Gesellschaft

Gerhard Trabert: Ein Leben für Menschen in Not

Gerhard Trabert lacht in die Kamera, im Hintergrund ist eine Palme und ein Feuerlöscher.
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Der Mainzer Arzt Gerhard Trabert hilft Obdachlosen und Menschen in Not. Im Podcast hat er mit Lotte Mattes über sein Engagement gesprochen.

Gerhard Trabert ist Arzt, Sozialpädagoge, Autor und der 68-Jährige sagt über sich selbst, dass er Menschenrechtsaktivist ist. 1997 hat er den Mainzer Verein Armut und Gesundheit gegründet, der sich um obdachlose und sozial benachteiligte Menschen kümmert.

Als erster in Deutschland, hat er ein „Arztmobil“ eingesetzt, um so auch Menschen auf der Straße medizinisch versorgen zu können. Diese Idee hat er aus Indien mitgebracht und dann in Mainz umgesetzt. Gerhard Trabert ist parteilos, engagiert sich aber für die Partei die Linke. 2022 war er Kandidat für das Bundespräsidentenamt und die Linke Rheinland-Pfalz hat ihn als Spitzenkandidaten für die diesjährige Bundestagswahl aufgestellt.

Gerhard Trabert hat vier erwachsene Kinder und ist mehrfacher Großvater.
Im indeon-Podcast „echt gefragt“ habe ich mit ihm über sein umfassendes soziales Engagement gesprochen.

Das Gespräch haben wir im November 2024, vor seiner schweren Erkrankung Anfang 2025, geführt. Gerhard Trabert hat mehrere Schlaganfälle erlitten, die Prognose ist unklar. 
 

Menschen in Krisengebieten helfen

Gerhard Trabert, in blauem Hemd, schaut Host an, man sieht das indeon Mikro.
Christian Spangenberg
Gerhard Trabert sagt: „Ich versuche Christ zu sein, die Bergpredigt ist für mich etwas Zentrales."

Sie waren unter anderem in Syrien, auf der griechischen Insel Lesbos, in Kenia oder auch in der Ukraine. Was gibt Ihnen dieses Engagement?

Gerhard Trabert: Mein Interesse und das versuche ich immer wieder zu betonen, ist, die Situation der Menschen am Rande der Gesellschaft in den Fokus zu rücken.

Ich glaube, eine ganz wichtige Motivation, oder Basis für all das Handeln ist, und das haben wir ja alle, eine Suche nach dem Sinn des Lebens. Ich möchte damit auch schon mal von Anfang an deutlich machen: Es ist nicht nur ein Geben für andere Menschen. Es ist zum Teil ein Stück egoistisch, denn da erfahre ich auch eine sehr tiefe Form der gegenseitigen Begegnung und Beziehung, das gibt mir persönlich unheimlich viel.

Ich habe das Gefühl, in meinem Leben etwas Sinnvolles zu tun.

Dieses Handeln gibt mir das Gefühl: Ich bin auf einem Weg, den ich vor mir selbst und vor dem, was ich als wichtig in meinem Leben empfinde, rechtfertigen kann. Mit dem eigenen Tun in so einer Stimmigkeit sein zu können, das gibt doch jedem unheimlich viel.

Gerhard Trabert in seinem mobilen Sprechzimmer in Mainz.
Esther Stosch
Gerhard Trabert in seinem mobilen Sprechzimmer in Mainz.

Trabert in der Flüchtlingshilfe

Sie engagieren sich seit über 30 Jahren. Kostet Sie das Engagement mehr Kraft, als noch vor zehn Jahren?

Gerhard Trabert: Absolut. Also ich sage immer, der Kontakt zu den betroffenen Menschen, der gibt mir Kraft. Die Auseinandersetzung mit den Verantwortlichen und mit den Strukturen, die häufig zu der Situation dieser Menschen führt, kostet immer mehr Kraft.

Nehmen wir die Situation geflüchteter Menschen, die zu uns kommen. Sie kommen, weil in ihrer Heimat Krieg ist, Naturkatastrophen herrschen oder existenziell bedrohliche Armut. Wie über diese Menschen gesprochen wird, wie dann von Sozialtourismus gesprochen wird, dass sie die Zahnarztpraxen voll belegen würden, das sind alles ganz gezielte Unwahrheiten.

Im Juli 2024 waren Sie auf dem Mittelmeer unterwegs, also nah dran an geflüchteten Menschen...

