Podcast „echt gefragt - der Deeptalk“

Durch Arbeitssucht ins Burnout

Charlotte Mattes und Jens Brehl lächeln in die Kamera. Sie sitzen im Studio. Im Hintergrund sieht man Bildschirme und Mikrofone.
Christian Spangenberg
Charlotte Mattes und Jens Brehl sitzen im Studio in Frankfurt und sprechen über das Thema Burnout.

Jens Brehl ist Journalist und PR-Berater. Mit 28 Jahren bekommt er ein Burnout. Er erlebt die völlige Erschöpfung. Doch er schafft es raus!

12 Stunden lang hat Jens Brehl an seinem Tiefpunkt geschlafen, um zwei Stunden arbeiten zu können. Es ging nichts mehr. Er arbeitete 50 bis 60 Stunden pro Woche. Durch die hohe Arbeitsbelastung hatte er viele berufliche Kontakte, jedoch einen kleinen Freundeskreis und keinen Hausarzt. „Ich habe so viel gearbeitet, da hatte ich keine Zeit zum Doktor zu gehen“, sagt der freiberufliche Journalist.

Jens denkt: „Ich bin verrückt geworden!“

Jens Brehl, mit Brille, sitzt im Studio am Mikro, gestikuliert mit den Händen.
Christian Spangenberg
Jens Brehl spricht über sein Burnout.

Jens erzählt, dass es für ihn sehr schwer war, morgens überhaupt aufzustehen.
Auch das Einkaufen fiel ihm schwer. Er habe sich alles aufschreiben müssen, auch wenn es nur drei Produkte waren und doch habe er häufig etwas vergessen.
Mit 28 Jahren erlebt er das depressive Erschöpfungssyndrom, umgangssprachlich: Burnout. Jens habe sich keine Gesprächsinhalte mehr merken können, nach Telefonaten sei fast alles gelöscht gewesen. „Auf der Festplatte ist nichts mehr angekommen,“ beschreibt Jens die Situation.
Er denkt: „Ich bin verrückt geworden!“. Er ist körperlich zusammengesackt, weil er Dinge getippt habe, die nicht mit seinen Gedanken zusammen gepasst hätten. Die Scham über diesen Zustand sei bei ihm sehr groß gewesen.
Da er aber einen Auftrag nicht mehr schaffte, musste er schließlich eine Arbeitskollegin einweihen. Sie half ihm, bestand aber darauf, dass Jens zum Arzt geht.

Arbeitssucht: Der Kick nach Glücksgefühlen

Was Jens damals nicht wusste: Er litt an einer Arbeitssucht. Er habe Aufträge so erledigt, dass sie kaum zu schaffen gewesen sein. Im letzten Moment habe er sie erfolgreich erledigt und so starke Glücksgefühle bekommen, einen Kick.

Jens schreibt ein Buch: „Mein Weg aus dem Burnout"

Jens Brehl hat ein Buch über sein Burnout geschrieben. Ob er heute noch den Mut dazu hätte, so offen über „seine schwerste Zeit im Leben“ zu schreiben, bezweifelt er. Das Buch beschreibt eindrücklich seine Ängste und Erschöpfung. Aber es gibt auch Hoffnung, da er es schafft, seine Arbeitssucht und die Depressionen mit Hilfe von Therapien zu überwinden.
Link zum Buch

Der habe aber nur sehr kurz angehalten und es musste schnell ein neuer Folgen.
Ein Teufelskreis. Jens war erschöpft. Um Output zu schaffen, musste er aber immer mehr arbeiten. Im Winter 2008 kam dann der beschriebene Zusammenbruch. Beim Arzt wird deutlich: Jens muss in eine psychosomatische Klinik. Er beschreibt das mit einer Vollbremsung.

Bei der Ankunft in die Klinik wird Jens „richtig schlecht“

Jens brauchte Hilfe, dringend, deshalb hat er sechs Wochen in einer psychosomatischen Klinik verbracht. Eine Freundin half ihm beim Shoppen der Kleidung, die er für den Aufenthalt benötigt. Für Jens war diese Situation schwer:

Du bist der tolle Typ und dann überfordert es dich Pullis und Hemden einzukaufen.

Auch die Zugfahrt dorthin sei sehr schwierig für ihn gewesen. Er habe wildfremden Menschen erzählt, dass er in den Urlaub fahre, weil er immer so viel arbeiten würde.
Als er schließlich durch den Eingang der Klinik lief, fühlte er sich so, als sei er durch das „Versagertor“ gelaufen.

Burnout: Vorbehalte gegen psychosomatische Klinik

Jens Brehl zu Gast im Podcast
Christian Spangenberg
Jens Brehl zu Gast im Podcast

„Das Wort ‚Psycho‘ und ‚Klinik‘ hat mir schon gereicht“, beschreibt Jens die Situation damals, als sein Arzt ihm sagte, dass er ihm empfehle in eine psychosomatische Klinik zu gehen. Da er aber an solch einem Tiefpunkt gewesen sei, gab es gar keine andere Wahl für ihn.
Jens beschreibt die Klinik als eine andere Welt. Er sei Menschen auf einer intimeren Art begegnet. Und er sei auch zum ersten Mal so richtig mit seinen Emotionen in Kontakt gekommen. Mit Methoden, die ihm vorher befremdlich vorkamen, wie zum Beispiel das Malen seiner Gefühle mit Fingerfarben. Doch er habe spürbare Effekte gemerkt, als er sich darauf eingelassen habe. Welche das genau waren, erzählt er im Podcast.

Manchmal kommt die Angst auch heute noch

Als Jens Klinikaufenthalt vorbei war, musste er lernen mit seiner Arbeitssucht umzugehen. Er habe sich selbst stoppen müssen für seinen Genesungsweg. Er entdeckte das Meditieren oder Gärtnern für sich. Außerdem war er auch in einer Selbsthilfegruppe in Fulda und hat diese später für eine Zeit lang geleitet. Jens sagt, dass es das Wichtigste sei, sich selbst zu verzeihen, wenn man in alte Muster falle.
Heute gibt ihm Wandern Ruhe und er vergesse dabei auch manchmal die Zeit. Bewusste Ruhephasen einbauen, insbesondere nach stressigen Wochen, das mache er konsequent. Dann sei auch das Handy ausgeschaltet und E-Mails würden erst später beantwortet werden. 

Trotzdem ist er auch ehrlich und fügt an, dass ihn an manchen Tagen die Angst einhole, die Angst davor Dinge nicht zu schaffen. Das passiere insbesondere montags manchmal.

Die Angst ist kein Gegner, sondern sie kann auch ein Warnsignal sein.

Für Jens sei die Zeit der depressiven Erschöpfung die dunkelste in seinem Leben gewesen, aber auch das Beste, was ihm hätte passieren können. 

 

Beratungsstellen und Hilfsangebote

Falls es du selbst auch das Gefühl hast, vor einem Burnout zu stehen, oder Probleme mit deinem Arbeitsverhalten hast, haben wir hier einige Beratungsstellen und Hilfsangebote gesammelt: 

⁠Übersicht Selbsthilfegruppen Burnout und Depression deutschlandweit⁠

⁠Info-Telefon Depression⁠

Krisen-Chat für junge Menschen

⁠Beratungsstellen und Krisendienste⁠

⁠U25 Krisen-Beratung für junge Menschen

Telefonseelsorge