Erfahrungsbericht

Ungewollt schwanger: was passiert bei einer Abtreibung?

Frauenärztin spricht mit Patientin
FatCamera
Schwangerschaftsabbruch Gespräch

Ungewollt schwanger, was jetzt?! Diese Frage hat sich Antonia gestellt, als sie mit 21 schwanger wurde. Schnell stand fest, dass sie das Kind nicht bekommen will.

von Annabell Marker

Mit ihrer Entscheidung abzutreiben ist sie bis heute glücklich. Ihre Entscheidung fällt aber unter den Paragraph 218 im Strafgesetzbuch und bleibt nur unter bestimmten Bedingungen straffrei.
Mit welchen Herausforderungen Antonia (Name geändert) zu kämpfen hatte und was das mit §218 zu tun hat, erzählt sie im Gespräch.  

„Ich war nicht bereit für ein Kind“

Weißt du noch, wie sich das für dich angefühlt hat, als du die ersten Symptome der Schwangerschaft gemerkt hast? Was war das für ein Gefühl?

Zuerst habe ich mich erschrocken, weil ich gemerkt habe, dass meine Periode doch wesentlich länger her ist, also dass irgendwas nicht stimmen kann. Und manchmal war das vorher schon mal so, dass sich die Periode zum Beispiel durch Stress ein bisschen verschoben hat. Wenn das so war, habe ich einen Schwangerschaftstest gemacht, um meinen Kopf zu beruhigen und zu signalisieren: „Hey, es ist alles gut, du bist nicht schwanger. Die Periode kann jetzt kommen.“ Und dann kam die Periode auch ein oder zwei Tage später. Nur dieses Mal nicht, da war der Test positiv.

 Wie war deine Lebenssituation, als du ungewollt schwanger wurdest?

Damals war ich ziemlich am Ende meiner Ausbildung zur Erzieherin, im zweiten Jahr, kurz vor der Prüfung. Der nächste Schritt wäre jetzt das Anerkennungsjahr gewesen. Mein Frauenarzt hat die Schwangerschaft in der siebten Woche festgestellt. Etwas gemerkt habe ich aber schon ungefähr in der sechsten Woche. Dann muss man ja aber erstmal einen Termin beim Frauenarzt machen, um festzustellen, ob man tatsächlich offiziell schwanger ist.

 Wie war dein Gedankenprozess bis du die Entscheidung, das Kind nicht zu bekommen, getroffen hast?

Ich habe es damals meinem Partner mitgeteilt und habe erzählt was passiert ist. Für mich war von Anfang an klar, dass ich dieses Kind nicht bekommen möchte. Mein Partner hat mir das damals ganz freigestellt. Er hat auch gesagt, dass wir das Kind zusammen bekommen können. Allerdings war unsere Beziehung damals nicht wirklich gut geklärt und es war auch nicht so die beste Situation. Auch deshalb war für mich ganz klar: Ich möchte dieses Kind nicht bekommen.
Bereut habe ich diese Entscheidung nie. Vor allem wusste ich auch, dass wenn ich dieses Kind jetzt bekomme, ich meine Ausbildung nicht wie geplant fertig machen kann. Ich hatte nicht die finanziellen Mittel und ich fühlte mich emotional auch einfach überhaupt nicht bereit dafür. Ich hätte meinem Kind nicht das Leben bieten und ermöglichen können, wie ich es gewollt hätte. Das waren auch die Gründe, die ich auch bei der Beratungsstelle angegeben habe. Und das war dann auch okay so.

Schwangerschaftsabbruch: „Man muss viel von sich preisgeben“

Du suchst selbst Hilfe zum Thema Schwangerschaftsabbruch?

Die Diakonie bietet kostenfreie und vertrauliche Hilfe und Beratung rund um die Themen Schwangerschaft, Geburt und Empfängnisverhütung. Bei Schwangerschaftskonflikten berät die Diakonie Frankfurt betroffene Frauen hinsichtlich anstehender Entscheidungen. Dort erhalten Frauen auch den für einen Schwangerschaftsabbruch erforderlichen Beratungsschein.  

Welche Schritte musstest du beim Schwangerschaftsabbruch konkret durchlaufen?

Zuerst musste mein Frauenarzt die Schwangerschaft offiziell bestätigen. Mit dieser Bestätigung bin ich dann weiter zu Pro Familia und habe dort das obligatorische Beratungsgespräch vereinbart. Beim Gespräch selbst musste ich dann auch schon meine Gehaltsabrechnungen mitbringen, damit mir die Kosten des Abbruchs übernommen werden.

