Spielen im Fahrzeug

Zirkus-Kids lernen anders: Ein Tag mit der mobilen Kita

Bild von der rollenden Kita
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In der mobilen Kita können Schausteller-Kinder auch mitten im Rummel lernen. Auch sonst ist manches anders in dieser Kita.

Stell dir vor: Zirkuszelte, Wohnwagen und Tiergehege auf dem großen asphaltierten Messplatz im hessischen Darmstadt. Hinter den Kulissen findest du nicht nur Wohnwagen und Ställe, sondern auch zwei weiße Kleintransporter mit Aufsatz. Hierin versteckt sich eine mobile Kita, die speziell für Kinder von Staustellern und Zirkusfamilien gedacht ist. 

Dieses Mal ist das „Lernmobil“ bzw. das „Kitamobil“ beim „Circus Rolina“ zu Gast. Die rollende Kita des Evangelischen Vereins für Innere Mission (EVIM) in Wiesbaden gibt es seit September 2020. Sie ist eine Ergänzung zum mobilen Klassenzimmer für Kinder von beruflich reisenden Familien. 

Mobil lernen: Ein Tag bei der rollenden Kita

Im August 2021 sitzen vor dem Fahrzeug sitzen drei Kinder auf kleinen Stühlen. Ihnen gegenüber Sozialarbeiterin Theresa Saup und Studentin Jana Roth. „Ich bin schon auf Seite 68“, erklärt Tiano stolz und zeigt sein Heft. Dort geht es um Mengen und Zahlen. „Wie viele Autos siehst du?“, fragt Jana Roth. „Acht“, sagt Tiano und fügt hinzu, welches Geräusch ihm dazu einfällt: „Tüt, tüt.“ Der Sechsjährige kommt zweimal pro Woche für zwei bis drei Stunden in die Kita.

„Soweit wir wissen, sind wir die einzigen in Deutschland, die so etwas anbieten“, sagt Theresa Saup. Ab Juli 2024 soll auch im Raum Kassel eine rollende Kita für beruflich Reisende starten. Das Angebot ist für die Eltern kostenlos, finanziert vom Hessischen Sozialministerium und der EVIM Bildung gGmbH.

Während der Corona-Zeit entstand die Idee für die mobile Kita. Tianos Familie hatte damals ihren Zirkus auf dem Messplatz aufgeschlagen. Besonders der Lockdown war für die jüngeren Kinder besonders langweilig.

Kita, die zu den Kindern kommt

Das Betreuungsangebot für die Kinder ist bedürfnisorientiert. 

Website der rollenden Kita

„Die Kinder wollten mit zum Unterricht ins Lernmobil kommen, weil wir die einzige Abwechslung für sie waren“, sagt Thomas Schulze. Der EVIM-Fachberater im Bereich Kindertagesstätten gehört zu den Mitinitiatoren. Er hat schon einmal eine Kita geleitet.

Aus dieser Situation heraus entstand die Idee für das mobile vorschulische Angebot.

Lernspaß zwischen Wohnwagen und Zirkusvorstellungen in Hessen

Das Team der mobilen Kita besteht aus Thomas Schulze, Theresa Saup und Jana Roth, die soziale Arbeit studiert. Zu Beginn fuhren sie einzeln oder zu zweit in einem Fahrzeug die Plätze an, darunter Frankfurt und Darmstadt, aber auch Schlitz im Vogelsberg und Groß-Bieberau am Rand des Odenwalds. „Wir sind nur in Hessen unterwegs“, sagt Thomas Saup. Die meisten Familien beschränkten sich wegen schulpflichtiger Kinder auf ein Bundesland.

Der siebenjährige Sonny vor der mobilen Kita
epd/Thomas Lohnes
Auch wenn Sonny mit seinen sieben Jahren schon zur Schule geht, so kommt er doch gerne bei der Kita vorbei.

