Segnung gleichgeschlechtlicher Liebe

Diskriminierung darf keine Gewissensfrage sein

Portrait von Esther Stosch
Kommentar von Esther Stosch

Pfarrpersonen dürfen die Segnung homosexueller Paare ablehnen. Ein Freifahrtschein für Diskriminierung unter dem Deckmantel des Gewissens, sagt Esther.

Da sind vier, mittlerweile drei Pfarrer, in einem Dekanat, die für sich entschieden haben: Ich persönlich möchte keine Menschen miteinander trauen, wenn sie das gleiche Geschlecht haben. Sie begründen dies mit ihrem Gewissen und Verständnis des Glaubens. Und der Beruf ist nunmal eng mit dem Gewissen verbunden.

Das Kirchengesetz gibt ihnen Recht. Das empört mich zutiefst. Denn damit wird Diskriminierung möglich. Diese Regelung steht übrigens in der sogenannten Lebensordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Darin steht, es solle „auf jene Rücksicht genommen werden, denen die Zustimmung zu einer solchen Handlung aufgrund ihrer Glaubensüberzeugung nicht möglich ist.“

Dabei will die Kirche doch die Trauung und schreibt selbst in ihr Kirchengesetz: „Wenn Menschen ihre Liebe zueinander entdecken und sich miteinander verbinden“ wollen, dann sei das ein „Gottesgeschenk“.

Kirchliche Trauung noch immer wichtig für Paare

Die Trauung ist ein Geschenk für die Kirche, denn das ist für viele Paare der Punkt, an dem sie wieder in die Kirche eintreten wollen. Also wenn sie denn zur Ehe auch eine kirchliche Trauung wollen. Und noch zieht das bei den Paaren: Das Schreiten zum Altar, die Pfarrperson, die einen Segen ausspricht, der nicht von dieser Welt ist… für manche Menschen eine Traumvorstellung.

Zur Trauung gehört auch das Traugespräch dazu. Während des Gespräches lernen sich Paar und Pfarrperson kennen und entscheiden darüber, ob alle so zusammenpassen. Das ist auch gut so. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, mich von jemandem trauen zu lassen, die mir unsympathisch ist. Und dazu würde ich auch niemanden zwingen wollen.

Wenn Pfarrpersonen nicht trauen wollen

Trotzdem ist dies kein rein freundschaftliches Gespräch, sondern für die Pfarrperson eine Amtshandlung. In der Situation geht es vor allem auch um das, was der Talar repräsentiert. Und nun darf dieser Talar mich einfach ablehnen. Weil dieser Person meine Sexualität nicht passt?

Sollten Pfarrpersonen homosexuelle Paare nicht trauen dürfen?

Wir haben in unserem Newsletter indeon weekup und auf unserem Instagram-Kanal die Menschen gefragt, wie sie zu der Gewissensfrage stehen. So hat die indeon-Community
► Ja zur Gewissensfreiheit 26%
► Bin mir unsicher 5%
► Nein zur Diskriminierung 69%

Wie stehst du dazu? Schreib uns gerne via Social-Media:

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Das finde ich falsch. Eine Trauung ist keine Gewissensfrage, sondern eine kirchliche Amtshandlung. Wie wäre es denn, wenn diese Pfarrperson meinen Partner ablehnt, weil er eine andere Hautfarbe hätte? Rassistisch. Wie wäre es, wenn mein Partner eine Behinderung hätte und die Pfarrperson uns ablehnt? Ableistisch. Beides völlig inakzeptabel.

Diskriminierung macht krank

Aber wenn ich mit einer Frau vor den Altar wollte, dürfte das abgelehnt werden? In der psychologischen Forschung ist bekannt, dass LGBTQ+-Personen aufgrund von erlebter und erwarteter Diskriminierung und Stigmatisierung einem erhöhten Stressniveau ausgesetzt sind. Das nennt sich Minority Stress Model. Das kann zu einer Vielzahl von psychischen Gesundheitsproblemen wie Depressionen, Angstzuständen und Suizidgedanken führen.

Sexualität ist nichts, was ich mir aussuche.

Aber Diskriminierung aufgrund von Sexualität kann krank machen.

Ist die Bibel homophob?

Wenn die zentrale Botschaft des Christentums Liebe und Nächstenliebe sind, bedeutet das auch, alle Menschen bedingungslos anzunehmen. Also unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Identität.

Kontroverse

Ich habe diesen Kommentar stark verkürzt bereits im Newsletter indeon weekup am 18. März geschrieben. Daraufhin hat mich ein Leserbrief erreicht, dass die Ehe ein Privileg sei, auf das niemand ein Recht habe und deswegen die Entscheidung bei den Pfarrpersonen liegen müsse. Auch wenn ich diese Meinung nicht teile, so finde ich, wir müssen unterschiedliche Standpunkte aushalten. Das ist für ein gutes Miteinander und einen offenen Diskurs unumgänglich.

Auch wenn manche Stellen in der Bibel klar homophob sind, weiß die moderne Theologie und so beteuert die EKHN selbst, dass diese Passagen von einer „antiken Weltsicht“ geprägt sind. Sie sind nicht auf moderne gleichgeschlechtliche Beziehungen anwendbar. Die Bibel ist ein Dokument ihrer Zeit. Geschrieben von Männern ihrer Zeit.

Inklusion und Respekt sollten für Kirche auf allen Ebenen gelten

In der Lebensordnung steht auch, dass ein „Lebensbündnis“ auf „Dauer, auf gegenseitiges Vertrauen und auf Verlässlichkeit“ ausgerichtet ist. Es gehe darum „Liebe und Freude aneinander“ zu haben, sowie die „Bereitschaft, Lasten gemeinsam und stellvertretend füreinander zu tragen“.

Wie können Pfarrpersonen Segen also ablehnen? Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft. Und nicht alles, was jemand tut, muss jedem gefallen. Aber sobald unter dem Deckmantel der Gewissensfreiheit Diskriminierung erlaubt wird, finde ich das problematisch.

Die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare sollte keine Gewissensfrage für Pfarrpersonen sein, sondern eine Selbstverständlichkeit in einer offenen und toleranten Gesellschaft. Es ist an der Zeit, dass die Kirche ihre Praktiken an die Werte von Gleichberechtigung und Respekt anpasst.