Die Frau dort war sehr nett. Dennoch musste man wirklich viel über sich erzählen und das war einfach unangenehm. Eine so private Sache, die man vor vielen fremden Menschen preisgeben muss. Mit den Bescheiden über das Beratungsgespräch und den Frauenarztbesuch konnte ich dann nach einer Klinik suchen, die Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.

Weil ich dann bereits nach der neunten Schwangerschaftswoche war, konnte der Abbruch nicht mehr medikamentös durch Tabletten erfolgen. Also wurde er operativ unter Vollnarkose vorgenommen und war daher auch etwas aufwändiger.
Insgesamt empfand ich das alles als überfordernd und als sehr viel. Das war nicht immer leicht.

Abtreibung: Bin ich eine Kriminelle?

Wann bleibt ein Schwangerschaftsabbruch straffrei?

Ein Schwangerschaftsabbruch fällt unter den §218 im Strafgesetzbuch und gilt grundsätzlich als verboten. 
Er bleibt straffrei, wenn:

  • Seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind 
  • Der Eingriff mit Einverständnis der Schwangeren von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt wird 
  • Die Schwangere Person sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle (z.B. Diakonie oder Pro Familia) beraten lässt.

Paragraph 218 sagt, dass Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich strafbar sind und nur unter gewissen Bedingungen als straffrei gelten.
Was löst es emotional in dir aus, dass deine Handlung als strafbar gilt? 

Also kriminell fühle ich mich nicht. Dadurch, dass ich alle Bedingungen erfüllt habe, damit es straffrei bleibt, habe ich auch gar nicht daran gedacht. Daher war das für mich nie ein Problem. Ich hätte es aber total schlimm gefunden, wenn ich unbewusst über die zwölf Wochen gekommen wäre. Das wäre ein echtes Problem gewesen. Ich hätte dieses Kind nicht so bekommen wollen.

Das sagt die evangelische Kirche zu Abtreibung

In der Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Schwangerschaftsabbrüchen heißt es, dass ein Schwangerschaftsabbruch für bestimmte Konstellationen auch außerhalb des Strafrechts denkbar sei. Damit möchte sie der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung folgen, die die individuellen Rechte der Frau stärkt. Gleichzeitig sieht die EKD neben dem Gesetzgeber auch die Gesellschaft für den Schutz des ungeborenen Lebens verantwortlich und möchte dafür sensibilisieren.

Die gesamte Stellungnahme der EKD liest du hier.

Nicht alle Frauen haben eine Wahl

Ich habe verschiedene Gedanken zu § 218.
Einerseits finde ich es gut, dass die Hürden für einen Abbruch etwas höher sind, damit man eine Abtreibung nicht als Verhütungsmethode nutzt.
Andererseits machen mich die Frauen, denen ich in der Abtreibungsklinik im Aufwachraum begegnet bin, etwas nachdenklich. Denn mit mir dort waren Prostituierte, die den Eindruck machten, unfreiwillig und regelmäßig dort zu sein.
Ich denke, mit diesen Menschen macht das dann mehr, als es mit mir gemacht hat. Ich habe diese Entscheidung bewusst getroffen und mich mit dem System auseinandergesetzt. Den Frauen, die ich dort getroffen habe, habe ich angesehen, dass sie dazu ein ganz anderes Verhältnis hatten. Zum Teil wurden sie offensichtlich von Zuhältern abgeholt. Das ist dann schon scheiße, wenn dir immer wieder vorgehalten wird: Ein Schwangerschaftsabbruch ist eigentlich nicht erlaubt, du aber keine andere Wahl hast.

Paragraph 218: Das muss sich ändern

Basierend auf deinen Erlebnissen, was müsste denn aus deiner Perspektive noch passieren, wenn Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Besonders an den Verhütungsmethoden muss sich etwas ändern! Damals wollte ich keine Hormone einnehmen, auch eine Kupferspirale kam nicht infrage, weil ich Angst vor den zunehmenden Menstruationsschmerzen hatte. Daher habe ich meinen Zyklus getrackt. Aber es gibt einfach keine wirklich gute Alternative für die hormonelle Verhütung der Frau. Auch ein Kondom kommt nicht immer für jeden infrage. Ich wünsche mir, dass auf diesem Gebiet weiter geforscht wird, so dass es vielleicht irgendwann Verhütungsmethoden gibt, die das etwas einfacher machen. Im besten Fall ist dann auch eine Methode für den Mann dabei.

Auch an den Schulen muss etwas passieren. Es wäre total hilfreich, wenn das Thema Abtreibung dort anders thematisiert wird. Ich war in meiner Situation völlig ahnungslos und hab erstmal Google gefragt um zu wissen, was ich jetzt überhaupt machen muss. Es ist ja auch keine alltägliche Situation, in der Frau sich da befindet.