Frühe Mutterschaft

Mit 17 Jahren Mama – Erfahrungen einer jungen Frau

Karlas Tochter von Hinten auf einem Sattel. Man sieht nur Helm und blonde Locken darunter.
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Karlas Tochter flitzt durch die Straße.

Mit 16 Jahren schwanger: Karla entscheidet sich für das Kind und schafft ihr Abitur mit einem Schnitt von 1,7. Wie hat sie das geschafft?

Karla Kristen ist 23 Jahre alt und Mutter von zwei Töchtern (5 und 2 Jahre alt). Mit ihrer ersten Tochter, Ida, wird sie ungewollt schwanger. Sie entscheidet sich mit 16 Jahren gegen eine Abtreibung und für das Baby. Im September 2017 kommt das Mädchen zur Welt.

Was sich verändert, wenn Teenies Eltern werden

Der Alltag von dem jungen Paar verändert sich radikal. Das Glück: Karlas Mutter ist Hebamme und eine große Unterstützung für die junge Familie. Im Interview mit Redakteurin Charlotte Mattes erzählt Karla wie die frühe Mutterschaft ihr Leben verändert hat.

Karla stillt ihre beiden Töchter parallel. Sie sitzt in ihrer Wohnung. Im Hintergrund ist ein Bücherregal zu sehen.
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„In der Bubble, in der ich bin, links und jung, da ist es nicht so en vogue Kinder zu bekommen, wegen der Veränderung der Welt, dem Klimawandel. Man muss sich ja auch die Frage stellen, in welche Welt man seine Kinder entlässt.“

Karla, als du erfahren hast, dass du schwanger bist, warst du 16 Jahre alt. Wie ging es dir damit?

Karla Kristen: Der erste Schwangerschaftstest war negativ. Dann habe ich geträumt, dass ich schwanger bin und nach einer Woche war der zweite Test tatsächlich positiv. Ich habe das am Anfang gar nicht geglaubt und bin Kreise in der Wohnung gelaufen.

Wie alt sind Frauen in Deutschland bei der Geburt?

Im Durchschnitt sind Frauen 30,5 Jahre alt, bei der Geburt des ersten Kindes. Im Jahr 2017, als Karla ihr Kind entbunden hat, gab es noch weitere 2.841 Frauen, die unter 18 Jahre alt waren und Mutter wurden. Und laut destatis.de wurden im Jahr 2017 insgesamt 784.884 Kinder geboren.

Quelledestatis.de, das Statistische Bundesamt

Was war deine größte Angst?

Karla Kristen: Dass ich es nicht schaffe, ein Leben zu führen, wie die anderen in meinem Alter: Abi machen, die Abi-Fahrt, einen Austausch nach Israel, feiern gehen, sich frei und jung fühlen.Aber auch ein Studium zu beginnen. Also ich hatte Angst davor, ein Leben führen zu müssen, dass sich von dem meiner Freund:innen stark unterscheidet.

Warum hast du dich für dein Kind entschieden?

Karla Kristen: In den ersten Stunden und Tagen haben sich meine Gefühle und Meinungen dazu stündlich geändert. Von „Ich schaffe das alles, bis hin zu, das geht auf keinen Fall- ich muss abtreiben“. Das war ein Auf und Ab der Gefühle. Ja zu sagen, war zum größten Teil Bauchgefühl. Mein Freundeskreis hat sich sehr gefreut. Sie haben mich beeinflusst und gesagt:

 Wenn es eine schafft, dann du!

Da konnte ich mich auch zum ersten Mal etwas freuen. Es gab nicht den einen Moment der Entscheidung, sondern das war ein Hereinfinden.

Bei der Geburt hat dich deine Mutter als Hebamme unterstützt. Wie ging es dir, als du deine kleine Ida im Arm hattest?

Karla Kristen: Als sie da war, war ich super glücklich, aber es war nicht so, wie ich es erwartet hatte. Die Verbindung zu meiner Tochter habe ich erst in den Wochen danach krass gespürt.

Karla Kristen steht im Freien mit Baby Ida. Sie lacht in die Kamera.
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„Die ersten zwei Jahre gings mir auch schlecht, weil ich mich isoliert gefühlt habe, mit so einem kleinem Baby. Da habe ich mich sehr einsam gefühlt.“

Was waren denn Reaktionen von Mitschüler:innen und Lehrer:innen auf deine Schwangerschaft?

