Sport trotz TAR-Syndrom

Paralympics-Goldmedaille für Josia Topf: Gott gibt mir Kraft!

Portrait von Josia
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Josia Topf aus Erlangen ist Profischwimmer, Weltrekordhalter und mehrfacher Medaillengewinner - jetzt holt er die Goldmedaille bei den Paralympics in Paris.

Es war ein wahrer Krimi: Bei den Paralympics 2024 in Paris holt sich Schwimmer Josia Topf endlich die  langersehnte Goldmedaille und erfüllt sich damit seinen paralympischen Traum. Nach 100 Metern lag er noch auf Platz 3, im Endspurt überholte er auf den letzten Metern und sicherte sich die Medaille. 

Josia Topf hat das sogenannte TAR-Syndrom. Konkret bedeutet das in seinem Fall: kurze Arme, unterschiedlich lange, Beine ohne Kniegelenke, ein Knorpeldefekt in der Hand und fehlende Muskeln im Rücken. Davon lässt der Erlanger sich aber nicht aufhalten.

Josia braucht einen Rollstuhl 

An Land kann er kaum etwas allein machen. Hier ist er auf Schienen oder einen Rollstuhl angewiesen und darauf, dass er Hilfe von anderen bekommt. Ganz anders im Wasser: „Hier kann ich mich frei bewegen und ich kann jede Bewegung machen, die ich möchte“, sagt der Profischwimmer. Im Wasser hat er seinen Körper unter Kontrolle.

Das TAR-Syndrom

Steht für Thrombocytopenia-Absent Radius Syndrome (engl.). Es ist ein erbliches Fehlbildungssyndrom und wird durch einen Gendefekt ausgelöst. Typischerweise fehlt den Betroffenen bei vorhandenem Daumen beidseitig die Speiche. Außerdem fehlt es ihnen meist an Blutplättchen. Das TAR-Syndrom wirkt sich sehr unterschiedlich aus.

Josia Topf hat eine gewöhnliche Kindheit. Seine Eltern melden ihn nicht in einem inklusiven Kindergarten an, sondern in einem regulären. Damals habe er nicht bemerkt, dass er anders ist als die anderen Kinder, denn im Kindergarten brauchte jeder Unterstützung beim Jacke oder Schuhe anziehen oder auch beim gemeinsamen Essen. „Gemerkt habe ich erst in der Grundschule, dass ich körperlich eingeschränkt bin“, erzählt Josia. „Da hatte ich als Einziger jemanden, der für mich geschrieben oder meine Schultasche eingeräumt hat.“

Schwimmen ohne Arme: Mit 6 fing alles an

„Mein Papa hat zu mir gesagt, dass ich schwimmen lernen muss, denn jedes Kind muss schwimmen lernen, egal ob mit Behinderung oder ohne“, sagt Josia Topf. Damals habe er gemerkt, wie viel Freiraum ihm das Wasser gibt. Mit acht Jahren tritt er dem Schwimmverein SSG 81 Erlangen bei, für den er noch heute schwimmt.

Sein sportlicher Ehrgeiz bringt ihn weit voran. „Das Gefühl vom Sport ausgepowert zu sein liebe ich einfach“, schwärmt Josia Topf. „Die Überschreitung eigener Grenzen und neue Ziele zu setzen, passt perfekt zu mir.“

Schwimmen bedeutet mir alles.

Mittlerweile trainiert er acht Mal in der Woche und nimmt erfolgreich an Paralympischen Spielen und Weltmeisterschaften  teil. Bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften bricht er 2022 den Para-Weltrekord im 50-Meter Schmetterlingsschwimmen.

Josia und Wiebke Topf
EMH
Josias Mutter Wiebke wusste, dass sie ein behindertes Kind zur Welt bringt. Abtreiben kam für sie nie in Frage.

Mutter und Sohn: ein eingespieltes Team

„Viele Leute verstehen nicht, dass ich ohne Hilfe nicht überlebensfähig bin“, sagt Josia. „Wenn er frühstücken oder sich umziehen möchte, sein iPad bedienen oder etwas trinken will, braucht er Hilfe“, erklärt Josias Mutter Wiebke. Sie sei immer für ihn da.

Mehrere Monate verbringt sie mit ihrem Sohn am Anfang seines Lebens in Kliniken, denn bei Josias Geburt waren durch die fehlenden Kniegelenke unter anderem seine Beine versteift. Das rechte Bein lag angewinkelt vor dem Bauch. In komplizierten Operationen wurde Josias Bein auseinandergesägt und in gerader Position zusammengesetzt – nur deshalb kann er heute laufen.

