Dass in Sachen Medienkompetenz deutsche Schulen weit hinter die Anforderungen des Alltags junger Menschen zurückgefallen sind, sah man spätestens während Corona, als die Generation Overheadprojektor plötzlich TEAMS benutzten musste. Daher überrascht es nicht, dass Schüler:innen im Netz auf sich allein gestellt sind und „die AfD auf TikTok bei den Erstwählerinnen und Erstwählern doppelt so erfolgreich [ist], wie alle anderen Parteien zusammen“ – was eine Studie der Uni Potsdam ergab. Die hat Mediennutzung vor den Landtagswahlen 2024 in Ostdeutschland untersucht. In Thüringen wurde der gesichert rechtsextreme AfD-Landesverband unter Jugendlichen mit 38 Prozent sogar stärkste Kraft – was sicher auch der dominierenden Präsenz der AfD bei TikTok geschuldet ist. Der Sturm an Fake News und plumper Hetze bildet eine Filterblase, in der sich junge Menschen verlieren. Wenn jeden Tag der Untergang prophezeit wird und jede News den Abgrund abzeichnet radikalisiert sich eine Generation: Zur Wahl von Parteien, die von Menschen geprägt werden, die man gerichtsfest Faschisten nennen darf.
TikTok: Gore und politischer Brain Rot
Aber nicht nur inländische Antidemokrat:innen vergiften den politischen Diskurs mit den durchschnittlich 42 Sekunden langen Videos. Von der radikalislamischen Hamas bis Putins Unrechtsregime haben autoritäre Akteure erkannt, dass aus Meinung Wähler:innenstimmen und aus Fake News Fakten werden. Ungefilterte Bilder aus Kriegsgebieten, Falschmeldungen und extremistische Botschaften rutschen so genauso über die Displays, wie Jugendliche, die zu Rosé und Bruno Mars tanzen. Das zeigt Wirkung: So sagt es eine repräsentative Umfrage des Institut Allensbach im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Dabei kam heraus, dass gerade Nutzer:innen von TikTok weniger misstrauisch sind als die Konsument:innen anderer Medien. So glauben „mehr als ein Drittel aller TikTok-Nutzer […] Russland habe ein größeres Interesse an Frieden in der Ukraine als der Westen“. Dabei ist es die russische Seite, die das Gemetzel morgen beenden könnte. Auch im Kreml weiß man: Niemand ist immun gegen Propaganda, weswegen das stärkste Pferd im Stall der Desinformation in die Wurst muss.
China in deinen DMs
Dabei ist das, was TikToks Algorithmus ausspielt, nicht das einzige Problem. Viel grundlegender ist es die App selbst, die zum trojanischen Pferd werden könnte: Vom Standort über Kontakte bis zum Browserverlauf bedient sich TikTok (großzügig) an den Daten seiner Nutzer:innnen. Dass diese Daten, zumindest von amerikanischen Nutzer:innen nach China fließen, zeigt eine Recherche von Buzzfeed News. Zwar verschlingen Facebook, X (bei mir immer noch Twitter) und Instagram auch gierig Daten und bieten zunehmend Rechtspopulisten eine widerspruchsfreie Plattform, doch die USA sind (noch) ein funktionierender Rechtsstaat und die Chance, dass in vier Jahren eine demokratische Regierung den Kurs der Social Media Giganten zurrechtrückt, ist definitiv größer als die Hoffnung auf eine liberale Demokratie in China.
TikTok – deine Zeit ist abgelaufen
Der unangenehme Mix aus Verschwörungserzählungen, Hetze und Propaganda, gepaart mit der undurchsichtigen Struktur der App und ihrer Entwickler:innen macht TikTok zu einem viralen Problem unserer Demokratie und gefährdet Nutzer:innen und alle die diesen zusammenleben müssen.