Er wurde am 11. März 1993 in Charkiw, in der Ostukraine, geboren. Als Kind von einer Russin und einem Ukrainer. Mit zwei Jahren kam er nach Deutschland. Nun ist Vassili Golod seit rund einem Jahr ARD-Korrespondent in seinem Geburtsland, der Ukraine. Einem Land mitten im Krieg gegen Russland. Im Interview erzählt er uns, wie es ist, im Ukraine-Krieg als Reporter zu arbeiten und ob man bei all der Brutalität irgendwann auch abstumpft.
Dein Vater kommt aus der Ukraine, deine Mutter aus Russland. Der Krieg geht quasi durch deine Familie, was macht das mit dir?
Vassili Golod: Meine familiäre Situation ist beispielhaft für die von Millionen anderer Menschen. In der ostukrainischen Region Charkiw habe ich eine Frau getroffen, die ihrer russischen Familie die Überreste ihres Wohnhauses gezeigt hat. Es wurde durch russischen Beschuss zerstört und ihre russische Familie hat behauptet, sie hätte das selbst gemacht.
Der Einfluss der russischen Propaganda ist enorm. Ich habe mich journalistisch und im Studium damit auseinandergesetzt. Die konkreten Auswirkungen auf der zwischenmenschlichen Ebene zu beobachten, ist aber jedes Mal ein Wahnsinn, das erschüttert. Das, was ich innerhalb meiner Familie erfahren habe, war und ist für mich die größte Motivation sauber zu recherchieren und gezielte Desinformation mit Fakten zu dechiffrieren.
Du selbst wurdest in Charkiw in der Ostukraine geboren. Die Umgebung von Charkiw war monatelang von russischen Truppen besetzt. Wie schwer fällt dir da journalistische Neutralität?
Vassili Golod: Journalismus ist ein Handwerk. Ein Kölner kann über Köln berichten und eine Fußballerin über Fußball. Zeigen was ist - darauf kommt es als Reporter oder Reporterin an.
Der Krieg macht keine Pause
In deinem Podcast „Machiavelli“ habe ich gehört, dass du in deiner Freizeit in Kyiv gerne fichtst. Wie wichtig ist dieser Ausgleich für dich?
Vassili Golod: Dieser Ausgleich ist enorm wichtig. Nicht nur physisch, sondern vor allem mental. Auf der Planche bin ich ausschließlich auf das Gefecht konzentriert. Aber auch beim Training kommt es regelmäßig vor, dass wir Luftalarm haben. Der Krieg macht keine Pause. Viele Menschen in der Ukraine fühlen sich von Russland terrorisiert.
Du sprichst fließend Russisch. Auch Ukrainisch klappt immer besser, hast du im Podcast gesagt: Hilft dir das, im Reporter-Alltag näher an die Menschen ranzukommen?
Vassili Golod: Die Ukraine hat eine eigene Kultur und die ukrainische Sprache ist ein zentrales Element dieser Kultur. Ich habe viele Ukrainer getroffen, die früher Russisch gesprochen haben, diese Sprache jetzt aber aktiv meiden.
Der Wechsel in die ukrainische Sprache schafft Abgrenzung zu Russland und ein Zugehörigkeitsgefühl innerhalb der Ukraine. Für mich ist es ein Zeichen des Respekts die Sprache meines Berichtsgebiets zu verstehen und hoffentlich bald auch ordentlich zu sprechen.
Du bist jetzt schon längere Zeit in der Ukraine. Machst auch mal Recherchereisen in die gefährlichen, umkämpften Gebiete. Was machen diese Reisen mit dir?
Vassili Golod: Wenn ich auf Friedhöfen Grabsteine von jungen Männern und Frauen sehe, die keine 20 Jahre alt geworden sind, dann trifft mich das jedes Mal.
Im Januar habe ich für unsere Doku „Krieg im Leben“ mit Anton Garbuz gesprochen. Ein IT-Spezialist und junger Familienvater, der sich freiwillig für das Militär gemeldet hat. Im Mai habe ich erfahren, dass er in Bachmut ums Leben gekommen ist. In zerstörten Schulen zu stehen, Artilleriebeschuss zu hören und Menschen zu begegnen, die ihre Liebsten verloren haben - natürlich ist das bewegend.