TikTok, Instagram oder Facebook – die sozialen Netzwerke sind voll von Panikmache, Hetze und Ängsten vieler Menschen. Konstruktiver Dialog orientiert an Fakten, anderen zuhören, das ist die Ausnahme. Wenn Meta die Kooperation mit Faktenprüfern beendet und Nutzer und Nutzerinnen von Facebook und Instagram die Online-Inhalte künftig selbst moderieren, kommen bei mir noch mehr Sorgen auf.
Algorithmen beeinflussen, was Menschen zu hören bekommen. Wenn alle das Gefühl haben, ständig im recht zu sein und in ihrer Bubble unterwegs sind, werden sie sich kaum eine differenzierte Meinung bilden. Echo-Kammern verstärken die eigene Position.
Ganz zu schweigen von unzähligen Bots. Denn wer weiß schon, welche Mächte sich hinter den Profilnamen verstecken, die eigentlich nur ein Ziel haben: Die Demokratie zu Fall zu bringen.
Noch dazu begeben sich viele Nutzer und Nutzerinnen ganz bewusst in die Anonymität des Internets. Hinter der Tarnmaske von Nicknames verstecken sich oft hasserfüllte Charaktere, die enthemmt auf andere Menschen verbal einschlagen. Wenn Kommentare nicht mit klaren Namen gekennzeichnet sind, wenn wir unser Gegenüber nicht mehr sehen, wenn Face-to-Face in der Debatte fehlt, gehen Respekt und Wertschätzung im Dialog vollends verloren.
Als sich früher Menschen im öffentlichen Raum zu Diskussionen getroffen haben, war das anders: In Akademien und Volkshochschulen, in Vereinen und vielleicht sogar in der Dorfkneipe herrscht zumeist ein anderer Ton, wenn ich meinem Gegenüber die Meinung ins Gesicht sagen muss.
Der direkte Austausch von Angesicht zu Angesicht fällt flach.
Gerade Jüngeren fehlt das Gegenüber, analysiert der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke: Sie diskutieren in der Regel fast nur noch digital. „Der direkte Austausch von Angesicht zu Angesicht fällt flach, fällt aus. Das finde ich dramatisch.“ Das schade unserer Demokratie, so von Lucke.
Die Verkürzung und Vereinfachung von Botschaften auf wenige Zeichen oder Bildtafeln befördert ein Schwarz-Weiß-Denken. Das wirkt letztlich wie ein Brandbeschleuniger.
Schnell wird deutlich, was verloren geht, wenn Face-to-Face in der Debatte fehlt: Meinungen und Argumente sind wichtig, in einer Debatte gehe es aber auch um Gefühle, so Christiane Tietz bei ihrer Einführung in das Amt als Kirchenpräsidentin. „Gefühle spielen eine große Rolle, wenn wir miteinander sprechen. Fühle ich mich im Gespräch durch das Gegenüber abgelehnt oder bedroht, höre ich nicht mehr zu.“
In einer Diskussion kann niemand die Gefühle anderer leugnen oder die eigenen verbergen. „Gelingt es dem Gegenüber, mir freundlich zugewandt zu bleiben, höre ich wieder zu. Ich traue mich im besten Fall, auch von mir selbst zu reden“ so die neue Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).
Die Kirche selbst müsse immer wieder üben, freundlich zugewandt zu sein: „Mir ist wichtig, dass wir Gelegenheiten schaffen, bei denen Menschen – auch bei politisch umstrittenen Themen – im Gespräch bleiben.“
Kirche muss digitaler Verständigungsort sein