von Fynn Hornberg
Spucken, Beleidigungen, tätliche Angriffe und Morddrohungen - immer wieder sind Schiedsrichter im Amateurfußball davon betroffen. Ein erschreckender Trend, Tendenz steigend.
Im Oktober 2022 leitete Luc zusammen mit seinen beiden Assistenten ein Spiel in der Bezirksliga. Soweit nichts Ungewöhnliches. Das Spiel wurde im Hamburger Bezirk Süderelbe ausgetragen und zu Gast war eine Mannschaft aus Wilhelmsburg, einem sozialen Brennpunkt. Der Einfluss war auch auf dem Platz zu sehen. Es war von Anfang an ein ruppiges Spiel. „Besonders die Wilhelmsburger haben einen harten Fußball gespielt und auch von draußen kamen schon einige Kommentare“, erzählt Luc.
Er hat versucht mir eine Kopfnuss zu geben.
Nach 70 Minuten stand es bereits 4:1 für die Gastgeber, das Spiel schien entschieden. Trotzdem musste der Hamburger Schiedsrichter nach einem Foulspiel im Strafraum auf Elfmeter für die Heimmannschaft entscheiden – 5:1. Als Luc auf dem Rückweg zum Mittelkreis ist, lässt ein Spieler von der Gästemannschaft aus Wilhelmsburg seinen Frust raus. „Der hat dann nur ganz leise gesagt: Berne ist klein – mehrmals“, erinnert sich Luc an die Situation.
Der Spieler bekam für die verbale Drohung die Gelbe Karte. Da er schon verwarnt war, ging es folgerichtig mit Gelb-Rot vom Platz. Dann eskalierte es, erzählt Luc Herrmann: „Als ich ihm die Gelb-Rote Karte gezeigt habe, ist er schon richtig wütend geworden und hat dann plötzlich versucht mir eine Kopfnuss zu geben. Er ist dann mit dem ganzen Körper ruckartig nach vorne gekommen, sodass ich zurückweichen musste.“ Der Spieler kann nur noch von seinen Teamkameraden aufgehalten werden.
Damit aber nicht genug. Lucs Assistent wurde an der Seitenlinie zeitgleich massiv von den Zuschauern beleidigt. Allerdings konnte der junge Schiedsrichter nicht viel tun, außer das Gespräch suchen. Plötzlich kamen aber immer mehr Zuschauer und Sympathisanten der Wilhelmsburger auf den Platz und bedrängten das Schiedsrichtergespann – der wütende Mob versperrte den Weg zur Kabine.
„Da kamen dann Beleidigungen wie ‚Arschloch‘, ‚Hurensohn‘, ‚wollt ihr sterben‘ und ‚ihr kommt hier nicht lebend runter‘“, erzählt Luc nach einem Blick in das Spielprotokoll. Der junge Schiedsrichter brach das Spiel ab. Kurz darauf traf die Polizei ein. Unter Polizeischutz ging es erst in die Kabine und dann zum Auto. „Die Leute sind sogar noch hinter uns hergelaufen, obwohl wir von der Polizei zum Auto begleitet wurden“, erinnert sich der 23-Jährige.
Szenen wie diese sind leider keine Seltenheit mehr auf deutschen Amateurplätzen bestätigt der Lagebericht vom Deutschen Fußball-Bund. Und auch ein Grund, warum immer mehr Ehrenamtliche fehlen. Als Schiedsrichter gibt es grade mal eine kleine Aufwandsentschädigung, am Ende stehen sie in ihrer Freizeit auf dem Platz und leiten die Spiele.
Fest steht: Ohne Schiedsrichter kann kein Fußball auf Wettbewerbsebene gespielt werden. Um wieder mehr junge Menschen für das Ehrenamt zu gewinnen, spielt der Hessische Fußballverband (HFV) mit dem Gedanken das Einstiegsalter für Schiris runterzusetzen.
Das kann Schiedsrichter Luc bestätigen. Als er etwa 14/15 Jahre alt war, sei er eher ein sehr ruhiger und zurückhaltender Typ gewesen. Aber auf dem Platz kann er entscheiden, auch deswegen bereitet ihm die Schiedsrichterei so viel Freude – 93 Einsätze in einer Saison, das sind ungefähr zwei Spiele pro Woche. „Mir macht es einfach Spaß in diesem Moment die Entscheidung zu treffen und auch persönlich konnte ich mich, was meine Körpersprache betrifft, unglaublich gut weiterentwickeln.“
Dazu kommt der Teamgedanke immer als Gespann mit den Assistenten unterwegs zu sein, da können ihn auch solche erschreckenden Gewalterfahrungen auf dem Platz nicht entmutigen. „Ich glaube das Ganze ist ziemlich an mir abgeprallt und ich habe eine Woche später schon wieder gepfiffen“, ergänzt der 23-Jährige.