sei knapp. Denn während der vergangenen zwei Jahre der erzwungenen Untätigkeit hätten viele Schausteller ihre Angestellten nicht mehr weiterbeschäftigen können, erklärt er. Diese Angestellten hätten sich mittlerweile längst andere Arbeit gesucht. Bei der derzeit herrschenden Vollbeschäftigung sei Ersatz kaum zu bekommen. Arens schildert somit ein Problem, wie es auch andere Branchen, wie etwa die Gastronomie hat.

Das Schlimmste an der Corona-Zeit seien für sie und ihre Familie gar nicht die finanziellen Einschnitte gewesen, sondern die erzwungene Untätigkeit, sagt Patricia Kaplan.

Wir möchten ja unser eigenes Geld verdienen.

Patricia Kaplan

Damit schildert sie etwas, das die Schausteller-Seelsorgerin Christine Beutler-Lotz aus Alzey vielen Gesprächen kennt. Das gewohnte Leben sei auf einmal weg gewesen, und das habe vielen zu schaffen gemacht, berichtet sie: „Es gab viele, die mit Depressionen zu tun hatten.“

Schaustellerpfarrerin Christine Beutler-Lotz auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt mit ihrem mobilen Altar.
epd-bild/Thomas Rohnke
Schaustellerpfarrerin Christine Beutler-Lotz auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt mit ihrem mobilen Altar.

Es sei für sie nicht leicht gewesen, Kontakt zu halten. Denn normalerweise spreche sie direkt mit Schaustellerinnen und Schaustellern auf den Märkten. In den Corona-Jahren habe sie viel telefoniert und geschaut, was die Marktkaufleute auf sozialen Netzwerken posteten.

Konfuse Verordnungslage für Jahrmärkte

Die konfuse Verordnungslage habe ebenfalls viele verärgert, sagt Beutler-Lotz. Auch als wissenschaftlich belegt war, dass unter freiem Himmel das Infektionsrisiko nur sehr gering ist, habe es für Schausteller weiter Restriktionen gegeben, etwa eine Umzäunung der Märkte, eine Pflicht zur Anmeldung vor Besuchen oder eine Begrenzung der Aufenthaltsdauer – während manchmal nur wenige Meter daneben die Wochenmärkte wieder ganz normalen Betrieb hatten. Da hätte sich bei vielen Schaustellern der Gedanke breit gemacht, sie seien gar nicht mehr gewollt, beschreibt die Pfarrerin.

Ein bisschen Positives habe es während der Corona-Zeit aber durchaus gegeben, sagt Patricia Kaplan. Sie habe vieles tun können, was sonst immer liegen geblieben sei. Fotos in Alben ordnen zum Beispiel. Oder Spieleabende mit den Kindern und der ganzen Familie.

Christine Beutler-Lotz berichtet von einer Schaustellerin, die sonst von Frühjahr bis Herbst immer unterwegs gewesen sei und nun das erste Mal ihren Garten im Mai blühen gesehen habe. „Wie schön, was Gott alles schafft“, habe sie der Seelsorgerin gesagt.

Chefredakteur Andreas Fauth zum Besuch des Weihnachtsmarkts

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