Familie

Erfahrungsbericht: Aufwachsen ohne Mutter

Wiebke steht mit ihrer Tochter am Meer und genießt die Zeit zusammen
privat
Wiebke mit ihrer Tochter am Meer

Aufwachsen ohne Mutter? Wiebke hat ihre Mutter als Kind verloren und erzählt, wie das ihr Leben verändert hat.

Es gibt Tage, die vergisst man nicht. Tage an denen die Welt Kopf steht. Tage an denen man einfach nicht weiß, wie es weiter gehen soll. Der Tag an dem ihre Mutter starb war für Wiebke so ein Tag. „Von der Diagnose der Depression bis zu ihrem Todeszeitpunkt lag nur eine Woche“, erzählt sie.

Was passiert, wenn Mama stirbt…

Danach war alles anders. Neben der Traurigkeit, den Emotionen und all den Momenten, in denen sie dachte, dass das Leben nicht weiter geht, ging das Leben für Wiebke eben doch weiter

Sorgentelefon

Du hast Sorgen und weißt nicht mehr weiter? Deine Ängste wachsen dir über den Kopf? Du bist einsam und weißt nicht, mit wem du reden sollst? Dann zögere nicht, dich an die Telefonseelsorge zu wenden. Du erreichast sie per Telefon 0800 / 111 0 111 , 0800 / 111 0 222 oder 116 123 oder per Mail und Chat.

Wiebke ist 14 als ihre Mutter Suizid begeht, ihr Bruder 11. Von da an hat sie nur noch ihren Vater als Elternteil. Neben all der Trauer musste die Familie auch viele Fragen des alltäglichen Lebens klären:

  • Wohin gehen die Kinder nach der Schule zum Mittagessen?
  • Wer fährt sie zu Terminen, wie dem Kieferorthopäden oder zu den Hobbys?
  • Wie wird der Haushalt aufgeteilt?

Bei uns war es ganz klassisch aufgeteilt. Mein Vater ging arbeiten und Mama hat sich um uns Kinder und den Haushalt gekümmert. Nach Mamas Tod, hat Papa sich einzelne Homeoffice-Tage genommen“, erklärt Wiebke. „In dieser schwierigen Situation hat uns unser Umfeld getragen. Das war wirklich toll! Wir konnten nach der Schule beispielsweise mit zu Freunden gehen, dort mitessen und gemeinsam Hausaufgaben machen.“

An Muttertag fehlt die verstorbene Mutter besonders

Wiebke mit ihrer Tochter auf dem Arm
prviat
Wiebkes Mutter starb, als sie noch ein Kind war. In der Schwangerschaft hat sie ihre Mutter sehr vermisst.

Den Verlust der Mutter merkt Wiebke an vielen Stellen. Ein Tag an dem es besonders schwierig ist, war immer Muttertag.

Wiebke sagt: „Für mich war Muttertag immer etwas ganz Besonderes. Ich habe schon sehr früh eine tiefe Dankbarkeit für meine Mutter und was sie alles für uns geleistet hat, verspürt. Deshalb war es mir immer ein Anliegen ihr da ein besonderes Geschenk zu machen.“

Muttertag: Vor dem Tod der Mutter ein besonders schöner Tag

So haben Wiebke und ihr jüngerer Bruder an Muttertag immer das Wohnzimmer dekoriert – mit ganz vielen Herzen. In die haben sie reingeschrieben, was sie an ihr wertschätzen und lieben. Außerdem haben die Kinder den Muttertag geplant. „Meistens haben wir eine Fahrradtour mit Picknick gemacht, weil sie immer gern Fahrrad gefahren ist“, berichtet Wiebke.

Der erste Muttertag nach ihrem Tod war für mich einer der schlimmsten Tage überhaupt.

Der Tag hat ihr „nochmal vor Augen geführt, dass sie nicht mehr da ist, dass ich ihr nicht mehr zeigen kann, wie gern ich sie habe und ich nur noch zu einem Grab gehen kann“.

Entsprechend schwer war es für sie zu sehen, wie andere Familien den Muttertag ganz normal gefeiert haben. „Generell war das damals eine sehr schwere Zeit.“ Aber an so einem Tag war für sie besonders präsent: „Für mich war da eine große Leere, denn ich hatte keine Mutter mehr, der ich  sagen kann, wie lieb ich sie habe.“

Rituale für den Muttertag ohne Mama

Wiebke hat für sich Rituale entwickelt, wie sie mit dem Muttertag besser umgehen konnte. So hat sie beispielsweise ein Blumengesteck beim Floristen bestellt, einen Brief geschrieben und ist zum Grab gegangen. „Ich hab ihr dann quasi das, was ich ihr gern gesagt hätte, ans Grab gebracht und dort eine Weile Zeit mit ihr verbracht.“ Wichtig war Wiebke, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Wenn auch auf eine andere Art als früher.

Mit den Jahren hat sie sich immer mehr den Erinnerungen an ihre Mutter zugewendet. Denn trotz des Verlusts liebt sie ihre Mutter und ist ihr dankbar. 2023 ist das Jahr in dem Wiebke genauso viele Jahre mit, wie ohne ihre Mutter verbracht hat. Wiebke ist jetzt 28 und inzwischen selbst Mama von zwei kleinen Mädchen.

Was Mutterschaft bedeutet

Wiebke mit ihrer Mutter im Urlaub
privat
Nach dem Tod ihrer Mutter musste Wiebkes Vater alleine die Kinder großziehen.

Damit hat der Muttertag für sie noch einmal eine neue, andere Bedeutung bekommen. „Das Band, was Mutter und Tochter verbindet, war für mich mit dem Tod meiner Mutter gestorben und mit viel Traurigkeit besetzt. Doch mit meiner eigenen Tochter ist dieses Band nochmal neu aufgelebt, wenn auch in einer anderen Konstellation“, berichtet Wiebke von ihren Erfahrungen.

„Auch jetzt, wo ich meine eigene Tochter beim Aufwachsen begleite, ist es immer wieder mal schwer. Anders als andere kann ich mich eben nicht mit meiner Mutter austauschen. Und die Erinnerungen meines Vaters verschwimmen manchmal.“ Besonders schwer war das für sie in ihrer ersten Schwangerschaft. Heute geht Wiebke mit ihren Töchtern oft ans Grab ihrer Mutter.

Ich habe dann oft Tränen in den Augen, weil ich sie so gern als Oma gesehen hätte.

Noch sind ihre Töchter zu klein, um die Bedeutung des Muttertags zu verstehen oder Geschenke zu basteln. „Mein Mann übernimmt das dann“, erzählt sie und sagt: „Der Muttertag ist für mich, neben all den schönen Erinnerungen, auch immer eine Erinnerung daran, dass nicht alle Menschen Muttertag fröhlich feiern können – aus welchen Gründen auch immer.“

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