Die Frau stellt fest, dass es ganz angenehm ist, liegen zu bleiben und sich von der Mutter umsorgen zu lassen. Als diese nach einigen Jahren stirbt, übernimmt ihr Schwager die Betreuung. 40 Jahre lang geht das so. Dann endlich kommt ein neuer Arzt. Er stellt fest, dass die mittlerweile 74-Jährige kerngesund ist. Sie ist dick geworden, die Muskeln schwach.
Nach einem guten halben Jahr ist sie dann aber doch so weit, aufstehen zu können. Mit 78 stirbt sie. Klingt schrägt. Klaus Douglass schwört Stein und Bein, dass die Geschichte stimmt.
Das haben wir doch schon immer so gemacht.
Die Autoren ziehen Analogien zur Kirche. Es sei ja bequem, sich festzulegen auf einen Standpunkt, auf bestimmte Umstände oder eine bestimmte Rolle oder eben auf das Bett der Tradition: „Das haben wir schon immer so gemacht“ oder einer bestimmten Theologie: „Das, was wir machen, funktioniert zwar nicht, ist aber theologisch richtig.“ Und ehe man sich versieht, sei man wie gelähmt.
Der Mann am Teich von Betseda hat feste Vorstellungen davon, wie seine Heilung zu bewerkstelligen sei. Darauf geht Jesus aber gar nicht ein. Alte Rezepte wirken nicht, der Gelähmte soll Neues ausprobieren. Jesus sagt schlicht: „Nimm deine Matte und geh!“ Er ermuntert den Mann, der kraft- und mutlos ist: Du kannst das!
Auch die Kirche hat ihre Kraft verloren
Als kraftlos bezeichnen die Autoren auch die Kirche, nicht nur wegen steigender Austrittszahlen oder schwindender Finanzkraft. Unter den Protestanten kenne kaum jemand mehr die Bibel oder lebe gar mit ihr – bis in die Kirchenvorstände hinein. „Es ist mit Händen zu greifen, dass unsere Kirche ihre Kraft verloren hat“, schreibt Douglass. Das mache sie als evangelischen Patienten vergleichbar mit dem Gelähmten vom Teich.
Wer erwartet eigentlich, dass Gott im Gottesdienst spürbar und erfahrbar wird?
Die Autoren stellen nicht nur Diagnosen, sondern haben auch einen Koffer dabei mit medizinischem Gerät und Medikamenten. Heilung sehen sie in erster Linie in den drei großen B’s: Berührung, Begegnung, Beziehung.
Menschen ließen sich berühren, man müsse es nur versuchen. „Spirituelles wird immer nur der Pfarrperson zugeschrieben“, moniert zum Beispiel Fabian Vogt. „Warum haben wir so wenig Spirituelles auf der Tagesordnung einer Kirchenvorstandssitzung?“, fragt Klaus Douglass. Und weiter: „Wer erwartet eigentlich, dass Gott im Gottesdienst spürbar und erfahrbar wird?“
In der Spiritualität sehen die beiden den wichtigsten Schlüssel für die Zukunft der Kirche. Kirchenvorstände sollten sich wieder als geistliche Gremien begreifen.
Niemand hat von sich aus offene Ohren für Gott
Dabei handele es sich keineswegs um eine natürliche Fähigkeit, sondern das müsse erlernt werden. Mehr denn je bräuchte Kirche Menschen mit einer „mystagogischen Kompetenz“ (Mystagogen waren in der Antike die Priester, die in die Mysterien einführten).