Wiebke Topf wollte nicht abtreiben

Als Wiebke Topf und ihr Mann in der Schwangerschaft Ende des zweiten Trimesters die Diagnose bekamen, war das für die damals 30-jährige ein großer Schock. Lange sei nicht klar gewesen, ob Josia nicht auch kognitive Einschränkungen haben würde. Für Wiebke und Hans-Georg Topf kam trotz Anraten der Ärzte eine Abtreibung nicht in Frage. In ihrem Buch "Nur die Liebe zählt" beschreibt Wiebke Topf ihre Gedanken als in einer Art Abwärtsspirale. Sie sei damals zutiefst verzweifelt gewesen. Ihr Glaube an Gott habe ihr geholfen, wieder auf die Beine zu kommen.

Hans-Georg Topf traf die Diagnose weniger stark. „Mein Mann hat sich ganz arg auf das Kind gefreut hat“, erzählt Wiebke Topf. Für den Kinderarzt sei klar gewesen, dass er für seinen Sohn da sein würde.

Buchhinweis

Wiebke Topf hat das Buch „Nur die Liebe zählt“ geschrieben. In diesem Buch sollen Menschen, deren Leben durch eine leidvolle Erfahrung zum Stillstand gekommen ist, ermutigt werden, weiterzugehen. 💪

Vertrauen auf Gott

„Für mich ist jeder Tag ein Geschenk“, erzählt Josia Topf. Aber auch sein Glaube gebe ihm Kraft – ganz besonders die persönliche Beziehung zu Gott. „Er hätte mich auch ganz normal machen können, aber es gab einen tieferen Grund, warum ich behindert bin. Gott ist da bei mir kein Fehler unterlaufen“, reflektiert der 19-Jährige.

Josia Topf wünscht sich dennoch, ohne Einschränkungen leben zu können. „An schlechten Tagen suche ich nach Hilfsmitteln und bespreche mit meinem Orthopäden, der meine Schienen macht, mögliche Lösungen“, erzählt Josia Topf. Manchmal müsse er aber auch eine Situation einfach akzeptieren und das Beste draus machen. Gerade wenn es um Hilfe bei intimen Momenten, wie dem Anziehen oder Duschen geht.

Josia Topf macht seinen Führerschein

Statt genervt zu sein von fehlender Privatsphäre, konzentriert sich Josia auf das Positive: „Ich nutze die Chance, die Person, die mir hilft, näher kennen zu lernen und ein besseres und intimeres Verhältnis aufzubauen.“ Mit seinen Freunden aus dem Kindergarten und der Grundschule sei er deshalb stark zusammengewachsen, weil sie ihn verletzlich kennenlernen konnten – da sei eine große Vertrauensbasis da. „Wir stehen uns näher, als das der Fall wäre, wenn ich keine Behinderung.

Josia Topf im Schwimmbad
EMH
Josia Topf hat schon früh mit dem Schwimmen angefangen.

Obwohl der Profischwimmer viele körperliche Dinge im Alltag nicht machen kann, versucht er sich immer weiter neue Fähigkeiten zu erarbeiten. Auf eine ist er dabei besonders stolz: Josia hat seinen Führerschein gemacht. Sein umgebautes Auto mit Sprachassistent und Joystick-Steuerung bedeutet für ihn ein großes Stück Eigenständigkeit.

Beschissenes Gefühl, wenn einem die körperlichen Möglichkeiten fehlen.

Nachdem er 2021 auch sein Abitur gemacht hat, studiert der Paralympics-Teilnehmer mittlerweile Jura an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen. Die Entscheidung für ein Jura-Studium habe er aufgrund seiner eigenen Erfahrungen mit bürokratischen Hürden getroffen.

Anderen Menschen mit Behinderung helfen

„Die beste Art, diese zu verändern, ist über juristische Wege“, sagt Josia. Doch Juristen seien sehr teuer. „Ich habe beschlossen, dass ich mich für meine Interessen und die Interessen anderer Menschen mit Behinderung einsetzen möchte.“ Auch eine Karriere in der Politik könne sich Josia Topf vorstellen. Er erhofft sich, dass er dort noch mehr für Menschen mit Behinderung erreichen kann.

Josia Topf möchte andere ermutigen, jeden Tag ihr Bestes zu geben: „Man muss sich vorstellen, wie viel jemand erreichen könnte, der über alle Gliedmaßen und einen gesunden Körper verfügt.“ Für ihn steht fest: „Wenn man keine körperlichen Einschränkungen hat, dann gilt eigentlich: Sky is the limit!

Diese feste Überzeugung hat Josia jetzt geholfen: Seit den Paralympics in Paris hält der die Goldemedaille fest in seinen Händen - der paralympische Traum hat sich erfüllt.

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