Aberwitzig, wie viel Unglück Hiob ertragen muss. Eigentlich läuft alles gut, sehr gut sogar. Zur Familie des frommen und gottesfürchtigen Mannes gehören sieben Söhne und drei Töchter. Er ist nicht nur wohlhabend, sondern ausgesprochen reich, „reicher als alle, die im Osten wohnten“.
Was heißt das genau? 7.000 Schafe, 3.000 Kamele, 1.000 Rinder und 500 Eselinnen gehören ihm, jede Menge Personal wuselt um ihn herum.
Dann eines Tages die Wende. Vier Boten überbringen ihm schreckliche Nachrichten: Alle seine Kinder sterben, sein Eigentum wird gestohlen, alle Tiere weg. Daher kommt der Begriff „Hiobsbotschaft“. Sein Leben ändert sich von jetzt auf gleich, aus Segen wird Fluch - ohne erkennbaren Grund für ihn.
Und wie reagiert Hiob? Er steht auf, schert sich den Kopf und zerreißt sein Gewand. Im alten Israel ist das ein Zeichen tiefer Trauer. Aber er bleibt fromm wie eh und je, verneigt sich tief vor Gott. „Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren.
Der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen; der Name des Herrn sei gelobt!“
Er lässt das Leid an sich heran und beklagt es aus voller Kehle
Dann wird er auch noch krank, Geschwüre bedecken ihn vom Scheitel bis zur Sohle. Doch er hält weiter an seinem Gott fest. Seine Frau versteht die Welt nicht mehr, verfluchen soll er diesen ungerechten Gott.
Zu dem Zeitpunkt kommen seine Freunde ins Spiel. Sie hören von Hiobs Unglück und kommen sofort angereist. Sieben Tage und Nächte schweigen sie mit ihm, trauern mit ihm, halten diese große Bedrückung aus. Danach „tat Hiob seinen Mund auf“. Damit legt er einen großen Schritt in Richtung Leidbewältigung zurück: Er lässt das Leid an sich heran und beklagt es aus voller Kehle.
Der erste Redeschwall zielt noch ins Leere, dann adressiert er seine Klage an Gott. Er zweifelt nicht an der Existenz Gottes, aber an seiner Güte und Barmherzigkeit. Er wünscht sich weit weg von ihm, verflucht ihn kräftig. Aber er hört nicht auf, mit ihm zu reden. Er lässt nicht ab von Gott, sondern klagt mit Gott gegen Gott.
Die Freunde spielen weiterhin eine wichtige Rolle beim Bewältigungsprozess dieses Unglücks. Sie reden mit ihm, fragen ihn Löcher in den Bauch, fordern ihn auf, Antworten zu finden.
Marlen Bunzel ist Hiobexpertin. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin für Exegese und Theologie des Alten Testaments an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt sagt: Die Freunde wecken damit erst die Widerstandskraft in Hiob. Durch sie finde Hiob die Kraft auszudrücken, dass es schlicht ungerecht ist, was er zu erleiden hat.
Gerade durch sein Zweifeln kommt sein Glaube richtig zum Vorschein
Er glaubt fest an sich, seinen geraden Charakter, seine Unschuld, seine Ehrlichkeit. Vorzuwerfen hat er sich nichts. Hiob ist überzeugt davon, dass Gott wollte, dass es ihn gibt, dass Gott ihn gut geschaffen hat. Das verlangt ihm zwar alles ab, aber er hält stand. Gerade durch dieses Zweifeln, erklärt Bunzel, komme sein Glaube in seiner ganzen Dimension zum Vorschein.