An der S-Bahn-Station Stadtmitte Stuttgart aussteigen. Nicht weit vom Hospitalhof taucht die Synagoge auf. Von außen ist der Bau unauffällig, die Sicherheitsvorkehrungen sind aus guten Gründen hoch. Vor dem Gebäude steht eine Menschentraube, alle samt Studentinnen fürs Grundschullehramt und die Sekundarstufe eins in Religionspädagogik für islamische Theologie in Ludwigsburg.
Auf den anderen drei Seiten des Raums verläuft eine Empore, auf deren Brüstung verschiedene Tiere und Symbole abgebildet sind. Später erklärt David uns: Sie stehen für die zwölf Stämme Israels. Das Licht in der Synagoge ist wunderschön, warm und vieles ist indirekt beleuchtet.
David beginnt zu erzählen und sagt, dass die Synagoge ein Ort ist, an dem man sich mit Respekt begegne. Dann erklärt der Mann mit den grauen Locken und dem grauen Bart, was wir in der Synagoge sehen. Beispielsweise das ewige Licht, Ner Tamid genannt, unter dem großen bunten Fenster mit dem Stern und über dem Thora-Schrein.
Er erläutert uns, dass es drei Strömungen im Judentum gibt: orthodox, konservativ und liberal. David selbst bezeichnet sich als liberal. Woran man erkennt, dass dies eine orthodoxe Synagoge ist? An der Empore. Denn darauf sitzen während des Gottesdienstes die Besucherinnen, die Männer sitzen unten.
Diese Strömungen sind im Judentum sehr breit definiert und lassen sich nur schwer mit den christlichen Konfessionen vergleichen.
Eine Studentin fragt David, ob er denn als Jude überhaupt eine Kirche betreten darf, denn Moslems und Juden dürften sich ja kein Bild von Gott machen und mit Jesus am Kreuz gäbe es doch ein Bild von Gott. David erklärt, dass es darauf ankommt, wen man fragt. Gerade orthodoxe Juden würden aus diesem Grund tatsächlich keine Kirche betreten, aber eine Moschee wäre kein Problem.
David selbst hingegen ist mit einer evangelischen Frau verheiratet, singt in einem christlichen Kirchenchor mit und betet auch das „Vater unser“. Ihm machen die Musik und das Singen in der Gemeinschaft Spaß, aber er singe nicht alle Lieder des Chors und habe so seine Schwierigkeiten mit der Dreieinigkeit Gottes. Andere Fragen drehen sich um den Schabbat, koscheres Essen, das Tragen der Kippa. Dürfen jüdische Ärzte beispielsweise samstags nicht arbeiten? Doch dürfen sie, denn das Leben geht immer vor, sagt David.
Immer wieder widmen sich Fragen um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Islam, dem Judentum und dem Christentum. Wie stehen die drei Religionen zu Jesus? Wie ist es mit Hochzeiten zwischen den Religionen und Scheidungen vor Gott? Wie ist es, wenn man konvertieren möchte? Die Studentinnen fragen und David erzählt und erzählt, auch wenn er nicht auf jede Frage eine Antwort hat. Außerdem, witzelt er, gelte immer wieder der Satz: „Frag zwei Juden und du hast drei Meinungen.“
Die Dozentin der Studentinnen ergänzt an manchen Stellen. So erfahren wir, dass es nebenan noch eine weitere, kleine Synagoge gibt, für die eher liberalen Juden, wo Frauen und Männer auf gleicher Ebene in der Synagoge sitzen können. Nach dem Gottesdienst treffen sich beide Gruppen oft und essen gemeinsam. Sie versuchen sogar die Länge der Gottesdienste so anzupassen, dass ein gemeinsamer Beginn des Essens möglich ist. David schmunzelt und meint:
Die letzten Male war der orthodoxe Gottesdienst sogar früher fertig.
Auch in Frankfurt gibt es eine große jüdische Gemeinde. Die Jüdische Gemeinde Frankfurt zählt zu den vier größten Jüdischen Gemeinden Deutschlands. Sie hat knapp 6.500 Mitglieder. In Frankfurt unterhält die jüdische Gemeinde ein Gemeindezentrum samt koscherem Restaurant., zwei Kindergärten, Krippen, eine Kindertagesstätte, eine Schule, eine eigene Sozialabteilung sowie ein Jugend- und ein Altenzentrum mit Tagespflege und einer Altenwohnanlage. Die größte Synagoge Frankfurts ist die Westend-Synagoge an der Freiherr-vom-Stein-Straße. Auch durch die Westend-Synagoge werden Führungen für Schulklasse und Einzelpersonen angeboten.