Gerhard Trabert: Genau. Es war heiß, fast 40 Grad. Fast alle hatten Sonnenbrand, waren dehydriert. Wir hatten auch einen medizinischen Notfall. Das macht etwas mit einem, wenn man das sieht, wenn man mit den Menschen spricht.

Auch die vielen Schicksale, die ich höre, wenn ich mich mit den Menschen unterhalte, was sie alles erlitten haben. Hier werden sie dann von etablierten Politikern in dieser Art und Weise diskriminiert und diffamiert, das macht mich wütend. Es macht mich auch traurig, aber auch wütend.

So geht man mit Menschen nicht um.

Sie unterstützen Menschen in Notlagen und da erleben Sie viele belastende Situationen - Wie gehen Sie damit um?

Gerhard Trabert: Eine Form des Loslassens, ist das Schreiben für mich. Ich schreibe die Geschichten auf, habe ja auch verschiedene Bücher geschrieben. Das Aufschreiben ist noch mal ein Prozess des Verarbeitens und ich kann es dann loslassen. Denn, es steht dann in diesem Buch.

Sport ist auch wichtig. Ich sage immer, wenn ich laufe und höre die Vögel wieder, was meistens erst nach einer Viertelstunde der Fall ist, dann bin ich angekommen. Dann nehme ich wieder meine Umwelt wahr und darum geht es. Mit Freunden, der Familie und Bekannten darüber zu reden, das ist auch ganz wichtig.

Sie sind ja in einem Waisenhaus groß geworden. Aber wie Sie sagen, privilegiert. Ihr Vater war der Heimleiter. Das heißt, Sie wurden schon als Kind permanent mit sozialer Ungerechtigkeit konfrontiert. War das der Ausgangspunkt für Ihr starkes Engagement?

Gerhard Trabert: Ja, das hat mich unheimlich geprägt. Ich habe sehr früh erfahren, wie gut es mir geht. Ich habe Eltern, fahre in den Urlaub, bekomme zu Geburtstagen und Weihnachten teure Geschenke.

Gerade in der Schule habe ich dann Ungerechtigkeiten miterlebt. Denn, wenn irgendetwas passiert ist, wurden häufig die Heimkinder beschuldigt. Sie wurden sehr schnell als die Schuldigen diffamiert und stigmatisiert. In aller Regel waren sie es aber nicht. Das waren ja meine Spielkameraden.

Als Kind habe ich es unmöglich oder schwer empfunden, da etwas dagegen zu tun. Ich habe mir, denke ich, schon geschworen:

Wenn du erwachsen bist, wirst du gegen solche Ungerechtigkeiten etwas tun!

Insofern war das für mich eine ganz prägende und wichtige Zeit für mein ganzes Leben.

Sie sind auch Vater, von vier Kindern. Wie haben Sie das Engagement und das Vater-Sein unter einen Hut bekommen?

Gerhard Trabert: Also einmal bin ich meiner damaligen Frau unheimlich dankbar. Wir haben vier Kinder und sie hat da natürlich unheimlich viel aufgefangen und abgefangen.

Ich habe ein Stipendium von der evangelischen Kirche bekommen, ohne dieses Stipendium hätte ich nicht Medizin studieren können. Damals hatte ich meinen ältesten Sohn in einem Tragetuch vor dem Bauch. Die ganzen Kapitel, die ich lernen musste, habe ich mir auf Kassetten aufgesprochen. Ich bin dann durch die Weinberge mit ihm gelaufen. Er hat dann geschlafen, in der Natur und ich habe mir mit einem Walkman meine eigenen besprochenen Kassetten angehört.

Es gab aber auch Phasen, wo ich kurz davor war, das Studium zu beenden, weil es einfach zu anstrengend war.

Mir war es immer wichtig, auch für die Kinder da zu sein. Das ist schon was Zentrales. Die Kinder sind für mich etwas ganz, ganz Elementares. Sie sind auch Quelle von Frieden, Energie, Kraft, Liebe und vielem mehr

Ich habe meinen Kindern unheimlich viel zugemutet durch das, was ich getan habe. Aber ich habe ihnen auch immer vermittelt: Sorry, ihr müsst euren Vater halt so nehmen, wie er ist. Das bedeutet, dass ich dann auch da oder dahin gehe, wohl wissend, dass ich ihnen da viel zugemutet habe. Das arbeitet immer noch in mir.

