„Podcast Echt gefragt - der Deeptalk"

Ehrenamtlich Geflüchtete im Mittelmeer retten

Segelschiff vor einem Schlauchboot mit vielen Geflüchteten darauf
Paula Gaess

Stefen Seyfert ist Jurist, in seiner Freizeit rettet er seit dem Jahr 2016 Geflüchtete auf dem Mittelmeer. Warum?

Ein wunderschöner Sonnenaufgang an Deck eines Schiffs auf dem Mittelmeer. Klingt wie aus einer Urlaubsstory. Ist es aber nicht. Stefen Seyfert sieht Schattierungen am Horizont, die sich als zwei graue Schlauchboote herausstellen. Ein Rettungseinsatz steht bevor. Voller Kontraste war Stefens erste Einsatzerfahrung 2016 auf dem Mittelmeer. Der damals 25-jährige Stefen war mit dem Verein Sea-Watch unterwegs, um Menschen in Notlagen zu helfen

Stefen hilft auf dem Mittelmeer: Verein Resqship

Stefen im Studio im Gep, im Vordergrund ist ein Mikro zu sehen. Er trägt einen Pulli mit Bändeln.
Arik Sürek

Stefen Seyfert hat seinen Wehrdienst bei der Marine gemacht, es sei eine technische Ausbildung gewesen. Als er von den vielen Menschen in Not auf dem Mittelmeer gehört habe, wollte er etwas tun. Auch sein technisches Know-how über Maschinen wollte er einbringen und hat sich dann bei Sea-Watch beworben. Auf diesem Einsatz habe er auch Leichen geborgen und sehr verzweifelte Menschen gesehen. Trotzdem ist er bis heute dabei geblieben.

Jeder Mensch, der sicher an Land kommt, ist es wert.

Stefen kommt aus Mainz und ist hauptberuflich Jurist. In seiner Freizeit engagiert sich der 33-Jährige rund 20 Stunden pro Woche ehrenamtlich im Verein Resqship. Diesen Verein hat er im Juni 2017 mitgegründet. Der Verein hilft an der Küste der süditalienischen Insel Lampedusa mit einem motorbetriebenen Segelboot. Die „Nadir“ ist 18 Meter lang, liegt im Hafen von Malta und leistet in der Regel erste Hilfe, bis die italienische Küstenwache übernimmt.

Friedhold Ulonska
Stefen Seyfert auf einem Einsatz mit dem Schiff „Nadir" im Jahr 2022.

Der Verein RESQSHIP

Der Verein RESQSHIP wurde im Jahr 2017 gegründet, aus einer Gruppe von Menschen, die bei einem Sea-Watch-Einsatz dabei waren.
Seit 2019 sind die Ehrenamtlichen mit dem Schiff Nadir unterwegs. Von Malta aus fährt die Crew um die süditalienische Insel Lampedusa. Auf dem Schiff ist immer eine Ärztin oder ein Arzt, außerdem eine Person, die italienisch spricht. Die Crew arbeitet eng mit der italienischen Küstenwache zusammen.

Stefen war im Juli 2024 das letzte Mal auf dem Mittelmeer und habe mit der Crew sechs Booten Hilfe geleistet. Ein Einsatz dauert drei Wochen, dafür nimmt sich Stefen frei. Das heißt, ein großer Teil seines Jahresurlaubes nutzt er für sein Engagement auf dem Mittelmeer. Für ihn sei die Gesamtsituation absurd, man komme aus einem friedlichen Alltag, steige in den Flieger, komme in Malta an und sei plötzlich in einer komplett anderen Welt. Da würde ihm immer ein Licht aufgehen, wie gut es uns in Europa ginge.

Auf dem Mittelmeer: Handylicht rettet 21 Menschen

Bei seinem letzten Einsatz hatte Stefen Wache und die Kursberechnung übernommen, um so ein Boot anzutreffen, das in Seenot geraten war. Die Koordinaten des Bootes bekommt die Crew der Nadir von der Küstenwache, die wiederum die Koordinaten von Watch the Med Alarm Phone erhält. Anhand der Koordinaten konnte Stefen berechnen, wo das Boot ungefähr sein muss. Doch auf die Situation, die sie nachts im Meer erwartete, konnten sie sich nicht vorbereiten. Das Boot war bereits gesunken. Ein Mensch habe sein Handy in die Luft gehalten, nur durch dieses kleine Licht, wurde Stefen auf die 21 Menschen aufmerksam, die schon im Wasser waren.

Da strampeln jetzt gerade alle, um ihr überleben.

Die siebenköpfige Crew konnte alle Menschen retten, trotzdem vermeide Stefen das Wort Erfolg. Dafür sei die Situation zu schrecklich, aber natürlich sei es etwas sehr positives zu sehen, dass sie es geschafft haben, allen Menschen zu helfen.

Wunden und Geschichten der Geflüchteten bleiben im Kopf

Beide lächeln in die Kamera, im studio, im Gep.
Arik Sürek
Im Podcast „echt gefragt - der Deeptalk" berichtet Stefen über seine Einsätze und der großen Verantwortung für die Menschen in Not, die er spüre.

Stefen erklärt, dass er wenige Fragen stelle, zum Hintergrund der Flucht, um keine Retraumatisierung auszulösen. Trotzdem würden die Menschen ihm schreckliche Dinge erzählen, von Rassismus, Vergewaltigungen und Gewalt. Einige hätten ihm auch schon ihre Verletzungen und Wunden gezeigt, das bleibe im Kopf. Eindrücklich sei es auch, wenn Menschen mit Babys flüchteten. Das jüngste Baby, das er gerettet habe, sei erst einen Monat alt gewesen. Das mache ihn nachdenklich, weil dahinter stecke, dass die Familien Schreckliches durchgemacht hätten. Außerdem bedeute es auch, dass sie die Flucht über das Mittelmeer als weniger gefährlich empfänden, als was sie an Land durchmachen würden.

Es ist keine Freude für mich in die Einsätze zu gehen.

Stefen sieht die Verantwortung bei uns in Europa. Es gehe um unsere Außengrenze, um ein Gebiet, wo wir etwas bewirken können. Deshalb wolle auch er etwas tun, sehe sich in der Verantwortung und wolle nicht wegschauen, wenn jemand quasi vor unserer Haustür ertrinke.