Geld ohne Bedingungen

Bedingungsloses Grundeinkommen: Freier denken und handeln mit Geld auf dem Konto

Michael Bohmeyer, Initiator des Vereins „Mein Grundeinkommen“, steht an einem symbolischen Geldautomaten. Im Hintergrund das Reichstagsgebäude in Berlin.
epd/Rolf Zöllner
Geld gibt es automatisch aufs Konto: Michael Bohmeyer, Initiator des Vereins „Mein Grundeinkommen“, stellt das Projekt Grundeinkommen in Berlin vor.

Drei Jahre lang jeden Monat 1.200 Euro auf dem Konto. Ohne dafür arbeiten zu müssen. Dominic Schiffer ist glücklicher Teilnehmer des Pilotprojekts Grundeinkommen.

Nach einem 24-Stunden-Dienst Radio gehört zu haben, hat sich für Dominic Schiffer ausgezahlt. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. „Ich habe im Radio von dem bedingungslosen Grundeinkommen gehört und dass man sich da bewerben kann. Erst dachte ich, ich gewinne ja eh nichts und mache nicht mit.“

Für das bedingungslose Grundeinkommen beworben und Glück gehabt

Als Schiffer zu Hause ankam und noch ein wenig in den sozialen Netzwerken unterwegs war, stieß er zum zweiten Mal auf das Thema: „Hier bewerben für das bedingungslose Grundeinkommen“, stand auf seinem Bildschirm bei einem Button, den er nur anzuklicken brauchte. Schiffer klickte.

Junger Mann steht vor einem See.
privat
Dominic Schiffer bekommt drei Jahre lang jeden Monat 1.200 Euro geschenkt.

Hinterlegt waren Fragen zur Person, einfach zu beantworten. Er habe sich „nicht einmal viel Mühe gegeben“, erzählt der 25-Jährige. Nach dem anstrengenden Dienst „existierst du einfach nur noch“, da sei kein Raum mehr für tiefschürfende Überlegungen. Schiffer ist Rettungssanitäter bei der Johanniter Unfallhilfe Kurhessen.

Nach der Bewerbung hat er ein paar Monate nichts gehört. Als die Nachricht kam, er sei in der zweiten Auswahlrunde, hat er die Sache ernst genommen. Es waren wieder Fragen zur Person, erzählt er, aber ein wenig spezifischer. Dieses Mal habe er sich dann doch „Mühe gegeben“.

Wie seriös ist das Projekt Grundeinkommen? 

Das hat sich gelohnt. Er saß mit Kollegen beim Frühstück, als die Nachricht kam, dass er Teilnehmer des Projekts sein wird. „Ich habe mich tierisch gefreut“, erinnert er sich. Die Nachricht, dass er drei Jahre lang jeden Monat 1.200 Euro geschenkt bekommt, hat er in den nächsten Tagen erst einmal nur im kleinen Freundes- und Kollegenkreis erzählt. Seine Familie habe sich sehr für ihn gefreut, aber seine Mutter habe ihm auch geraten, sich gut zu erkundigen, ob er nicht einem Betrug aufgesessen sei, erzählt er lachend und fügt hinzu: „Ich habe einfach großes Glück gehabt.“

Studie untersucht die Wirkung des Grundeinkommens

 

Satt und faul: ein Klischee? Studie zum Grundeinkommen

Wer nicht für sein Geld arbeiten muss, wird faul, sagt der Volksmund. Aber stimmt das? Das Projekt Grundeinkommen geht der Frage nach, was sich verändert im Leben eines Menschen, der regelmäßig Geld überwiesen bekommt - ohne Gegenleistung.

Teilnehmende brauchen das Geld nicht unbedingt

Mehr als zwei Millionen Menschen haben sich 2020 für das Projekt Grundeinkommen beworben, die Frauen und Männer, die für drei Jahre jeden Monat 1.200 Euro bekommen sind zwischen 21 und 40 Jahren alt, haben ein Netto-Einkommen von 1.200 bis 2.400 Euro und lebten zum Studienbeginn allein. Zudem habe man bei der Auswahl auf die regionale Verteilung und auf eine gleiche Gewichtung von Bildungsabschlüssen geachtet, erklärt Soziologieprofessor Jürgen Schupp von der Freien Universität Berlin und Sozialwissenschaftler beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Ziel sei es herauszufinden, „welche Auswirkungen das Grundeinkommen auf die Menschen hat“, sagt Schupp. Man habe Menschen ausgewählt, die das Geld nicht zum Überleben brauchen.

