Was ist der richtige Schritt?

Antwort auf die Massaker im Ukraine-Krieg

Nils Sandrisser
Kommentar von Nils Sandrisser

Nach Butscha, Borodjanka, Irpin und Kramatorsk werden Rufe nach neuen Sanktionen und Waffen für die Ukraine laut. Auch aus den Kirchen. Ganz so einfach ist aber weder das eine noch das andere.

Die Bilder aus Butscha, Irpin, Borodjanka und Kramatorsk machen fassungslos. Hunderte Menschen, getötet und zuvor teilweise gefoltert mutmaßlich von russischen Soldaten. Diese Gräueltaten verlangen nach einer Antwort. Die Frage ist, welche angemessen wäre.

Zweifelhafte Wirkung von Sanktionen gegenüber Russland

Nach dem Massaker von Butscha hat die EU weitere Sanktionen gegen Russland angekündigt. Man darf durchaus skeptisch sein, ob die zielführend sind, wenn der Import von Öl und Gas außen vor bliebe. Denn entscheidend für Putins Fähigkeit, den Krieg weiterzuführen, ist neben Geld sein Rückhalt in der russischen Bevölkerung.

Das Levada-Zentrum, ein einigermaßen unabhängiges russisches Meinungsforschungsinstitut, hat vor einigen Tagen festgestellt, dass Putins Zustimmungswerte seit Kriegsbeginn sogar gestiegen sind.

Mittlerweile unterstützen rund 81 Prozent der Russen den Überfall auf die Ukraine. Und das, obwohl die bisherigen Sanktionen die Menschen in Russland empfindlich treffen – oder genau deswegen. Die Kreml-Propaganda schafft es bislang ziemlich gut, die leeren Regale und die hohe Inflation als die Schuld des Westens darzustellen. Sanktionen schwächen Putin momentan also nicht, sondern stärken ihn.

Massaker verhindern: Ukrainische Armee muss stärker werden

Will man weitere Massaker verhindern, wäre es besser, die ukrainische Armee zu unterstützen. In Gebieten, die sie kontrolliert, können russische Soldaten nicht morden. Und militärische Niederlagen lassen den Rückhalt Putins bei seinen eigenen Leuten ziemlich sicher bröckeln.

Das hieße jedoch, dass der Westen mehr Waffen liefern müsste.

Christliche Friedensethik: Waffen für die Ukraine?

Für Christinnen und Christen ist das ein schwer verdaulicher Gedanke. Für die Kirche wäre eine Befürwortung von Waffenlieferungen eine Abkehr ihrer Haltung, die vor dem Angriff auf die Ukraine vorherrschend war, wonach Waffen dem Frieden grundsätzlich abträglich seien. Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann hat diese Haltung jüngst bekräftigt.

Gleichwohl haben einige Kirchenleute die harten Realitäten bereits anerkannt. EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus und der rheinische Präses Thorsten Latzel haben ihr Gewissen befragt und befunden, es sei nötig, der Ukraine Waffen zu liefern. 

Thorsten Latzel sprach von „Verteidigungswaffen“.

Angriffs- und Verteidigungswaffen im Ukraine-Krieg?

Hier allerdings macht Latzel einen Unterschied, wo es oft keinen gibt. Luftabwehrraketen mögen recht eindeutig Verteidigungswaffen sein.

Bei einem Panzer ist das schon nicht mehr so klar, aber da die Ukraine mit Panzern angegriffen wird, braucht sie auch welche, um sich zu verteidigen, um verlorenes Territorium zurückzuerobern. Ob eine Waffe dem Angriff oder der Verteidigung dient, liegt in der Regel in der Hand des Soldaten, der diese Waffe abfeuert.

Deine Meinung zu Waffenlieferungen?

Was denkst du? Sind Waffen für die Ukraine okay? Und wenn ja, was genau? Teile mit uns deine Meinung via Social-Media auf: 

Instagram

Facebook

Twitter

Abgesehen von Gewehren oder Panzerfäusten, deren Bedienung leicht zu erlernen ist, wären deutsche Waffen den Ukrainern kaum dienlich. Bei älteren Panzermodellen mag das noch angehen, aber moderne Waffen wie zum Beispiel Flugabwehrraketensysteme – für die die Ukraine dringenden Bedarf angemeldet hat – setzen eine monatelange Ausbildung voraus, ehe man damit einen Schuss abgeben kann.

Und dann ist da noch das logistische Problem: Westliche Panzer stünden nach spätestens einer Woche nutzlos herum, weil Ersatzteile und die ausgebildeten Mechaniker fehlen, die sie reparieren könnten.

Ersatz für ältere Waffensysteme

Besser wäre es, den Ukrainern Waffen aus sowjetischer Produktion zu liefern, die sie bereits kennen und einsetzen. Die ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts wie Polen, Tschechien oder Bulgarien haben solche Panzer und Flugabwehr noch in ihren Arsenalen. Die könnten sie in die Ukraine liefern. 

Deutschland könnte im Gegenzug diesen Staaten Ersatz aus eigener Produktion zur Verfügung stellen. Teilweise geschieht das ja bereits.

Auch wenn deutsche Panzer dann nicht mitkämpfen würden: Viele Ethikerinnen und Ethiker der Kirche müssen alte Gewissheiten überdenken.