Was die Taliban anrichten können, haben Sharam und Allawie (beide Namen geändert) am eigenen Leib erfahren müssen. Der 23-jährige Sharam arbeitet in Afghanistan als Goldschmied und studiert Design. Die Taliban wollen ihn als Kämpfer rekrutieren, aber er will nicht.
Auch sein Bruder, 14 Jahre alt, soll sich der radikalislamischen Taliban in Afghanistan anschließen – er soll Selbstmordattentäter werden. Das wird der Familie zu viel und die beiden begeben sich auf die Flucht. Die Eltern und ein jüngerer Bruder bleiben in der Heimat zurück.
Die beiden fliehen vor den Taliban-Kämpfern über den Iran, die Türkei, Griechenland, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Slowenien, Italien und Frankreich nach Deutschland. Im November 2020 kommen die Brüder in Hessen an.
In Frankfurt lebt ein Onkel, den die beiden noch nie gesehen haben. Der 14-jährige Allawie kann dort erst einmal wohnen. Aber der Onkel will keine Verantwortung übernehmen. Allawie wechselt in eine Wohngruppe nach Frankfurt-Bonames.
Der ältere Bruder landet in einer Sammelunterkunft in Gießen. Eine schmerzhafte Trennung für beide. Umso schlimmer die Nachricht, die beide im Dezember bekommen: Der jüngste Bruder in Afghanistan ist getötet worden.
Alexander Liermann war selbst als Pfarrer in Masar-e Scharif. Dort hat er als Seelsorger für viereinhalb Monate Bundeswehrsoldat:innen begleitet. Allerdings sei er nur selten aus dem Lager rausgekommen: „Das war damals längst zu gefährlich.“
Damit Sharam eine Chance hat, bei seinem Bruder zu bleiben, unterstützt die Diakonie Hessen das Geschwisterpaar. Hierfür musste ein sogenanntes Dossier verfasst werden, damit die familiäre Gemeinschaft erhalten bleiben kann. Das nennt sich: Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik in das Asylverfahren.