Es sind 2020 weniger Menschen aus den Kirchen ausgetreten als 2019. Der Grund dafür dürfte aber einzig in der Corona-Pandemie liegen. Wer die Kirche verlassen will, muss seinen Austritt bei einem Besuch der kommunalen Verwaltung erklären. Das war in den zurückliegenden eineinhalb Jahren aber schwer möglich, weil die Ämter nur eingeschränkt offen für den Publikumsverkehr waren. Wochenlang meldeten die Nachrichten, dass in Köln die Termine für den Austritt aus der Kirche vergeben sind. Der Skandal um das Missbrauchsgutachten, das Kardinal Rainer Maria Woelki über Monate unter Verschluss hielt, zeigte hier seine Wirkung.
Kirchen sind relevant und müssen das zeigen
Das sind die negativen Schlagzeilen. Die Kirchen müssen nun dafür sorgen,dass es auch positive gibt, und immer wieder herausstellen, was gelingt.
Sie sind relevant in den Diskussionen über ethische Konflikte wie etwa die Sterbehilfe oder aktuell der sogenannten „24 Stunden-Pflege“. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf die Situation von Geflüchteten, unterstützen mit ihren diakonischen Einrichtungen Schwache und Ausgegrenzte.
Das ist gut so. Aber es muss auch bei den Menschen ankommen.
Der Buchautor Erik Flügge hat bei der Veranstaltung „Zweifeln erlaubt“ der Evangelischen Sonntags-Zeitung in Frankfurt im vergangenen Jahr den Vorschlag gemacht, junge Kirchenmitglieder anzuschreiben, bevor sie ihre erste Lohnabrechnung in den Händen halten. Bevor sie irgendetwas für die Kirche bezahlen, sollen sie wissen, wofür sie das tun. Wie viel Geld fließt in die Ortsgemeinde, wie viel in die Diakonie, was kostet das Engagement für die Kinder- und Jugendarbeit, was der Gebäudeunterhalt und die Verwaltung.
Fehler in der Kirche oft nicht wieder gutzumachen
Das, was gelingt, herausstellen. Und sich klar darüber sein, dass es auf jeden einzelnen Kontakt ankommt. Denn Kirchen haben bei den Einzelnen in der Regel nur eine einzige Chance. Darum müssen sie zeigen, dass sie gute Begleiterinnen an den Übergängen des Lebens sind.
Eltern, die schlechte Erfahrungen bei der Taufe machen, haben wenig Interesse am Familiengottesdienst. Jugendliche, die von der Pfarrerin und dem Pfarrer während ihrer Konfirmandenzeit nicht in ihrer eigenen Lebenswelt abgeholt werden, erkennen nicht die Kraft, die der Glaube für sie haben könnte. Paare, die beim Vorgespräch zu ihrer Trauung nicht erfahren, dass ihnen nicht nur ein Eventmanager, sondern tatsächlich ein Seelsorger, eine Seelsorgerin gegenübersitzt, suchen nicht wieder den Kontakt zur Kirche. Und Angehörige, die Trauerfeiern erleben, bei denen der Pfarrer zwar die Liturgie drauf hat, aber es nicht schafft, aus religiöser Perspektive einen persönlichen Trost zu spenden, bleiben enttäuscht zurück.
Deshalb: Der in vielen Landeskirchen bereits eingeleitete Sparkurs ist richtig. Die Institutionen müssen schlanker werden. Das alleine reicht aber nicht. Die Kirchen müssen deutlich machen, wofür sie stehen – in der Gesellschaft und für die Einzelnen.
Kreativ der Krise in der Kirche begegnen