Karla Kristen: Ich bin die Erste, die an meiner Schule schwanger geworden ist. Beziehungsweise eine Schwangerschaft ausgetragen hat. Es wurde bestimmt geredet, aber ich war da sehr mit mir selbst beschäftigt. Es gab aber eine Situation, da erinnere ich mich bis heute dran.

Wir waren mit unserer Lehrerin am Flughafen und als ich Zweifel daran hatte, ob ich durch den Metalldetektor gehen darf, hat sie gesagt: „Karla, du bist nicht die erste Schwangere auf der Welt, die da durch geht. Entscheide dich jetzt einfach.“

Es war generell ein Balanceakt zwischen: Ich will so sein wie alle anderen, aber ich bin nicht wie alle anderen.

Schulstress bei der sehr jungen Mutter

Wie sah dein Alltag mit der kleinen Ida aus?

Karla Kristen: Nach 14 Tagen habe ich die erste Deutsch-LK-Klausur geschrieben. Unter der Geburt und während des Stillens habe ich noch Goethe gelesen. Und nach dem Mutterschutz bin ich wieder in die Schule gegangen. Ich habe morgens meine Muttermilch abgepumpt, in den Pausen auch. In der großen Pause kam meine Mutter mit Ida und ich habe sie gestillt.

Gegen 17 Uhr war ich zu Hause, habe wieder gestillt und zu Abend gegessen. Danach haben wir versucht Ida ins Bett zu bringen, was zu dem Zeitpunkt noch nicht so gut geklappt hat. Mein Freund und ich haben noch bis zwölf Uhr nachts gelernt. Dann haben wir geschlafen, wie man halt so schläft, mit einem Säugling. Um 5:30 Uhr sind wir wieder aufgestanden. Mein Leben bestand viel aus Abpumpen, wenig Schlaf und viel Anstrengung. Das war ein Jahr, das mir gezeigt hat, wie viel ich schaffen kann, auch mit Kind.  

Ich habe ein 1,7er Abi hingekriegt, das war wild.

Ich war aber am Ende so ausgebrannt, dass die Freude darüber dann gar nicht mehr so präsent war. Weil ich dachte, Hauptsache es ist vorbei!

Haben sich deine Sorgen wie sich dein Leben negativ ändern könnte, im Alltag bewahrheitet?

Karla Kristen: Ich habe eine sehr privilegierte Situation. Ich bin noch mit dem Vater der Kinder zusammen und meine Mutter hat mich stark unterstützt. Durch die Beiden konnte ich Dinge machen, die mir wichtig sind. Aber natürlich in einem völlig anderem Rahmen und anders als vorher.

Ich war nicht mehr spontan, musste mich immer um einen Babysitter kümmern. Ein Abend an dem man Feiern geht, ist natürlich nicht mehr der gleiche. Denn du weißt, spätestens um 8 Uhr ist das Kind wach. Da ist schon etwas Leichtigkeit verloren gegangen.

Es hat sich mir auch gezeigt, wer meine echten Freund:innen sind. Aus dieser Zeit sind maximal drei Freund:innen übrig geblieben. Viele haben mir vorher gesagt, dass sie bleiben. Aber das Committment konnten dann doch nicht so viele eingehen.

Hilfe bei ungewollter Schwangerschaft

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… trotzdem habt ihr euch für ein zweites Kind entschieden, warum?

Karla Kristen: Das war eine spontane Entscheidung und es hat sich richtig angefühlt. Wir waren ja nun schon Eltern, und haben gesehen: Wir funktionieren als Eltern und die beiden Mädchen sind auch toll zusammen. Die Veränderung von kein Kind auf ein Kind ist viel drastischer, als die Veränderung von einem Kind auf zwei Kinder.

Am 14. Mai ist Muttertag – Was sind deine Wünsche als zweifache Mutter? 

Karla Kristen: Ich würde mir wünschen, dass es viel mehr Betreuung für Kinder an Arbeitsplätzen gibt. Eine positive Einstellung, wenn Menschen sagen: Ich habe Kinder. Außerdem mehr Sonderurlaubstage für Eltern, bessere Bezahlung für Betreuungspersonen. Und es müsste eine viel größere Lobby für Eltern geben.