Normalerweise ist das Kita-Team mit zwei weißen Sprintern unterwegs. Auf der Dippemess 2024 haben sie das erste Mal einen Container aufgestellt. Wie du oben im Video sehen kannst, konnten so 20 Kinder von Schausteller-Familien genügend Platz finden. Die Sprinter hingegen sind umgebaute Lernmobile. Innen ist alles sehr zweckmäßig, aber trotzdem kindgerecht eingerichtet. Von einem hohen Regal blicken zwei große braune Bären, an den Wänden hängen Kinderzeichnungen und sind Tische montiert. 

Tiano ist an diesem Vormittag mit seiner dreijährigen Cousine Eleyna und seinem siebenjährigen Cousin Sonny gekommen. Sonny geht eigentlich schon in die mobile Schule, ist aber trotzdem willkommen.

Drei Kinder, zwei Erwachsene – ein Betreuungsschlüssel, von dem andere Kitas nur träumen. „Manchmal haben wir acht Kinder, mal sechs, mal drei“, erklärt Sozialarbeiterin Theresa Saup. Das hänge ganz davon ab, welches Ziel sie und ihre Kollegin ansteuern.

Mit allen Sinnen fördern: Kita ganz nah

Bei der mobile Kita können sich Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren aus Schausteller- oder Zirkusfamilien anmelden. Die Fachkräfte fahren täglich zwei bis drei Stationen an. Dort versuchen sie, mit den Kindern möglichst viel draußen zu unternehmen.

„Wir müssen mehr planen, weil es nur so wenige Kinder sind und die größere Gruppe fehlt“, sagt Theresa Saup. Vor allem die Vorschulkinder hätten fast keine Kontakte außerhalb ihrer Familien. Das Lernen von und mit anderen Kindern fällt damit weitgehend weg. Die Kinder seien stärker auf die Erwachsenen bezogen. „Es ist ein sehr intensiver Kontakt“, ergänzt Jana Roth. Besonders Lesen und Basteln stünden bei den Kindern hoch im Kurs.

Logopädin hilft bei sprachlichen Problemen

Die Kids haben unterschiedlichen Förderbedarf. Einige brauchen Hilfe bei der sprachlichen Entwicklung. Das Kita-Team hat bereits Kontakt zu einer Logopädin aufgenommen, die Online-Sprachtherapie anbietet. Die Eltern seien insgesamt sehr kooperativ, sagt Theresa Saup.

Juliana Ortmann, die Mutter von Eleyna und Sonny, freut sich über das Angebot. „Es tut den Kindern gut“, betont sie. „Sie fragen ständig, wann die Kita wieder kommt und ob es noch Zettel für Hausaufgaben und zum Malen gibt.“ Ginge es nach ihren Kindern, „könnte die Kita öfter kommen“, fügt sie hinzu.

Im Zirkus ist Tiano ein Clown

Clown August in der Manege
epd/Thomas Lohnes
Tiano ist im „Circus Rolina“ der kleine Clown August, dessen Plüschlöwe durch einen Reifen springen soll.

Tiano malt inzwischen eine Maske auf einen Pappteller. Grüne Augen, grüner Mund, gelbe Haare. „Ein böser Zombie“, sagt er. Allerdings sieht das Gesicht gar nicht so furchterregend aus. Das mag daran liegen, dass Tiano auch schon ein kleiner, fröhlicher Clown ist. „Meinen August mache ich schon richtig lange“, erklärt der Sechsjährige stolz. Bei seinen Auftritten im Zirkus soll ein Spieltier-Löwe durch einen Reifen springen, was sich als nicht so einfach herausstellt.

Sonny hilft bei den Vorstellungen mit dem Licht. „Dann sehe ich ihn und kann gut auf ihn aufpassen“, sagt Mutter Juliana und lacht. Eleyna hilft beim Popcorn und läuft immer mal wieder mit einem Schild durch die Manege. Und die Kita? „Dort liebe ich das Spielzeug und höre gerne Geschichten. Und alle sind so lieb, das ist das Beste“, sagt Tiano.