Was verändert sich im Leben

Die 122 Frauen und Männer mit dem Grundeinkommen müssen alle sechs Monate online Fragen beantworten. Die Forscher wollen wissen, was sie arbeiten, wie viel sie arbeiten, ob sie Überstunden machen und was sie in ihrer Freizeit tun. Schlafen sie besser oder schlechter, haben sie weniger Angst vor der Zukunft?

Vergleichsgruppe beantwortet identische Fragen

Um sicher zu sein, ob Veränderungen tatsächlich am Grundeinkommen liegen, gibt es eine Vergleichsgruppe von 1.380 Personen, „statistische Zwillinge“, sagt Schupp, gleiches Alter, Einkommen, Bildungsniveau. Sie beantworten die gleichen Fragen, bekommen aber kein Grundeinkommen.

Schupp sagt: „Wir versuchen die Frage, wie ein Grundeinkommen tatsächlich wirken würde, zu versachlichen.“ Bei Umfragen, so erzählt er, sage die Mehrheit, sie selbst würden auch mit Grundeinkommen weiterarbeiten. Andere Menschen aber würden bestimmt aufhören zu arbeiten. Da gebe es eine gewisse Diskrepanz.

In dem Pilotprojekt Grundeinkommen erhalten 122 Frauen und Männer aus ganz Deutschland seit dem 1. Juni 2021 ein sogenanntes bedingungsloses Grundeinkommen von 1.200 Euro monatlich. In der dreijährigen Studie soll untersucht werden, ob und wie die bedingungslose, regelmäßige Auszahlung bei den Empfängerinnen und Empfängern wirkt.

Angestoßen wurde das Projekt von dem Verein „Mein Grundeinkommen“ um den Unternehmer Michael Bohmeyer. Zudem sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn daran beteiligt.

Was bedingungslos bedeutet: Jeder entscheidet selbst, ob er arbeitet oder nicht

Die Teilnahme ist weder an Bedürftigkeit gekoppelt noch sind damit Verpflichtungen verbunden. Die Empfänger können frei entscheiden, ob und wie viel sie hinzuverdienen, erklärte Bohmeyer beim Start des Projekts. Finanziert wird das Projekt durch Spenden von rund 181.000 Privatpersonen.

Es gibt auch Neid 

Inzwischen wissen mehr Menschen, dass Dominic Schiffer einer der Teilnehmer des Projekts Grundeinkommen ist. Darunter auch solche, die neidisch seien. Sie fragten: „Warum bekommst du so etwas und nicht ich?“ oder „Ich hätte es viel nötiger als du“. Das sei unangenehm, sagt Schiffer. Sie gönnten ihm das Geschenk nicht.

Nach der Euphorie die Ernüchterung

Seit der ersten Überweisung hat Dominic Schiffer drei Phasen durchlebt. Am Anfang stand eine Woche Euphorie und die Frage: „Was stelle ich an mit dem vielen Geld?“ In der zweiten Phase realisierte er, „so viel ist es gar nicht. Ich kann ja jetzt nicht eine Insel kaufen oder so“. Das setzte ihn unter Druck, weil er das Geld unbedingt sinnvoll nutzen will.

Was mit dem Grundeinkommen bezahlen?

In Phase drei befindet er sich aktuell: Er versucht, in Ruhe zu überlegen, wie er das Geld am besten einsetzen kann. Er müsse einen Kredit abbezahlen, weil er sich als junger Kerl ein viel zu teures Auto gekauft und mit Verlust wieder verkauft habe. Diese Schulden könne er nun viel leichter abbezahlen, „das hat mich sehr erleichtert“, sagt der Fan der Kassel Huskies und von Schalke 04.

Doppelte Miete war mit Grundeinkommen möglich

Kurz nach der Aufnahme in das Projekt Grundeinkommen hat Dominic Schiffer eine junge Frau kennengelernt, mit der er zusammengezogen ist. Die beiden haben eine hübsche Wohnung in Waldeck in der Nähe von Kassel gefunden, sind aber so schnell aus den alten Mietverträgen nicht rausgekommen. Für eine kurze Zeitspanne mussten sie zwei Mieten bezahlen. „Das war mit dem Grundeinkommen kein Problem“, freut er sich noch heute. Außerdem legt er nun Geld für seine Alterssicherung zurück.

