Drogenpolitik

Frankfurter Bahnhofsviertel steht vor Herausforderungen

Frau sitzt am Tisch und zeigt den Raum
Angela Wolf
Im Tagestreff des Diakoniezentrums Weser 5 können Menschen für kurze Zeit zur Ruhe zu kommen.

Lange Zeit war der „Frankfurter Weg“ ein drogenpolitisches Vorbild für viele Kommunen. Seit einigen Jahren kippt die Situation im Bahnhofsviertel.

Unweit des Frankfurter Hauptbahnhofs, nur einen Steinwurf entfernt, tummeln sich am sogenannten Kaisersack viele Menschen. Wo die Kaiserstraße in Richtung Innenstadt beginnt, sind Dealer, Konsumenten, Pendler und Touristen unterwegs. Links und rechts des Tunnelzugangs zum Hauptbahnhof richten sich obdachlose Menschen immer wieder Matratzenlager als Schlafplätze ein.

Drogengeschäfte sind hier nicht ungewöhnlich, waren sie noch nie. Neu ist allerdings die veränderte Gesamtsituation. Es riecht nach Urin, Kothaufen liegen in Hofeinfahrten, Müll hat sich angesammelt, Menschen in gesundheitlich schlechtem Zustand lungern auf der Straße.

Verelendung des Frankfurter Bahnhofsviertels schreitet voran

Der Frankfurter Polizeipräsident Stefan Müller spricht von einer Verelendung des Viertels, gegen die die Polizei wenig ausrichten könne. Er sieht die Stadt Frankfurt in der Pflicht. Nach Jahren einer erfolgreichen Drogenpolitik mit Substitutions- und Konsumräumen, gerät die Lage ins Stocken und droht zu kippen.

Der einst innovative sogenannte Frankfurter Weg überzeugte damit, den Konsum von der Straße zu holen und schwer Heroinabhängige mit Hilfe eines Methadonprogramms zu entkriminalisieren und im besten Fall zu resozialisieren.

Neue Konsumformen, ein eingeschränktes Hilfsangebot während der Corona-Pandemie, fehlende Rückzugsräume und eine voranschreitende Gentrifizierung des Viertels treibt nun das Elend auf die Straße. Nachhaltige Lösungsansätze gibt es bisher kaum.

Crack verschlimmert Lage

Die Droge Crack verdankt ihren Namen dem knisternden und knackenden Geräusch, wenn es geraucht wird. Das zusammengekochte Gemisch aus Kokainsalz und Natron ist billig, macht schwer abhängig und ist auf dem Vormarsch. Tom Holz war viele Jahre Sozialarbeiter im Bahnhofsviertel und erklärt, dass Crack eine völlig andere Konsumdynamik mit sich bringe. Die Wirkung lasse schnell nach. Etwa fünf Minuten nach einem Zug an der Pfeife setze das Verlangen ein, erneut zu rauchen. Das erkläre die Aggressivität der Abhängigen, die im ständigen Nachschubstress seien.

Obdachlosigkeit und Sucht sind eng verknüpft

Suchterkrankungen und Obdachlosigkeit lassen sich kaum trennen. Eine Studie der Technischen Universität München fand heraus, dass etwa 80 Prozent der von Obdachlosigkeit Betroffenen an einer Suchterkrankung leiden.

Kathrin Wilhelm ist seit 2022 die neue Leiterin des Diakoniezentrums Weser 5 im Frankfurter Bahnhofsviertel. Zur aktuellen Situation im Viertel möchte Wilhelm sich nicht äußern.

Vielmehr müsse erwähnt werden, dass ihre Einrichtung der Obdachlosenhilfe ein niedrigschwelliges Angebot im Tagestreff vorhält, dass es Notschlafplätze gebe und dass die Menschen, die Weser 5 aufsuchen, die Möglichkeit einer Beratung haben. Die aufsuchende Straßensozialarbeit sei zwar unter anderem im Bahnhofsviertel unterwegs, um gezielt diejenigen anzusprechen, die auf der Straße leben.

Menschen in gesundheitlich schlechtem Zustand müssen ihre Kolleginnen und Kollegen aber immer an den medizinischen Dienst verweisen.

Wilhelm ist es wichtig zu betonen, dass das Diakoniezentrum versucht, „eine relativ umfassende Versorgung zu gewährleisten. Eine medizinische Versorgung bieten wir nicht an. Hier verläuft eine Grenze.“ Regelmäßig tausche man sich mit den Kolleginnen und Kollegen aller Einrichtungen im Kiez aus. Natürlich auch mit denen der Drogenhilfe.

Quartiersmanagement ist längst überfällig

Weser 5 Diakoniezentrum, Weserstraße 5, Frankfurt,

Notübernachtung: Tel. 0 69/2 71 35 85 80

Tagestreff: Gutleutstraße 20, Frankfurt

Mail an den Tagestreff

Was genau das Viertel brauche – etwa Toiletten – und an welchen Stellen justiert werden müsse, sei Aufgabe der Politik. Ein Quartiersmanagement, welches der zuständige Ortsbeirat 1 schon lange Jahre fordert, stellt sich die Leiterin der Weser 5 durchaus gewinnbringend vor. Eine Stelle, die die Fäden zusammenhalte, könne nur sinnvoll sein.

Die steigende Zahl von Menschen mit Mehrfachbelastungen, mangelnder Wohnraum und langsame Prozesse in der Drogenpolitik – das alles könnte die Situation rund um den Frankfurter Hauptbahnhof weiter verschärfen.

Der Frankfurter Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne) weiß um die Schwierigkeiten. Er und viele seiner Kolleginnen und Kollegen in der Kommunalpolitik wünschen sich mehr Spielräume für neue Wege in der Drogenpolitik und zur Erprobung verschiedener Modelle.