Gesellschaft

A Puncherrella-Story: Die Geschichte von Bilgenur Aras

Bilgenur Aras mit Boxhandschuhen im Boxring
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Bilgenur Aras ist Profiboxerin aus Offenbach und Weltmeisterin im Bantam-Gewicht. So hat sie sich aus schwierigen Lebensverhältnissen rausgeboxt.

Die zierliche Frau mit den langen dunklen Haaren, den gemachten Nägeln und den getuschten Wimpern strahlt, wenn sie über ihre Katzen „Princi“ und „Tyson“ spricht. Von allen wird sie nur Bilgi genannt. Ein Spitzname. Doch wenn ihr Blick ernst wird, sie die Deckung aufbaut, und ihren Gegner über die Fäuste hinweg fokussiert, wird aus Bilgi blitzschnell die Profiboxerin Bilgenur „Puncherella“ Aras. Bilgenur war früher ein scheues und schüchternes Kind. Heute ist sie durchtrainierte Kampfsportlerin und steht selbstbewusst im Ring.

Boxtraining als tägliches Ritual

Bilgenur steht mit ihrem Trainer im Ring
epd-Bild/Tim Wegener
Bilgenur beim Training

Im Foyer des Kampfsport-Gyms „MMA-Spirit“ im Frankfurter Ostend stehen Vitrinen. Darin, goldene Gürtel. Die Trophäen errungener Titel. Um die Ecke, im eigentlichen Trainingsbereich, geht es dann weniger glamourös zu. Auf den schwarz-roten Matten wird hart für den Erfolg gearbeitet. „Eine gute Beinarbeit ist wichtig, man muss schnell sein“, verrät Bilgenur während sie sich die Hände einbandagiert, um für ihren nächsten Kampf zu trainieren. Das Training, ein tagliches Ritual. Kraftübungen, Konditionstraining, Schlagübungen am Sandsack, Pratzentraining mit ihrem Coach Ralph Bunn. Pausen und Erholung seien auch wichtig, aber gerade vor Kämpfen müsse sie sich noch mehr reinknien und auf Dinge verzichten, die „unnötigen Stress“ bedeuten würden. Darunter zähle dann auch schon sich mit Freunden zu treffen.

Puncherella: vom betreuten Wohnen zur Profi-Boxerin

Die Entbehrung zahlen sich aus. Die 29-Jährige hat das Ziel von so vielen im Boxsport erreicht: Profi werden. Als Amateurin wird sie in den Hessenkader aufgenommen, wird mehrfach Deutsche Meisterin, Deutsche Vizemeisterin, Südwest-Meisterin, sowie Hessenmeisterin ihrer Gewichtsklasse. Der Schritt in den professionellen Kampfsport gelingt ihr vor fünf Jahren. Das Highlight ihrer bisherigen Profi-Karriere ist der Sieg im Kampf um die Weltmeisterschaft und der damit verbundene Platz in den Top 20 des World Boxing Councils (WBC). Der WBC ist der größte international agierende Boxverband. „Dort so hoch gelistet zu sein, ist eine Ehre“, sagt Bilgenur.

Bilgenurs harter Weg zum Erfolg

Ihr Weg in den Ring war allerdings nicht leicht. „Ich bin durch meine schlechte Vergangenheit zum Boxen gekommen“, erzählt Bilgenur. „Meine Mutter habe ich nie kennengelernt und mit meinem Vater gab es nur Stress. Er hatte nie eine Bindung zu mir, hat mir nie gesagt, dass er stolz auf mich ist.“ Bilgenur war zwei Jahre alt, als sie mit ihrem Vater nach Frankfurt kam. Ihre neue Stiefmutter habe später die Situation zu Hause unberechenbar werden lassen. Bilgenur wurde geschlagen. Mit 11 Jahren kam sie ins Heim, wechselte in betreutes Wohnen, machte ihren Schulabschluss und eine Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau. Der einzige Halt in ihrer Kindheit und Jugend war der Kampfsport. Mit 13 Jahren ging sie zum ersten Mal ins Boxtraining „Das Boxen war mein Anker. Ich habe immer gewusst, egal wie schlecht es mir geht, egal wie hart die Zeit wird, egal wie sehr ich geweint habe, ich kann immer wieder zurück ins Training.“ Der Sport und die Menschen, die sie durch diesen kennenlernt, hat, seien es, die den Boxstall für Bilgenur zu ihrem Zuhause machen. „Mein erster Trainer war meine Vaterfigur, meine Trainingspartner sind wie meine Brüder. Das Boxen bedeutet für mich Familie.“ Durch diese Unterstützung schöpft sie die Kraft, weiterzumachen. „Der Sport hat mich stark gemacht und mich charakterlich geprägt.“

Bilgenur in der Umkleide ihres Gyms
epd-Bild/Tim Wegener
Bilgenur in der Umkleide ihres Gyms

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Puncherella will ein Vorbild für Frauen sein

Ihr Schicksal ist es, was anderen Frauen und Mädchen Mut machen soll, aber auch, was ihr einen besonderen Kampfnamen einbrachte: „Cinderella hatte auch die Geschichte mit ihrer Stiefmutter. Ich bin ich die Cinderella des Kampfsports, deswegen Puncherrella.“ Puncherrella wird schnell zu ihrer Marke; und auch zu ihrem Instagram-Profilnamen. Auf Social-Media folgen ihr 16.600 Menschen und für jeden einzelnen möchte sie ein Vorbild sein. „Ich poste wenn ich im Gym bin, teile was ich esse, gebe Tipps aus der Sicht einer Profi-Sportlerin. Jedes Mal, wenn mir dann Mädels schreiben, dass sie durch meine Storys die Motivation gefunden haben auch Sport zu machen, oder etwas gut fanden, was ich empfohlen habe, bedeutet mir das unglaublich viel.“ Frauen würden im Sport viel schlechter bezahlt werden als Männer, ärgert sich Bilgenur. Beim Training für einen Titelkampf hatte sie sich das Kreuzband gerissen, konnte monatelang kein Sport machen und einige Sponsoren seien abgesprungen

Bilgenur und ihr Trainer am Rand vom Boxring
epd-Bild/Tim Wegener

Um irgendwann einmal dem Boxen das zurück zugegeben, was es ihr selbst gegeben hat, möchte sich Bilgenur einen ganz bestimmten Wunsch erfüllen. „Ich träume schon sehr lange davon, ein eigenes Kampfsport-Gym zu eröffnen und mich gezielt auf junge Frauen und Mädchen zu spezialisieren.“ Nicht nur möchte sie so selbst in ihrer Zukunft Talente fördern, sondern auch die Scheu der meisten Frauen vor dem Boxen bekämpfen. Bilgenur ist überzeugt davon, dass Kampfsport Frauen mutiger macht und Ihnen ganz neues Selbstvertrauen gibt, sobald sie das erste Mal in den Ring steigen. „Ich bin mir zu 99 Prozent sicher, dass jede Frau dranbleiben würde.“