Ehrenamtlich arbeitet er im Testzentrum

Hat er mit dem Gedanken gespielt, weniger zu arbeiten? „Nein, nie! Im Gegenteil versuche ich, mir neben dem Rettungssanitäter noch ein zweites Standbein im Finanzwesen aufzubauen.“ Ehrenamtlich arbeitet er zudem in einem Test- und Impfzentrum. „Ich bin voll ausgelastet“, sagt Dominic Schiffer.

Wie funktioniert das bedingungslose Grundeinkommen in Deutschland?

Was würdest du tun, wenn du plötzlich Grundeinkommen hättest?“ Auf diese Frage, die der gemeinnützige Verein „Mein Grundeinkommen“ auf seiner Website stellt, gibt es viele Antworten. Die Vereinsmitglieder wollen sie kennenlernen und wissen, was ein bedingungsloses Grundkommen mit den Menschen macht. Deshalb sammeln sie Spenden ein.

Bisherige Ergebnisse vom Grundeinkommen

Verein sammelt Spenden

Kaum jemand hört auf zu arbeiten

Der häufige Einwand, mit Grundeinkommen wolle niemand mehr arbeiten, lasse sich laut dem Verein bisher nicht belegen. Zwar überlegten ein Teil der Grundeinkommensbezieher, ihren Job zu kündigen. Tatsächlich aber tue das kaum jemand. Stattdessen begegneten sie mit der sozialenSicherheit im Rücken ihren Vorgesetzten selbstbewusster und gestalten ihren Arbeitsplatz angenehmer.

Ohne Existenzangst im Nacken arbeiten Menschen motivierter und selbstbestimmter. Sie erkennen den Sinn ihrer Arbeit wieder – falls nicht, kündigen sie in einigen Fällen tatsächlich und finden einen Job, der wirklich zu ihnen passt“, schreibt der Verein. Um das wissenschaftlich überprüfen zu können, hat der Verein das dreijährige Projekt Grundeinkommen angestoßen.

www.mein-grundeinkommen.de

Wenn 12.000 Euro zusammengekommen sind, losen sie eine Person aus, die ein Jahr lang monatlich 1.000 Euro bekommt. In diesen Genuss sind bisher rund 1.000 Menschen gekommen. Die Idee hinter dem bedingungslosen Grundeinkommen ist, „dass alle Menschen eines Landes von Geburt an lebenslang jeden Monat vom Staat so viel Geld erhalten, wie sie zum Leben benötigen“.

Stärkeres Selbstvertrauen ohne Geldsorgen

Der fünfjährige Praxistest habe gezeigt, dass es nicht ums Geld geht, sondern um die Bedingungslosigkeit. Diese vermittele den Protagonisten, dass jemand an sie glaubt. Das gebe Selbstvertrauen, um etwas zu wagen, eine Ausbildung zu machen oder den Job zu wechseln. Menschen, die eigentlich genug Geld haben, würden mit dem Grundeinkommen erkennen, wie stressig und angstgetrieben ihr Leben ist.

Sonne tanken in Ägypten

Ein wenig Luxus hätten er und seine Freundin sich aber auch gegönnt, gibt Schiffer zu. Im vergangenen November eine Woche Sonne tanken in Ägypten, ein neuer Fernseher als Spontankauf und ein paar kleine Reisen sind auch noch geplant.

Die Teilnehmenden des Pilotprojekts müssen regelmäßig für Befragungen bereitstehen. Dabei gehe es um das Verhältnis von Arbeit zu Freizeit, um die persönliche Entwicklung und das aktuelle Befinden. Einmal im Jahr muss Dominic Schiffer auch eine Haarprobe für eine Analyse abgeben. Diese soll helfen herauszufinden, wie gestresst er ist.

Geldregen langsam ausschleichen lassen

Seine letzte Überweisung bekommt Schiffer am 30. April 2024. Darauf möchte er sich vorbereiten, indem er 2.000 bis 3.000 Euro anspart, um so den Geldregenlangsam ausschleichen zu können“.

Bis es so weit ist, will der gelernte Einzelhandelskaufmann die größere finanzielle Freiheit genießen. „Ich habe großes Glück gehabt“, sagt er und ist dankbar für die Erfahrung, nun „viel freier denken und handeln“ zu können.

Was denkst du über das bedingungslose Grundeinkommen?

Was würdest du mit einem bedingungslosen Grundeinkommen machen? Was hältst du von dem ganzen Projekt? Schreib uns deine Meinung. Entweder per E-Mail an die indeon-Redaktion oder über unsere Kanäle: 

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