von Juliane Eberwein
Es gibt Momente, in denen sich das Leben innerhalb von Sekundenbruchteilen für immer verändert. Für Heiko Bauder war so ein Moment am 24. Juni 1992.
Heiko Bauder diente damals bei der Bundeswehr. Er ahnte nicht, dass an dem Tag ein Unfall passieren würde, der das Leben seines Kameraden beenden und seines für immer verändern würde.
„Es war ein Tag wie jeder andere. Wir kamen gerade von einer Militärübung zurück, waren total erledigt und froh, dass es vorbei war“, erinnert sich Bauder.
Auf dem Weg zurück hat der 21-jährige Funker ein unbeaufsichtigtes Gewehr an sich genommen. Übermüdet wie er war, habe er es nicht richtig geprüft. Als sich ein Schuss löst, kam gerade der Kamerad aus einem LKW und hat den 20-Jährigen tödlich getroffen.
Was danach kam, hat Bauder fast an seine Grenzen gebracht. „Ich war im Schock. Wurde von der Polizei verhört, musste immer wieder erzählen, was passiert war – aber es fühlte sich an, als würde mir keiner wirklich zuhören“, beschreibt er die Situation von damals. „Sie fragten mich über meine Kindheit, meinen Charakter, meinen Schützenverein – aber für mich zählte nur dieser eine Moment.“
Auch die Presse stürzte sich schnell auf die Geschichte. Die Berichterstattung traf Bauder hart. „Es gab Schlagzeilen wie ‚Übler Scherz mit tödlichen Folgen‘, als hätte ich absichtlich mit der Waffe gespielt“, erinnert er sich. „Diese Missverständnisse haben mir richtig zugesetzt. Ich dachte an die Eltern meines Kameraden. Was mussten die von mir denken, wenn sie solche Sachen gelesen haben?“
Für Bauder begann ein langer, harter innerer Kampf mit Schuld, Scham und Selbstvorwürfen. „Es war, als würde ich diesen Moment immer wieder durchleben.“
Warum habe ich das Gewehr genommen?
„Warum war ich so unachtsam? Diese Fragen haben mich verfolgt. Aber irgendwann musste ich akzeptieren, dass ich das nicht mehr rückgängig machen kann.“
Hilfe kam in Form eines katholischen Militärpfarrers, der Bauder in dieser schweren Zeit unterstützte. „Er war wie ein Fels in der Brandung“, sagt Bauder im Podcast Alpha & Omega. „Er wusste, dass ich erst wieder heilen kann, wenn ich mich dem, was passiert ist, ganz stelle. Und genau das hat er mit mir gemacht – Schritt für Schritt.“