Frauen mit Kopftuch sind unterdrückt, Arbeitslose sind faul, und Ukrainer kommen als „Sozialtouristen“ hierher, um Sozialleistungen zu beziehen.
Glaubst du an eine oder mehrere dieser Aussagen? Falls ja, bist du nicht alleine damit. Viele glauben daran. Es handelt sich hierbei um Vorurteile.
Es soll eher heißen: Manchmal zeigen wir sie und manchmal nicht. Es ist so, dass wir alle gewisse Stereotype mit uns herumtragen. Wir Menschen kategorisieren nun mal unsere Umwelt und unsere Mitmenschen, das ist eine Werkseinstellung unseres Gehirns.
Zunächst einmal haben wir ja nicht alle die gleichen impliziten Assoziationen. Und dann haben ja nicht nur die automatischen Prozesse unseres Gehirns Einfluss auf unser Handeln, sondern auch die kontrollierten. Also nicht nur unser Un-, Unter- und Vorbewusstes, sondern auch unser Bewusstes.
Soll heißen: Wir haben so etwas wie einen inneren Richter, der uns sagt, ob das, was wir denken, richtig oder falsch ist.
Diese kontrollierten Prozesse laufen aber wiederum nicht ohne Einflüsse von innen und außen ab. Ob und wie unser innerer Richter funktioniert, hängt vor allem von zwei Faktoren ab:
Die individuelle Intelligenz ist durchaus ein Einflussfaktor, ja. Aber so einfach ist es nicht. Mit kognitiven Ressourcen ist noch mehr gemeint.
Gehirnprozesse brauchen Zeit. Diese Zeit muss man ja erst mal haben. Studien belegen, dass Menschen umso weniger Vorurteile zeigen, je mehr Zeit sie für ihre Entscheidungen bekommen. Sind wir nämlich unter Zeitdruck, greift das Gehirn auf seine automatischen Prozesse zurück.
Außerdem ist unser aller Gehirnkapazität ja beschränkt. Irgendwo ist für uns alle eine Grenze erreicht. Je nachdem, wie viele Dinge mir sonst noch so im Kopf herumschwirren, habe ich eine unterschiedliche Kapazität.
Das heißt: Wenn mich viele Dinge beschäftigen, habe ich weniger Ressourcen, um mich mit meinen Vorurteilen auseinanderzusetzen. Wenn ich mir zum Beispiel Sorgen um meine Zukunft mache, weil ich krank oder arbeitslos bin. Oder weil ich Angst vor einem Atomkrieg habe. Oder vor Corona. Oder vor der Impfung dagegen.
Und jetzt kommt wieder die Leipziger Autoritarismus-Studie von oben ins Spiel. Ihr Titel heißt „Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten“. Uns alle beschäftigen im Moment ziemlich viele unangenehme Dinge:
Nicht die besten Zeiten, um über sich und seine impliziten Assoziationen nachzudenken. Dementsprechend gewinnen sie derzeit mehr Einfluss auf unser Handeln.
Die Logik. Wenn man sich Vorurteile systematisch anschaut, dann sieht man, dass sie eben nicht einheitlich sind. Verschiedene Völker haben verschiedene Vorurteile über ein und die selbe Gruppe. Das wäre ja nicht möglich, wenn diese Vorurteile auf überprüfbaren Tatsachen beruhten.
Das ist ein ziemlich weit verbreitetes Vorurteil gegen alle möglichen Migrantinnen und Migranten. Im Falle von Merz' Behauptung kann es aber so pauschal gar nicht stimmen. Man kann sich nicht einfach in Kyiv in einen Bus setzen, nach Berlin fahren, hier Geld abzocken und wieder zurückfahren. Um nämlich in Deutschland Sozialleistungen zu bekommen, muss man hier seinen Wohnsitz haben.
Dieses Vorurteil ist also recht leicht zu erkennen, wenn man darüber nachdenkt. Man braucht dazu nur ein wenig Zeit.