Sparen bei der Kirche

Dem Bachchor droht das Aus

Der Bachchor während einem seiner Auftritte.
privat
Die Zukunft des Mainzer Bachchors ist ungewiss.

Den Mainzer Bachchor kennen viele. Weil die Kirche sparen muss, ist seine Zukunft ungewiss.

„Wir müssen lernen, Kirche mit anderen zu sein. Wir können nicht mehr alles stemmen. Das ist für mich die Lektion aus den gesellschaftlichen Entwicklungen, aus dem Mitgliederschwund", sagt Präses Birgit Pfeiffer.  Die Mitgliedszahlen der Kirche sinken weiter, der Religiosität in der Gesellschaft schwindet - beides führt zu massiven Veränderungen in der Kirche. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau arbeitet deshalb an dem Reformationsprozess #ekhn2030. Es ist ein schmerzhafter Prozess. Denn weniger Mitglieder bedeutet auch weniger Geld.

Die Kirche muss sich fragen, wofür sie Geld ausgibt

Die Frage steht im Raum: „Was können wir uns noch leisten?" Die Synode fällt aktuell viele wichtige Entscheidungen. Es sind schmerzhafte Entscheidungen. Dazu gehören massive Kürzungen der Zuschüsse des Mainzer Bachchors. „Die Synode hat einen schmerzlichen Beschluss für den Bachchor gefasst, aber sie hat vorher sehr sorgfältig beraten und war davon ausgegangen, dass es eine Lösung für den Bachchor geben wird", sagt EKHN-Präses Birgit Pfeiffer.

 

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Die Zukunft des Bachchores ist ungewiss

Kurz vor Weihnachten sollen noch einmal alle Teile des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach erklingen - in der Mainzer Christuskirche, wo vor fast 70 Jahren alles begonnen hatte. Mehrere andere A-Capella-Konzerte zum Jahresende hat der renommierte Bachchor Mainz hingegen bereits abgesagt. Und wie es mit dem Ensemble weitergehen soll, weiß derzeit niemand so recht: Die Stelle des Künstlerischen Leiters ist aktuell vakant, der Chormanagerin musste zum Jahreswechsel wegen fehlender Mittel gekündigt werden. Die künftige Trägerschaft ist ungeklärt. Bernd Sucké, langjähriges Mitglied des Chores, klagt:

Wir fühlen uns wie ein unerwünschtes Kind.

Seit 35 Jahren singt der Klinik-Oberarzt selbst im Bachchor. Viele der Sängerinnen und Sänger kämen von weit her zu den Proben und opferten einen Großteil ihrer Freizeit für die Chorarbeit. Nun sei völlig offen, wie es weitergehen werde. „Es gibt keine Planung für die Konzert-Saison 2024“, sagt Sucké. „Ich weiß nicht, was wir den regelmäßigen Besuchern mit Abonnement sagen sollen.“

Musik ist einziger Kontakt zur Kirche

Bernd Sucké versteht die Entscheidung nicht. Eben auch, weil Verkündigung auf verschiedene Weise möglich sei. Auch über den Chorgesang, findet er. „Für viele Zuhörer in unseren Konzerten ist diese Musik, der noch einzig verbliebene Zugang zur Religion überhaupt. Das sollte man nicht geringschätzen", sagt der Sänger.

#ekhn2030

Der Reformationsprozess #ekhn2030 soll die EKHN bei sinkenden Mitgliederzahlen und Steuereinnahmen zukunftsfähig machen. Unter anderem sollen Pfarrstellen bis ins Jahr 2030 um ein Drittelreduziert werden, von derzeit 1.465 Stellen auf 950 Stellen im Jahr 2030. Die Sparmaßnahmen treffen nicht nur die Gemeinden vor Ort, sondern auch weitere kirchliche Einrichtungen. Zum Beispiel die Jugendburg Hohensolms und das Kloster Höchst ­­- beides Orte, an denen sich Jugendliche treffen wurden aufgegeben. Das Ziel ist es den Haushalt so zu kürzen, dass er ab 2030 um 140 Millionen niedriger ausfällt als bislang. Bis zum Jahr 2025 können faktisch bereits rund 65 Millionen eingespart werden, heißt es in einer Drucksache der Kirchenleitung, die den Synodalen zur Beschlussfassung vorliegt.

Gleichzeitig steht der Bachchor Mainz vor zwei riesigen Herausforderungen. Zum einen musste sich der langjährige Künstlerische Leiter Ralf Otto im Sommer aus gesundheitlichen Gründen aus der Arbeit zurückziehen. Der bekannte Dirigent hatte maßgeblichen Anteil daran, dass aus dem einstigen Kirchenchor der Mainzer Christuskirche ein überregional bekannter Klangkörper wurde.

