Der Muttertag wird kommerzialisiert und geschlechtlich stereotypisiert. Davon ist Barbara Thiessen überzeugt. Noch immer leisteten die Frauen den Großteil der Care-Arbeit, dass Männer und Kinder sich von der Hausarbeit überwiegend fernhielten, werde nicht weiter thematisiert, sagt die Professorin für Soziale Arbeit und Gender Studies an der Hochschule Landshut zum Muttertag.
Frauen bräuchten weder Blumen noch Rabattgutscheine für Haushaltsgeräte oder Sprüche, die auf die vermeintliche Selbstlosigkeit und Bedürfnislosigkeit der Mütter abzielten, sagte Thiessen. Sie betonte aber auch, dass Geschenke von Kindern für ihre Mütter bei der Diskussion nicht entwertet werden dürften.
Thiessen kritisierte Kitas und Grundschulen, an denen zum Muttertag entlang von Stereotypen gebastelt und gemalt werde. Damit würden Geschlechtermuster der 1950er Jahren transportiert, ohne auf die jeweilige Familiensituation der Kinder einzugehen. Denn es gebe alleinerziehende Väter oder Familien, in denen in erster Linie die Väter die Kinderbetreuung übernehmen. "Bastelorgien" zum Vatertag gebe es dagegen eher nicht, sagte Thiessen.
Thiessen verwies auch auf die historischen Wurzeln des Muttertages. Die bürgerliche Frauenbewegung habe Muttersein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts politisiert. In den USA sei erstmals der Muttertag 1908 gefeiert worden. Seit 1914 ist er dort offizieller Feiertag. Die Frauen wollten auf gesundheitliche Missstände in Arbeiterfamilien hinweisen und vertraten pazifistische Anliegen, so Thiessen.