Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung: Wenn Kinder in einer akuten Notsituation vom Jugendamt aus ihrer Familie geholt werden, dann haben sie oft Furchtbares hinter sich.
Es bricht einem das Herz.
Peter Büttner
Sehr häufig werden sie dabei aber nicht nur von ihren Eltern getrennt, sondern auch von ihren Geschwistern.
Wie Kinder mitten in der Nacht regelrecht auseinandergerissen wurden, hat Peter Büttner schon viel zu oft miterlebt. Er ist Psychotherapeut und Geschäftsführer des Kinder- und Jugendhilfeprojekts „Petra“.
Warum das so wichtig ist? Dafür musst du dir nur mal die erste Nacht nach der Inobhunahme vorstellen: Die kleinen Kinder müssen zum ersten Mal in ihrem Leben woanders übernachten und das in einer Krisensituation.
Alles, was vertraut ist. Der Bruder, die Schwester. Sie vermittelten das Gefühl, nicht alleine zu sein, die Situation gemeinsam durchzustehen.
Becker ist überzeugt: „Geschwister sind eine wichtige Ressource, gerade in so einer schwierigen Zeit.“ Tagsüber flitzt ein Vierjähriger mit anderen Kindern durchs Haus, veranstaltet mit ihnen Wettrennen mit den Bobbycars. Doch wenn er abends ins Bett geht, hat er seinen großen Bruder an seiner Seite, der die Einschlafrituale der Familie kennt. Das bietet Sicherheit. Die könne man gar nicht überschätzen.
„Jedes einzelne Schicksal ist extrem schwierig und belastend“, sagt Büttner. Eigentlich sage einem schon der gesunde Menschenverstand, dass Brüder oder Schwestern für die Krisenbewältigung ganz entscheidend sein könnten.
Doch die Praxis in Deutschland sieht oft anders aus. der Leiter des Darmstädter Geschwisterhauses Angelo Barba sagt, dass es bisher vor allem vom Zufall abhängt, ob Geschwister gemeinsam untergebracht werden. Eine zentrale Rolle spiele dabei das Alter der Kinder sowie die Kapazitäten in den Einrichtungen: Kleinkinder bis sechs Jahre kommen in der Regel vorübergehend in einer Bereitschaftspflegefamilie unter, ältere Geschwister in einer Einrichtung.
Das Institut für Kinder- und Jugendhilfe in Mainz begrüßt ausdrücklich den Aufbau von Geschwisterhäusern. Eine wissenschaftliche Untersuchung habe gezeigt, dass bei einer Herausnahme von Kindern aus der Familie auf die Geschwisterbindungen oft nicht hinreichend Rücksicht genommen werde. Und das, obwohl es der ausdrückliche Wunsch der jungen Menschen sei, sagt die stellvertretende Institutsdirektorin Monika Feist-Ortmanns. Sie erklärt, der Grund seien bisher fehlende Strukturen für eine gemeinsame Unterbringung.