Unter seiner Leitung war das Repertoire erweitert worden: Der Chor brachten neben ihrem Schwerpunkt auf der Musik von Bach auch Werke von Brahms, Verdi oder der Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Benjamin Britten oder Leonhard Bernstein auf die Bühne.

Und dann geriet der Chor auch noch mitten in die Debatte der hessen-nassauischen Landeskirche (EKHN) um den Reform- und Sparprozess #ekhn2023. Die Kirchensynode lobte zwar die sehr gute „und auch international ausstrahlende Arbeit“ des Chors, äußerte aber zugleich Zweifel an der „besonderen Bedeutung für die EKHN als Gesamtkirche“.

Im Ergebnis wurde der ursprüngliche Plan, die Mittel der Landeskirche um maximal 30 Prozent zu kürzen, bei den Beratungen sogar noch verschärft. Auf die Hälfte der landeskirchlichen Zuschüsse - 60.000 Euro im Jahr - muss der Chor ab 2024 verzichten.

Weniger sparen bei der Jugend, mehr beim Chor

Hintergrund ist, dass die Synode entschieden hat, weniger im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit zu sparen. Doch das geht nur, wenn zeitgleich eben woanders gespart wird: „Die größere Kürzung beim Bachchor hat eine geringere Kürzung in der Kinder- und Jugendarbeit ergeben“, erklärt Birgit Peifer. Der Reformationsprozess führe dazu, dass die Kirche sich intensiv Gedanken machen müsse, welche Prioritöten zu künfitg setzen wolle, sagt Oberkirchenrätin Melanie Beiner.

„Man muss darüber diskutieren welcher Bereich kirchlichen Handels ist so wichtfg, dass man sagt, da kürzt man ein bisschen mehr, da ein bisschen weniger", erklärt Beiner und fügt an: „Das Arbeitsfeld Kinder und Jugend ist ein wichtiger Bereich. Aber es fällt mir schwer, diese kirchlichen Breiche gegeneinander auszuspielen."

Die Synode habe jedoch in dem Glauben entschieden, dass die Zukunft des Chores weiterhin gesichert sei: „Im Nachhinein ist es eine schwieriger Situation als es die Synode gesehen hat. Denn am Tag der Debatte ist der Mäzen des Bachchors verstorben", fügt Pfeiffer an und verweist auf den im Frühjahr verstorbenen Getränke-Unternehmer und Kultur-Mäzen Peter Eugen Eckes, der dem Kuratorium des Bachchors vorsaß.

Gruppenbild des Bachchors in Mainz.
privat
Der Mainzer Bachchor ist überregional bekannt.

„Durch diese Extrem-Kürzungen wird es uns unmöglich gemacht, das bisherige Niveau zu halten“, sagt Sucké. Manche in Mainz fürchten inzwischen, dass die Gruppe auseinanderfällt und viele der Sänger sich schon bald anderen Chören zuwenden.

EKHN: Kein anderer Chor wird so gefördert

Die Kürzungen seien für den Bachchor nicht überraschend gekommen, teilt EKHN-Sprecher Volker Rahn mit. „Seit anderthalb Jahren wurden intensive Gespräche mit dem Bachchor geführt. Ziel war vor allem eine Neukonzeption der Arbeit.“ Hintergrund der Synodenentscheidung seien Gerechtigkeitsgründe: Kein anderer Chor auf dem Kirchengebiet der EKHN werde direkt von der Landeskirche bezuschusst. „Aus Sicht der EKHN ist die Arbeit grundsätzlich nicht gefährdet, aber natürlich müssen aufwändigere Projekte überdacht werden.“ In der Vergangenheit hatte der Bachchor immer zusätzliches Fördergeld für bestimmte Konzerte erhalten.

Ohne Klarheit über den weiteren Weg des Chors werde es schwer, Unterstützer zu halten oder neu zu gewinnen, fürchtet man beim Bachchor. Eigentlich sollte zum Jahreswechsel die Trägerschaft von der Landeskirche auf das Evangelische Dekanat Mainz übergehen. Dort gibt es allerdings noch gar keinen offiziellen Beschluss, ob man die Zuständigkeit überhaupt übernehmen will. Die Entscheidung könnte im November fallen.

Birgit Pfeiffer ist dennoch zuversichtlich, dass die Gespräche zu einem guten Ende führen: „Es wird schwierig, ihn als Hochleistungs-Konzertchor weiterzuführen. Das ist sicherlich herausfordernd, aber er ist wichtig für die Kirchenmusik im Dekanat Mainz, er ist wichtig für die Kirchenmusik in der  Landeskirche. Ich hoffe, dass sich eine Lösung finden lässt."