Podcast Alpha & Omega

Heiko Bauder: Schuss mit Todesfolge – und plötzlich ist alles anders

Heiko Bauder sitzt am Tisch bei seinem Besuch beim Podcast Alpha & Omega
Medienhaus

Nach einer Militärübung tötet er aus Versehen seinen Kameraden. 30 Jahre später kann er über den Unfall reden.

von Juliane Eberwein

Es gibt Momente, in denen sich das Leben innerhalb von Sekundenbruchteilen für immer verändert. Für Heiko Bauder war so ein Moment am 24. Juni 1992.

Heiko Bauder diente damals bei der Bundeswehr. Er ahnte nicht, dass an dem Tag ein Unfall passieren würde, der das Leben seines Kameraden beenden und seines für immer verändern würde.

„Es war ein Tag wie jeder andere. Wir kamen gerade von einer Militärübung zurück, waren total erledigt und froh, dass es vorbei war“, erinnert sich Bauder.

„Plötzlich löst sich ein Schuss“

Auf dem Weg zurück hat der 21-jährige Funker ein unbeaufsichtigtes Gewehr an sich genommen. Übermüdet wie er war, habe er es nicht richtig geprüft. Als sich ein Schuss löst, kam gerade der Kamerad aus einem LKW und hat den 20-Jährigen tödlich getroffen.

Was danach kam, hat Bauder fast an seine Grenzen gebracht. „Ich war im Schock. Wurde von der Polizei verhört, musste immer wieder erzählen, was passiert war – aber es fühlte sich an, als würde mir keiner wirklich zuhören“, beschreibt er die Situation von damals. „Sie fragten mich über meine Kindheit, meinen Charakter, meinen Schützenverein – aber für mich zählte nur dieser eine Moment.“

Der Text auf dem Foto berichtet über einen Unfall, bei dem ein Soldat während einer Übung getötet wurde. Überschrift: „Soldat bei Übung getötet“ Untertitel: „Grundregeln für den Umgang mit Waffen nicht beachtet“
privat

Auch die Presse stürzte sich schnell auf die Geschichte. Die Berichterstattung traf Bauder hart. „Es gab Schlagzeilen wie ‚Übler Scherz mit tödlichen Folgen‘, als hätte ich absichtlich mit der Waffe gespielt“, erinnert er sich. „Diese Missverständnisse haben mir richtig zugesetzt. Ich dachte an die Eltern meines Kameraden. Was mussten die von mir denken, wenn sie solche Sachen gelesen haben?“

Zeitungsausschnitt aus der Dülmener Zeitung über den Militärunfall 1992
privat
Bericht aus der Dülmener Zeitung über den Unfall

Mit der Schuld weiterleben

Für Bauder begann ein langer, harter innerer Kampf mit Schuld, Scham und Selbstvorwürfen. „Es war, als würde ich diesen Moment immer wieder durchleben.“

Warum habe ich das Gewehr genommen?

„Warum war ich so unachtsam? Diese Fragen haben mich verfolgt. Aber irgendwann musste ich akzeptieren, dass ich das nicht mehr rückgängig machen kann.“

Hilfe kam in Form eines katholischen Militärpfarrers, der Bauder in dieser schweren Zeit unterstützte. „Er war wie ein Fels in der Brandung“, sagt Bauder im Podcast Alpha & Omega. „Er wusste, dass ich erst wieder heilen kann, wenn ich mich dem, was passiert ist, ganz stelle. Und genau das hat er mit mir gemacht – Schritt für Schritt.“

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Aber es waren nicht nur die emotionalen und psychischen Belastungen, die schwer auf Bauder lasteten. Auch die rechtlichen Konsequenzen waren kein Zuckerschlecken. „Ich wurde zu acht Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt“, erzählt er.

„Aber das Urteil war für mich nicht das Schlimmste. In dem Moment, als ich vor Gericht die Wahrheit gesagt habe, habe ich zum ersten Mal so etwas wie inneren Frieden gespürt“, sagt Heiko Bauder. „Ich wusste, dass ich alles getan hatte, um ehrlich zu sein und Verantwortung zu übernehmen.“

Nach tödlichem Unfall: Rückzug aus dem Leben

Der Weg zurück ins Leben war lang. Bauder zog sich erstmal zurück – von seiner Familie, von Freunden. Doch der Militärpfarrer ermutigte ihn, sich auch den schmerzhaften Orten und Menschen zu stellen, die mit dem Unfall zu tun hatten. „Wir gingen zurück an den Unfallort, sahen uns den LKW an, und besuchten das Grab meines Kameraden.“

Das war unglaublich schwer, aber ich wusste, dass ich nur so weitermachen konnte.

Nach ein paar Jahren fand Heiko Bauder langsam zurück ins Leben. Er fand wieder Freude und lernte neue Menschen kennen. Eine von ihnen war seine heutige Frau. Doch kurz vor der Hochzeit kam ein harter Schicksalsschlag: Seine damalige Verlobte Ella bekam die Diagnose „Hirntumor“. „Das war wie ein Schlag ins Gesicht“, sagt er. „Gerade als es bergauf ging, kam diese schreckliche Nachricht.“

Die Operation war riskant. Das Risiko, dass Ella nicht mehr dieselbe wäre oder sogar sterben könnte, war groß.

Doch sie überlebte. „Es war ein Wunder“, sagt Bauder. Acht Wochen nach der OP standen sie zusammen auf einem Berggipfel – für sie ein Symbol dafür, dass sie diese Hürde gemeinsam überwunden hatten.

Weiterere Schicksalsschläge für Heiko Bauder

Die beiden heirateten, bekamen Kinder. Aber das Leben blieb eine Achterbahnfahrt. Einige Jahre später fiel Bauders Sohn in ein Lagerfeuer und erlitt schwere Verbrennungen. „Da waren sie wieder, die alten Geister“, sagt er. „Man fragt sich: Warum passiert das alles mir? Warum immer meiner Familie?“

Und auch, als Bauder mit zwei seiner drei Kinder im Auto einen schweren Unfall hatte, kämpfte er wieder mit den Schuldgefühlen.

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Die Antwort suchte Bauder schließlich in einer Therapie. „Ich musste lernen, mir selbst zu vergeben“, erklärt er. „Es war eine Reise in die Vergangenheit, zu all dem Schmerz und den Verletzungen, die ich jahrelang verdrängt hatte.“ Dabei sei es nicht nur um den Unfall gegangen, „sondern um all die kleinen und großen Wunden, die sich über die Jahre angesammelt hatten.“

Sich selbst verzeihen lernen

Für Heiko Bauder war der Moment der Selbstvergebung ein Wendepunkt. „Als ich gelernt habe, mir selbst und den Menschen, die mir wehgetan haben, zu vergeben, konnte ich endlich loslassen. Natürlich holen einen die alten Geister manchmal wieder ein, aber ich habe gelernt, damit umzugehen.“

Heute führt Heiko Bauder ein Leben, das er als „frei“ beschreibt. Er hat akzeptiert, dass es keine Garantie für ein Leben ohne Schmerz gibt, aber er weiß auch: „Die Wurzeln sitzen tief. Und auch wenn der Baum mal wankt, er fällt nicht so schnell um.“