Ein kleines Holzkreuz liegt links, die islamische Gebetskette daneben und eine silberne „Bring them Home"-Kette nebendran.
Christian Spangenberg
Gerhard Trabert trägt immer ein Kreuz, eine islamische Gebetskette und eine Kette aus Palästina bei sich. Sie erinnern ihn an Hilfseinsätze und Begegnungen im Ausland.

Sie sind jetzt 68 Jahre alt und so wie es für mich klingt, denken Sie nicht ans Aufhören. Was wäre denn so ein Motto, was Sie Ihrem Leben so eine Überschrift geben könnten?

Gerhard Trabert: Nie aufgeben und natürlich gerade jetzt: Keinen Millimeter nach rechts. Diesem Populismus, diesen Lügen entgegentreten, Haltung zeigen. Sich ganz klar gegen Ungerechtigkeit zu positionieren. 

Sie möchten mehr schreiben und lesen, sagten Sie mir vorab, gibt es noch weitere Pläne für 2025?

Gerhard Trabert: Hoffentlich wird mein viertes Enkelkind gesund geboren. Mein Gärtner hat mir ein Baumhaus hingestellt, mit einer Rutschbahn. Da habe ich jetzt schon so eine Gartenecke, mit Brombeeren und Himbeeren, das will ich für meine Enkelkinder noch ausbauen. Da freue ich mich drauf.

Außerdem möchte ich mich weiter politisch engagieren, auch für die Bundestagswahl 2025.

Gibt es weitere Lebensträume, die noch in Erfüllung gehen sollten?

Gerhard Trabert: Ich habe immer den Traum gehabt, eine kleine „Armutsklinikaufbauen zu können. Wir haben hier in Mainz schon Untersuchungsräume. Wir haben 30 Angestellte, wir haben 30 bis 40 Ehrenamtliche, wir haben viele Ärzte, Ärztinnen, die ehrenamtlich mitarbeiten.

Wir werden jetzt bald die Möglichkeit haben, Zimmer anzumieten, um dann auch Patienten dort zu versorgen. Das würde ich gerne noch ein bisschen erweitern, sodass Menschen stationär versorgt werden können. Nicht adäquat wie in einem Krankenhaus, aber schon intensiver.

Gerade bin ich dabei ein Kinderbuch zu schreiben und ich fotografiere gerne. Da wäre es schön, noch die eine oder andere Ausstellung zu machen.

Also: Ein bisschen mehr Zeit für Kreativität, für Fantasie.

Außerdem würde ich gerne noch miterleben, wie meine Enkelkinder anfangen zu studieren und was sie studieren. Ob ich das erlebe, weiß ich nicht.

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Sie haben viel Leid gesehen, tote und sterbende Menschen. Haben Sie Angst vorm Tod?

Gerhard Trabert: Also Angst glaube ich nicht. Ich habe Respekt davor. Ich kann nicht in eine Krisenregion gehen, wenn ich große Angst vor dem Tod habe, dann bin ich gelähmt. Dann handle ich nicht gut in der Krisenregion.

Du magst ausführliche Interviews? Ich freue mich, wenn du meinen Podcast unterstützt und mit uns ins Gespräch kommst. Entweder per Mail direkt an mich, Charlotte oder über unsere Social-Media-Kanäle.

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Man kann sich immer als Arzt, ein wenig ablenken, weil man einen Auftrag hat. Man macht etwas und dann kann man vielleicht auch mal mehr oder weniger alles andere ausblenden.

Aber natürlich habe ich Respekt. Es wäre sehr schön, wenn ich das bewusst erleben könnte. Ich habe so ein bisschen Angst vor einer Demenz. Ich glaube, die haben wir alle. Also davor, die Kontrolle total zu verlieren. Ansonsten wäre es schön, wenn ein paar Menschen, die mir sehr lieb sind, dann vielleicht da wären.

Aber der Tod gehört einfach zum Leben dazu. Ich sage immer: Die Überwindung der Angst vor dem Tod, ist der Schlüssel zum Leben. Wenn ich in dieser Angst permanent lebe, dann kann ich nicht wirklich erfüllt leben und die Breite, die Vielfalt, die Buntheit des Lebens leben.

Deshalb ist es wichtig, sich mit dem Tod, mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Ich finde, das ist elementar, auch wenn wir alle mehr oder weniger Angst davor haben.