Dazu passt, dass nach katholischem Strafrecht Missbrauch bislang gewertet wird als Verstoß gegen den Zölibat. Erst kürzlich hat der Vatikan bekannt gegeben, sexuelle Gewalt künftig als Gewalt gegen Leben, Würde und Freiheit eines anderen Menschen zu behandeln. Die Änderung ist zu begrüßen, selbstverständlich. Sie zeigt aber, aus welcher Perspektive die katholische Kirche auf den Missbrauch geblickt hat. Da hat zwar jemand gegen das sechste Gebot „du sollst nicht ehebrechen“ verstoßen, im Falle der Priester gegen den Zölibat, aber das Leiden der Kinder stand nicht im Fokus.
Überfälliger Rücktritt
Den Rücktritt von Marx werten viele als Angriff auf den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der lange ein Missbrauchs-Gutachten unter Verschluss hielt. Vom Papst entsandte Visitatoren sollen das untersuchen. Möglich, dass ein zweiter Rücktritt folgt, er ist längst überfällig.
Gesetz zur Prävention formuliert
Was heißt das für die Protestanten? Auch hier gibt es Missbrauch, Vertuschung und völliges institutionelles Versagen. Deshalb hat sich die Evangelische Kirche vor ein paar Jahren auf den Weg gemacht. Einige Landeskirchen haben bereits Präventionsgesetze verabschiedet, mit denen Missbrauch künftig verhindert werden soll, andere sind dran. Was die Aufarbeitung angeht, hat aber auch die Evangelische Kirche Fehler gemacht.
Vorwurf des Machtmissbrauchs
Im vergangenen September erst wurde der Betroffenenbeirat als Gegenüber zu dem Beauftragtenrat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) - der den Missbrauch aufabeiten soll - gegründet. Zwölf Frauen und Männer, die Missbrauch erlitten haben, bildeten das Gremium. Nach internen Auseinandersetzungen haben bereits im November fünf von ihnen den Beirat verlassen. Die Zusammenarbeit zwischen Betroffenen und Beauftragten lief schlecht, am 10. Mai schließlich setzte die EKD den Betroffenenbeirat aus.
Es hagelte Kritik von Seiten der bis dahin verbliebenen Mitglieder. Einige von ihnen warfen der Kirche öffentlich wiederholt Machtmissbrauch vor. Was tut die Kirche? Sie schweigt. Das sieht über Tage hinweg aus, als wolle die Kirche das Problem aussitzen – ein fatales Bild.
Transparenz und Offenheit notwendig
Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, frühere Sprecherin des Beauftragtenrats, hat nun am vergangenen Wochenende betont, dass die Kirche nur lernen könne, wenn sie betroffene Menschen konsequent beteiligt. Und auch, dass der Beauftragtenrat Fehler gemacht habe. Das ist gut so. Es ist auch richtig, Außenstehende einzubinden um herauszufinden, was bislang bei der Aufarbeitung falsch gelaufen ist. Aber notwendig ist zu allen Zeiten Transparenz und Offenheit, vor allem gegenüber den Opfern.
System Kirche verändern