Stell dir vor: Deine Nachbarin muss überraschend ins Krankenhaus. Eine Operation steht an. Kurz bevor das Taxi sie abholt, klingelt die Frau von gegenüber bei ihr. Sie macht nicht viele Worte. Es ist ihr ein Bedürfnis, der Freundin für die Operation noch etwas mit auf den Weg zu geben.
Aus ihrer Handtasche fischt sie einen kleinen Engel aus Holz.
So ein Schutzengel kann doch nicht schaden.
Deine Nachbarin ist gerührt. Sie wird den Engel mit ihrer Hand fest umklammern, wenn das Pflegepersonal sie in den OP-Saal schiebt.
In fast allen Kulturen, im Islam, im Judentum finden sich Schutzbringer. Schutzengel als Helfer Gottes stehen in christlicher Tradition.
Für Psychotherapeut und Religionspsychologe Sebastian Murken ist nicht entscheidend, ob Gott wirkt oder nicht, viel wichtiger ist etwas anderes:
Der Glaube an Gott, der kann sehr wohl wirksam sein.
Sebastian Murken
Der Glaube bringe eine positive Erwartungshaltung, eine positive Wahrnehmungseinstellung mit und bewirke so letztlich einen „hochwirksamen Placebo-Effekt, da gibt es gar keinen Zweifel“.
Und genauso sei es auch mit Schutzengeln.
Für ihn sind all die Schutzbringer eine wichtige Brücke: Sie helfen Menschen, in dieser Welt mit der Energie oder dem, was auch immer auf der anderen Seite existiert, in Verbindung zu gelangen. Und sie alle haben mehr Kraft als ein einzelnes Wort: „Weil wir sinnliche Menschen sind und ein Gedanke oder ein Wort allein nicht so tragfähig sind“, sagt Murken.
Dennoch sei in der christlichen Tradition völlig klar, dass Engel nicht unabhängig sind, sondern von Gott geschickt werden, um eine Botschaft zu überbringen, aber auch um zu retten: „Gott kommt so immer durch die Hintertür ins Spiel.“
Für ihn ist das Gespräch über Engel eine Form, „um über Ängste und Sorgen, aber auch um über Hoffnungen und Erwartungen“ zu sprechen.
Außerdem erleichtern Engel das Gespräch über Glauben: „Ich erkenne an, dass es im Leben auch etwas gibt, was unverfügbar ist.“ Zum Beispiel weiß die Nachbarin nicht, ob ihre Freundin die Operation übersteht, aber sie hat so die Hoffnung, dass nichts passiert.