Krieg und Glaube

Wie kann Gott Krieg in der Ukraine zulassen?

Martin mit Bibel vor Kupferstich
getty/ZU09

Fragst du dich, was beten für den Frieden bringt? Und warum Gott so viel Leid zulassen kann? Pfarrer Martin sucht nach Antworten darauf.

Eine Antwort auf diese Fragen gibt es nicht. Ich habe bislang keine überzeugende gefunden. Es gibt Antwortversuche.

Warum, Gott?

Diese Frage taucht in der Bibel oft auf. „Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben?“ (Psalm 13) Die Menschen, die so zu Gott geschrien und ihre verzweifelten Gebete in der Bibel aufgeschrieben haben, deuten die ihres Leides so: Gott hat sein Gesicht vor ihnen verborgen. Gott schaut weg. Gottes Blick bedeutet Leben.

Wenn Gott sein Gesicht verhüllt, dann sind sie allem Bösen schutzlos ausgeliefert: den Feinden, dem Krieg, der Krankheit, der Not. Darum die Bitte in vielen Psalmen: Schau doch, Gott! Gib uns nicht dem Tod preis!

Martin Luther zu Gott und Krieg

Luther-Portrait
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Portrait von Martin Luther. Lucas Cranach d.Ä.

Martin Luther hat das Bild vom verborgenen Gott aufgegriffen. Er selbst hat Gott so erlebt: Manchmal dunkel, schrecklich unverständlich. Kein Gott der Liebe, sondern ein Gott, der Krieg zulässt und nicht eingreift, wenn Menschen leiden.

Wenn Gott allmächtig ist, dann folgt daraus: Gott schafft Licht und Finsternis. Gott gibt Frieden und schafft Unheil. (Jesaja 45,7) Die helle und die dunkle Seite Gottes, die friedliche und die unheilvolle.

Luthers Erfahrung und Rat war: Halt dich an die helle Seite! An den Gott, der Licht macht und Frieden bringt. Halte die helle Seite Gottes der dunklen entgegen. Denn Gott hat nicht gesagt: „Es werde Finsternis!“, sondern: „Es werde Licht!“

Gott kann beides: Krieg und Frieden

In der Bibel, im Alten wie im Neuen Testament, finden sich beide Seiten.

Gott ist der rechte Kriegsmann.

So heißt es im Zweiten Buch Mose (15,3). Und Jesus sagt: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ (Matthäus 10,35)

Auf der anderen Seite leuchten in der ganzen Bibel die großen Bilder davon auf, was Gott will: Frieden. Nicht nur Waffenstillstand, der so lange hält, bis man wieder stark genug ist, um erneut loszuschlagen. Sondern ein Frieden, der Hand in Hand geht mit Gerechtigkeit.

Frieden für alle schaffen

Ein Frieden, der die ganze Schöpfung umfasst, so dass der Wolf beim Lamm wohnt, ohne es zu fressen, und ein Säugling am Loch der Otter spielt, ohne dass sie zubeißt. (Jesaja 11)

Eine der schönsten Visionen vom Frieden steht im Prophetenbuch Jesaja: Am Ende der Zeit kommen die Menschen aus allen Nationen am Berg Gottes zusammen. Ein Volk wird sich nicht mehr über das andere erheben.

Sondern sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen.

Waffen sind dann nicht mehr zum Töten da. Waffen werden zu Werkzeugen, mit denen man Lebensmittel gewinnt. „Und sie werden nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“ (Jesaja 2) Krieg muss man also erst einmal lernen. Die Menschheit ist nicht auf ewig dazu verdammt, im anderen den Feind zu sehen.

Theologisches auch bei Pfarrer und Nerd

Wusstest du schon: Martin hat auch einen Podcast! Der heißt Pfarrer und Nerd (P & N). Zusammen mit Sebastian Jakobi (aka der Nerd) produziert er fleißig jede Woche eine neue Folge! Hier kannst du alle Folgen von Pfarrer und Nerd anhören.

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Das ist Gottes Vision für das Ende der Zeit, die jetzt schon wirken soll. Der Segenswunsch im Alten Testament lautet: „Schalom! Frieden!“ Und Jesus sagt in der Bergpredigt: „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Matthäus 5,9)

Frieden ist die Vision. Die Realität sieht anders aus. Auch in der Bibel.

Schon auf den ersten Seiten erschlägt Kain seinen Bruder Abel. (1. Mose 4) Bruderkrieg wie jetzt Russland gegen die Ukraine ist von Anfang an Teil der Welt. Die Menschen sind zum Besten in der Lage und zum Bösesten fähig.

In der Sprache der Bibel heißt das Sünde. Menschen wenden sich von dem ab, was gut wäre, und tun das Schlechte. Sie schaden sich damit selbst und fügen anderen Leid zu.

In der biblischen Erzählung sagt Gott zu Kain: „Die Sünde lauert vor deiner Tür. Du aber herrsche über sie.“ (1. Mose 4,7) Biblisch gesehen haben Menschen die Freiheit zum Guten wie zum Bösen. Sie haben es in der Hand, ob sie das Gewaltpotenzial in sich selbst in die mörderische Tat umsetzen. Sie könnten anders handeln, als ihren Bruder, ihre Mitmenschen auszulöschen.

Krieg bricht nicht aus. Krieg ist keine Naturgewalt, sondern menschengemacht. Es gibt immer jemanden, meistens mehrere, die den Krieg vorbereiten und beginnen – mit den blutigen Folgen, die wir jeden Tag in den Nachrichten sehen. Wir sehen sie.  Die Menschen in der Ukraine, in Syrien, im Jemen, in Afghanistan erleben sie, falls sie sie überleben.

Frieden, dem Krieg zum Trotz

Ich klammere mich an ein Trotzdem: Dem Krieg zum Trotz gibt es einen Frieden, „der höher ist als alle Vernunft“ (Philipper 4,7). Ich klammere mich an die helle Seite Gottes, an Gott, der Licht schafft und der in der Bibel Gott des Friedens heißt.

Wo ist Gott? Die Theodizee-Frage

Warum greift Gott bei all den Krisen nicht ein? Diese Frage lässt die Menschen seit Jahrtausenden nicht los. Im theologischen Kontext spricht man dann von der Theodizee-Frage. Die Kirchen versuchen Antworten darauf zu finden. 

Was die EKHN zur Theodizee-Frage zu sagen hat.

Antwortversuche. Und ein Gebetsversuch: „Wie lange verbirgst du dein Gesicht, Gott des Friedens? Schau doch! Zeig dich!“

Wie gehst du mit dem Thema Krieg um?

In den Nachrichten und auf Social-Media sind wir die ganze Zeit vom Thema Krieg umgeben. Warum das ständige Konsumieren dieser Postings und Nachrichten nicht so gesund ist, und was du dagegen tun kannst, erfährst du in unserem Artikel über Doom-Scrolling.

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